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"Von der Rolle des Schurken hat sich Mario Adorf relativ bald freigespielt"

Mario Adorf spielte 19 Jahre an den Münchner Kammerspielen, drehte international auf Französisch, Italienisch und Englisch. Vielen ist der Schauspieler in der Schurkenrolle am besten in Erinnerung. Die Berliner Akademie der Künste wirft nun einen Blick auf seine gesamte Karriere.

Torsten Musial im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
    Zitat Mario Adorf: "Ich mach dich nieder, Schimmerlos. Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Geld, dass du keine ruhige Minute mehr hast, und dann hab ich dich und dann bist du mein Knecht, ich mach mit dir wat ich will."

    Stefan Koldehoff: Generaldirektor Heinrich Haffenloher, Klebstofffabrikant, in der begnadeten Fernsehserie "Kir Royal". - Mit dem Nachfolgefilm "Zettl", der in den Kinos zurzeit läuft, findet Regisseur Helmut Dietl bei der Kritik keine Gnade. "Kir Royal" hingegen gilt als Meisterstück - auch wegen Schauspielern wie Mario Adorf, der Haffenloher als rheinischen Emporkömmling spielt, der ach so gerne auch zur Münchner Gesellschaft zählen möchte.

    Die Akademie der Künste in Berlin hat Mario Adorf - geboren 1930 in Zürich als Sohn einer Mutter aus der Eifel und eines Vaters aus Italien - nun eine Ausstellung gewidmet. Kuratiert hat sie Torsten Musial, Leiter des Filmarchivs der Akademie - und also geht an ihn auch meine Frage: Was muss man den getan haben, um bei Ihnen überhaupt eine Ausstellung zu bekommen?

    Torsten Musial: "Getan haben" ist gut. - Ja als Erstes ist es natürlich sehr schön, dass uns Mario Adorf sein Archiv zur Verfügung gestellt hat. Aus diesem Archiv schöpfen wir auch, es ist sehr reichhaltig, sehr umfangreich, Tausende Fotos, ganz viel Schriftgut, Drehbücher, und die präsentieren wir in der Ausstellung. Das wäre ein Grund.
    Natürlich muss man auch ein bisschen Erfolg, will ich nicht sagen, aber man muss Rollen gespielt haben, die in der Filmgeschichte, in der Theatergeschichte wichtig waren, und das hat Adorf also wirklich zur Genüge gemacht. Er ist ein großer Charakterdarsteller und wenn man zurückblickt: Es sind über 50 Jahre deutsche Filmgeschichte, die er verkörpert.

    Koldehoff: Die Ausstellung hat bei Ihnen den Titel " ... böse kann ich auch". Das ist schon ein bisschen ironisch gemeint, oder?

    Musial: Das ist natürlich ironisch gemeint, weil natürlich hat er Schurkenrollen gegeben, eine Zeit lang galt er als der Filmbösewicht. Rückblickend meint man vielleicht, das war eine griffige Metapher auch für Journalisten, obwohl Produzenten natürlich auch ganz gern Schauspieler immer wieder in die gleichen Rollen schieben wollen. Aber das ist natürlich nur ein Anlass für uns zu zeigen, dass Mario Adorf sich relativ bald dann freigespielt hat. Er hat eine internationale Karriere gestartet, er hat im neuen deutschen Film vor allen Dingen bei den Autorenfilmern viele wichtige Rollen gespielt, und vielen Zuschauern wird er natürlich noch von den großen Literaturverfilmungen und Mehrteilern im Fernsehen bekannt sein, wo er eigentlich so prägnant gespielt hat, dass viele ihn bis heute damit identifizieren - ich nenne nur den Großen Bellheim oder den Schattenmann.

    Koldehoff: Wenn Sie von den Autorenfilmern sprechen, dann denken natürlich viele sofort auch an Volker Schlöndorff, an die "Oscar"-prämierte "Blechtrommel"-Verfilmung, in der Mario Adorf eine der Hauptrollen gespielt hat. Was brauchte er, um so weit zu kommen, was war nötig? Sie haben gerade gesagt, mit den Schurkenrollen angefangen. Vorher war aber noch das Theater, oder?

    Musial: Genau, und das darf man vielleicht nicht vergessen, vielleicht ist es vielen auch gar nicht so bekannt. Er hat lange Jahre, 19 Jahre etwa, an den Münchner Kammerspielen gespielt, im Ensemble, hat dort bei großen Leuten wie Fritz Kortner, nenne ich nur, Schweyk, selbst Brecht hat er gespielt. Das ist eine Schule, von der er heute noch zehrt. Also die genaue Arbeit am Text, die Demut auch vorm Text, prägnante Dialoge, das ist etwas, wo er bis heute von zehrt und wo er auch hochachtungsvoll immer spricht. Er sagt immer, wenn er ein Problem hat, wie hätte Kortner das gelöst, was hätte Kortner jetzt gemacht. Ich glaube, das ist ganz wichtig und das half ihm natürlich, später diese großen und schweren Rollen zu spielen, aber sie auch differenziert, vielschichtig anzulegen.

    Koldehoff: Wie kann man so was in einer Ausstellung mit Realien darstellen? Nehmen wir ein Beispiel, ich weiß nicht, ob Sie es da haben. Wie sieht das Drehbuch zur "Blechtrommel" aus? Wie sieht man, wie sich Adorf so eine Rolle erarbeitet?

    Musial: Mario Adorf ist ja bekannt, bei manchen Regisseuren auch etwas berüchtigt dafür, dass er an seinen Rollen arbeitet. Er versucht, sie zu verbessern, die Dialoge griffiger auch zu machen, und insofern macht er sich auch Notizen, wie etwas gesprochen werden soll, wie Gesten sein sollen, wie er vor allen Dingen emotional agieren soll. Es gibt vielleicht noch schöne Beispiele bei "Kir Royal", das ist allen sicherlich ein Begriff, der Haffenloher, wo er sozusagen vorgeschlagen hat, der Mann, der müsste halt rheinisch sprechen, weil dann wird das ganze erst richtig satirisch. Das ist so eine Geschichte. - Oder in "Rossini": da ist der Restaurantbesitzer, der in einer Szene halt doch sehr aufgebracht ist, auch flucht, das müsse in Italienisch passieren. - Und das ist übrigens auch noch eine sehr schöne Sache: Wir haben Filmausschnitte in dieser Ausstellung, sehr viele, und wir haben auch einen Teil, wo Filmausschnitte im Original zu sehen sind, und das heißt internationale Filme, denn er hat eine internationale Karriere gehabt und er hat immer in der Originalsprache gedreht, also in Französisch, in Italienisch, in Englisch, und er hat auch die entsprechenden mimischen Dinge, diese Gesten, dieses typische Italienische oder dieses Französische, das hat er sich angeeignet, und dem kann man da nachspüren.

    Koldehoff: Wie thematisiert man denn in so einer Ausstellung, zumal wenn sie vom Dargestellten selbst unterstützt wird, dass vielleicht auch das eine oder andere dazwischen war, was nicht so gerade "Oscar"-verdächtig gewesen ist?

    Musial: Mario Adorf ist da recht uneitel, geht damit auch sehr entspannt um. Wir haben ein sehr schönes Dokument. Ende der 70er-Jahre hat er eine Liste gemacht mit seinen Filmen, die er in etwa so gruppiert hat "große Rolle, aber künstlerisch weniger wertvoll", oder "kleine Rolle, habe ich gern gespielt", und da listet er natürlich auch ganz offen auf die Filme, die halt auch nach seiner Meinung eher nicht so toll gewesen sind, oder wo er sich hätte besser sehen können sozusagen. Also da ist er auch sehr kritisch sich selbst gegenüber.

    Koldehoff: Hat er viel abgelehnt während seiner Karriere?

    Musial: Also er hat unwahrscheinlich viele Angebote bekommen und rückblickend sagen natürlich andere Leute auch wieder, vielleicht hätte er das eine oder andere tatsächlich ablehnen sollen. Andererseits ist Mario Adorf jemand, der sagt, ein Schauspieler muss spielen und der kann natürlich am Anfang auch nicht sehen, wie wird der fertige Film sein. Dafür ist er nun letzten Endes nicht unbedingt ganz alleine verantwortlich. Aber für ihn ist es wichtig zu spielen, das ist sein Leben und er will unterhalten, und natürlich spielt er am liebsten Filme, die, sage ich mal, einen künstlerischen Tiefgang haben und zugleich unterhalten, also auch für das Publikum, aber das ist natürlich nicht immer zu haben. Die Drehbücher sind nicht immer so gut, wie man sie es sich wünscht.

    Koldehoff: Das stimmt wohl. - Torsten Musial - vielen Dank - über die Mario-Adorf-Ausstellung in der Akademie der Künste in Berlin.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.