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Von Geldwäsche bis Wettbetrug

Für die Turiner Tageszeitung "Tuttosport" hat der Journalist Daniele Poto rund 30 Jahre lang den italienischen Fußballbetrieb beobachtet. Ein Aspekt wurde in der italienischen Öffentlichkeit lange Zeit jedoch komplett ignoriert: der Einfluss der Mafia auf den Calcio.

Von Julius Müller-Meiningen |
    Der 57 Jahre alte Poto hat nun in Zusammenarbeit mit der Antimafia-Organisation "Libera" ein Buch geschrieben mit dem Titel "Le mafie nel pallone" - die Mafia im Fußball. So heißt der bisher nur auf Italienisch im Abele-Verlag erschienene Band, Untertitel: eine Geschichte der Illegalität im meist manipulierten Spiel der Welt:

    "Die Mafia interessiert sich nicht für den Sport, sondern taucht da auf, wo Profite winken und die Bosse haben längst kapiert, dass man im Fußball gute Geschäfte machen kann. In den vergangenen Monaten und Jahren haben sie sich regelrecht auf den Calcio gestürzt."

    Die Aktivitäten der Mafia im italienischen Fußball reichen vom Wettbetrug über Geldwäsche, der Übernahme und Unterwanderung von Vereinen bis zur Kontrolle der Nachwuchsabteilungen. Zahlreiche Ermittlungen von Rom bis Palermo, von Mailand bis Reggio Calabria haben das dokumentiert. In krassen Fällen deckt ein Boss gleich mehrere Geschäftszweige ab:

    "In Potenza hat der junge Präsident Postiglione den Fußballverein übernommen, um alle möglichen Geschäfte zu machen. Er besaß mehrere Wettagenturen. Postiglione hat auf die eigene Mannschaft gewettet und 150.000 Euro mit dem von ihm verschobenen Spiel Potenza-Salernitana gewonnen. In der Jugendabteilung hat er einen Strohmann eingesetzt und den Trainer verjagen lassen. Dem wurde sogar das Auto angezündet."

    Besonders im süditalienischen Kalabrien konzentriert sich die Mafia auf den Nachwuchs. In abgelegenen Berg-Gegenden wie im Aspromonte ziehen sich die Bosse der Ndrangheta die Mafiosi von Morgen in den von ihnen kontrollierten Jugendabteilungen heran. In manchen Gegenden ist die Hälfte aller Jugendlichen arbeitslos. Hier nutzt die Mafia den Volkssport Fußball zur Kontrolle des Territoriums. Doch auch die Serie A ist längst im Fokus der Bosse:

    "Der Aufsehen erregendste Fall war der Übernahme-Versuch von Lazio Rom im Jahr 2006 durch den Ex-Spieler Giorgio Chinaglia. Er war der Strohmann des Camorra-Clans aus Casal di Principe in Kampanien, der 27 Millionen Euro zur Geldwäsche auf ungarischen Banken geparkt hatte. Chinaglia sollte Lazio-Präsident werden, pflegte Freundschaften und machte sich bei den Irriducibili beliebt, dem rechtsradikalen Kern der Lazio-Tifosi."

    Die Camorra hatte mit ihrem Strohmann Chinaglia eine regelrechte Schlammschlacht gegen die aktuelle Lazio-Führungsriege eingefädelt. Präsident Lotito erhielt Drohungen, mit dem Ziel, Platz für den neuen Investor zu machen. Trainer Delio Rossi wurde als "Wurm" und "Kommunist" diffamiert. Die rechtsradikalen Fans, die die Camorra als Hausmacht für ihre Zwecke instrumentalisierte, erhofften sich Führungspositionen im Verein. Hintermann der Operation war Giuseppe Diana, ein im illegalen Müll-Geschäft in der Region Neapel operierender Camorra-Unternehmer. Bei Ermittlungen im Müllbusiness kam die Staatsanwaltschaft auf die Fährte Dianas. Der Mafioso hatte Chinaglia mit einem üppigen Handgeld für seine Zwecke gewonnen und versucht, mit dem Einstieg bei Lazio Rom illegal erworbenes Kapital reinzuwaschen. Der Lazio-Deal platzte, doch wer heute in Italien ein Fußballstadion betritt, der kann sich der Mafia oft nicht entziehen:

    "Das geht schon beim Parkplatz los, da muss man einem illegalen Parkwächter den pizzo, ein Schutzgeld abtreten, sonst riskiert man zerstochene Reifen. Im Inneren des Stadions von Neapel kontrolliert die Camorra jeden Winkel. Wenn du ein Mineralwasser kaufst, ist im Preis schon der Anteil eines Clans aus Secondigliano oder Scampìa enthalten. Genauso bei der Wurstsemmel. Selbst die Arbeitsplätze im Stadion werden von der Mafia vergeben."

    Geht es um die Mafia, ist stets von Italiens Süden die Rede. Doch vor allem die 'Ndrangheta aus Kalabrien und die Camorra aus Kampanien breiten sich immer mehr im Norden aus. Auch beim italienischen Meister, dem AC Mailand ist der Wurm drin:

    "Die Kurve der Tifosi des AC Mailand ist seit langem in der Hand eines Ndrangheta-Clans aus Kalabrien. Der Clan macht bei jedem verkauften Wasser und jedem T-Shirt Gewinn."

    Nicht nur in Mailand hat sich die Mafia bis unter die Tifosi vorgearbeitet, auch in Turin, Genua oder Verona soll die `Ndrangheta Teile der Kurve kontrollieren. Sonntags, so berichtete der ehemalige Vorsitzende des Antimafia-Kommission im italienischen Parlament, macht die Mafia in vielen Stadien glänzende Geschäfte mit dem Verkauf von Drogen. Die Vereine geben sich machtlos. In letzter Zeit gibt es immer häufiger Berichte von Infiltrationen in Norditalien. Doch die Öffentlichkeit und der Fußballverband ignorieren das Problem weitgehend. In einer zweiten Auflage seines Buches will Daniele Poto die systematische Ausbreitung der Mafia in den norditalienischen Fußball beschreiben. An Material wird es ihm dabei nicht fehlen.