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Von Goethe inspirierter, neuer Divan
Lyrischer Dialog zwischen Ost und West

Wo die politische Sprache Konfrontationen setzt, schafft die poetische Sprache Verständnis füreinander. Goethe wollte mit seinem „West-östlichen Divan“ Annäherung zwischen Orient und Okzident befördern. Junge Lyriker wandeln auf seinen Spuren.

Von Cornelia Jentzsch |
Buchcover: Hg.: Barbara Schwepcke, Bill Swainson: "Ein neuer Divan - Ein lyrischer Dialog zwischen Ost und West"
Hg.: Barbara Schwepcke, Bill Swainson: "Ein neuer Divan - Ein lyrischer Dialog zwischen Ost und West" (imago stock&people / Suhrkamp Verlag)
Über den "Neuen Divan" sprechen kann man eigentlich nur, liest man ihn von Goethes "West-östlichen Divan" aus. Und diesen wiederum kann man erst vollends in seiner Bedeutung erfassen, kennt man den "Diwan" des persischen Dichters Hafis, von dem sich Goethe inspirieren ließ und den er als seinen Zwilling bezeichnete. In diesen sich aufeinander beziehenden Büchern offenbart sich nahezu eine west-östliche Kultur- und Geistesgeschichte. Divan - das bedeutet auf Persisch Sammlung oder Versammlung. In diesem Jahr feiert Goethes "West-östlicher Divan" seinen zweihundertsten Geburtstag. Ungebrochen aktuell seit damals ist, dem politischen Dissens zwischen Orient und Okzident einen permanenten poetischen wie kulturellen Austausch entgegenzuhalten.

Hafis gehört, neben Rumi, Ferdousi oder Nezami, zu den großen persischen Dichtern, man nennt ihn auch eine "mystische Zunge" und "Dolmetsch der Geheimnisse". In seiner im 14. Jahrhundert entstandenen Poesie feierte er nach persischer Dichtersitte den Wein, der Weisheit, innere Einkehr und Nachsinnen über das Leben befördert, und die Liebe, die höchsten körperlichen Genuss, Schönheit und Verlangen gibt. Den über 60-jährigen Goethe faszinierte an dieser Dichtung die Präferenz des Diesseitigen gegenüber dem versprochenen Heil des Jenseitigen. Trinken, Liebe zu beiderlei Geschlechtern wie Dichten waren für Hafis der wahre Gottesdienst. Noch heute steht in iranischen Haushalten "mindestens eine Hafis-Ausgabe, aber keineswegs immer ein Koran", wie der Orientalist Stefan Weidner in seinem dem "Neuen Divan" beigegebenen Essay schreibt. Es gäbe, meint Weidner, kein besseres Heilmittel gegen den Fundamentalismus als den reinen Wein, den Hafis seinen Zeitgenossen eingeschenkt habe:
"Man muss Hafis lesen, wie Goethe ihn gelesen hat, um die islamische Welt in ihrem ganzen Potential wiederzufinden… Es ist der Islam eines inneren, gottsucherischen Religionsverständnisses jenseits der allzu häufig starr ausgelegten Scharia-Gesetzgebung. Es ist ein universalisierbarer Islam, der geschichtlich gewachsen ist und sich christliche, spätantike, zoroastrische, indische Motive einverleibt hat, sie als Teil des eigenen Erbes begreift."
Das veloziferische Zeitalter
Der Verleger Cotta hatte den 1812 verlegten "Diwan" von Hafis - in der frischen Übersetzung des Orientalisten Josef von Hammer-Purgstall - umgehend seinem Autor Goethe zugesandt. Der Weimarer Dichter entdeckte im "Diwan" eine Denk- und Welthaltung, die er seit der Französischen Revolution in der westlichen Zivilisation zunehmend vermisste. Goethe sah ein "veloziferisches" Zeitalter in seinem schnellem Wechsel von Technik, Moden, Werten und Trends heraufziehen und befürchtete einen Fortschritt, der die humanistischen Forderungen nach Gedächtnis und Erinnern beiseitewischt, die Sprache entleert und zum Geschwätz degradiert.
Als Gegengewicht dazu, als Stellungnahme und Selbstvergewisserung veröffentlichte Goethe 1819 seinen "West-östlichen Divan". Die Gedichte ergänzte er durch "Noten und Abhandlungen zum besseren Verständnis". Mit seinem vermittelnden Versuch war Goethe seiner Zeit weit voraus. Vehement lehnte er auch Voltaires aufklärerische "Mahomet"-Tragödie und dessen Sicht auf den Propheten als machtbesessenen religiösen Fanatiker ab. Dem Begriff "Weltliteratur", erstmals von Christoph Martin Wieland verwendet, gab Goethe die bis heute gültige Prägung einer übernationalen, kosmopolitischen und dem Geist des Humanismus verpflichteten Literatur.
Doch Goethes Begeisterung zeitigte nur mittelbare Früchte. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts sah sich die orientalische Poesie von der Philologie diskreditiert als "geschmacklos, primitiv-archaisch, maniriert und insgesamt als dem abendländischen Geschmack ungenießbar", wie Stefan Weidner schreibt. Rassenlehre und Kolonialismus taten ihre Wirkung. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts lagerten beim Cotta-Verlag unverkaufte Erstauflagen-Exemplare des "West-östlichen Divans".
Viel Lob gebührt dem britischen Verlagshaus Ginko Library, das im Jubiläumsjahr mit der Anthologie "A new Divan" eine zeitgenössische Fortführung des "West-östlichen Divans" initiierte. Der Suhrkamp Verlag editierte diese Anthologie fast zeitgleich auf Deutsch. In ihrem Vorwort zur deutschen Ausgabe schreiben die beiden Herausgeber Barbara Schwepcke und Bill Swainson:
"Seit den Perserkriegen der Griechen wurde der Orient als fremd, als eine Bedrohung für den Westen gesehen - eine Bedrohung, die gleichwohl eine zentrale Bedeutung für die Konstitution der westlichen Identität hatte. (…) Um diesen lyrischen Dialog im Anschluss an Goethe zu ermöglichen, beauftragten wir 24 Dichter, Gedichte als Antworten auf die Themen der 12 Bücher von Goethes ursprünglichem 'Divan' zu schreiben."
Den Lyrikern unterschiedlichster Sprachen zur Seite standen renommierte Nachdichter sowie vier erfahrene und kommentierende Interlinearübersetzer. Zudem enthält die Anthologie ausführliche Essays zu Geschichte, Aktualität und Übersetzungsproblematik des Divans, die den "Neuen Divan" in einen aktuellen Kontext stellen.
Zwei Ufer eines einzigen Flusses - Mind the Gap
Wie reagieren nun die Dichter der heutigen globalisierten Zeit auf die jeweils andere Kultur? Gelten Wein, Lebensphilosophie, Liebe, Schönheit und Dichtung noch immer als Referenzgrößen? Die poetische Vermessung der heutigen Welt im "Neuen Divan" ergibt einen nahezu identischen Befund: Weder haben sich Orient und Okzident angenähert, wie es Goethe so gern befördert hätte, noch widerstanden Westen wie Osten dem Veloziferischen.
Der 1930 in Syrien geborene Dichter Adonis, der als der ‚große alte Meister der Poesie, des Säkularismus und der freien Meinungsäußerung in der arabischen Welt‘ gilt, eröffnet den Dichterreigen mit einem "Brief an Goethe":
"Der Westen liegt hinter Dir, aber der Osten nicht vor mir.
Zwei Ufer eines einzigen Flusses,
der tiefer strömt als jeder Abgrund
und stärker trennt als Fels. (…)
Ist etwa der Westen der Anfang des Ostens,
ist etwa der Osten das Ende des Westens? (…)
Die Mythen sind verwundet, im Osten wie im Westen…"
Goethe gab im 6. Buch des "Divans", dem "Buch der Sprüche", seinen Lesern aufbauende, beratende Worte mit auf den Weg. Und er beschwor die "Herrlichkeit" des über das Mittelmeer zu uns gekommenen Orients. Nur wer Hafis kenne, wisse "was Calderon gesungen", wisse also um den Einfluss der orientalischen auf die westliche Literatur. Im "Neuen Divan" heißt es eher, mach keine Sprüche, schenke mir reinen Wein ein, sag mir die Wahrheit. An den Haltestellen des Orient-Expresses steht heute "Mind the Gap!" (Achte auf die Lücke), wie der 1953 in Marokko geborene und in verschiedenen europäischen Ländern lebende Gilles Ortlieb sein Gedicht betitelte.
"…Mind the gap, habe ich in dem Zug nach Piräus gelesen, zwischen den Waggons / und der Bahnsteigkante, zwischen dem Anderen und sich selbst, dem Osten und / dem Westen, den Griechen Homers oder Sapphos und denen, / die herumkrakeelen."
Die Globalisierung mit ihren politischen Verwerfungen torpediert die Suche nach Schönheit, Lebensweisheit und erotischer Liebe, eine Suche, die im aktuellen Kontext fast anachronistisch anmutet. Suleika, die große Liebende in Goethes "Divan", heißt im Gedicht des 1945 im Libanon geborenen Abbas Beydoun Marylin Monroe, die…
"… das Elend der Welt
und die Unvollkommenheit der Liebe in den Selbstmord trieb
Die über Millionen strahlte, die vom Theater in ihre Leben zurückkehrten
Über ihr mangelndes Gleichgewicht klagten und dass sie zu wertvoll wären
für diese unreife Frau"
Die Poeten, so konstatiert Beydoun, sind nur noch "Gefangene der Rechenzentren der Gegenwart". Suleikas leben heute in einem Flüchtlingsheim, mit dem Bild des toten Bruders an der Wand. Die Welt hat keinen Platz mehr für Spiritualität und einen Gott, der nicht Forderungen stellt, sondern verläßlich ist und tröstet.
Angesichts der Konfrontationen zwischen Nationalitäten und Religionen, derer man sich bedient gleich einer Ware oder eines Werkzeugs, beschreiben nicht wenige der poetischen Bestandsaufnahmen heute Einsamkeit, Ratlosigkeit und Ernüchterung. Hinter Goethes Suleika verbarg sich einst Marianne von Willemer, Ziehtochter und spätere Frau des Frankfurter Bankiers Johann Willemer, in die sich der ältere Dichter verliebte. Goethes "Buch Suleika" ist ein poetisches Zwiegespräch, verfasst von beiden Liebenden zu gleichen Anteilen, wie man heute weiß. Der 1964 in Österreich geborene Raoul Schrott lässt seine moderne Suleika nur noch einen Monolog sprechen:
"woher ich komme? ist wieder und wieder die frage
mir ist der weg kaum mehr recht bewusst
sie trifft auch meinen vater – mit derselben anklage
deretwegen er gehen musste um den verlust
von familie und land hier gutzumachen als taxifahrer
und mit zwei gläsern billigen weins sobald die schicht endet
er sieht sich nunmehr als bewahrer
unseres glaubens und hebt shiraz in den himmel als wäre es das paradies"
Die iranische Stadt Shiraz war der Geburtsort des Dichters Hafis. Der Vater sehnt sich nicht nur nach der Stadt, sondern nach einer auch für ihn fernen, untergegangenen Kultur.
Engelsfiguren und Dichterdads
Bezeichnenderweise geben gerade die Dichterinnen dem "Neuen Divan" andere Stimmen bei. Im "Buch der Parabeln" schreibt die 1973 in Brasilien geborene Angélica Freitas über das erwachende Selbstbewusstsein von Frauen, die ihre gesellschaftlichen Situation immer klarer einschätzen. Nicht nur Liebe und Anbetung, sondern Gleichberechtigung im Alltag ist diesen Frauen wichtig. In ihrem Gedicht "Der Pfau auf dem Dach" spielt Freitas auf eine Zeile Goethes an, in der er eine Pfauenfeder im Koran findet. Im Orient symbolisiert der Pfau den Engel Gabriel oder Dschebrail, der Mohammed den Koran überbrachte. Freitas schreibt:
"(…) findet eine von uns,
beglückt, eine Feder des Tiers.
Wird sie nach Hause tragen, legen
in ein heiliges Buch.
Jahre später wird man erinnern:
Der Vogel oben, sein offenes Rad,
das Schweigen von vierzig Frauen,
wie es ist, fast nichts zu wissen.
Von uns selbst,
von der Mechanik des Fliegens."
Das letzte Buch in seinem "West-östlichen Divan" widmete Goethe dem Paradies. Der 1940 im Irak geborene Fadhil Al-Azzawi und die 1984 in Deutschland geborene Nachdichterin Maren Kames beschreiben es in je einer eigenen Fassung. Al-Azzawi bezieht sich direkt auf Hafis, der das Paradies als auf Erden gegeben preist und den Menschen dafür die Augen öffnet. Ein zu Hafis' Zeit rebellierender Akt gegen die himmlischen Paradiesversprechungen des Islams. Al-Azzawi macht in klimagefährdeter Zeit daraus eine Wertschätzung unserer irdischen Natur :
"Wir haben weit sich hinziehende Wälder und grüne Weiden,
strömende Flüsse und hohe Berge, die wir besteigen (können), wenn die Sintflut kommt, und Meere übervoll mit Fischen und Ozeane, in denen sich Wale vergnügen.
Und Mädchen, mit von den schönsten, die Gott, der erhabene, geschaffen hat,
und auch die Schlange gibt es, die wir im Käfig bringen/bei uns tragen, damit sie
in den Zweigen des Baumes herumklettern kann.
Was wollen wir mehr?"
Maren Kames übersetzt nicht Al-Azzawis Gedicht, sondern sie antwortet aus Sicht einer modernen jungen europäischen Frau darauf. Sie zeigt kein Verständnis für die ausschließlich männlichen Engelsfiguren und für die "dichterdads":
"…wie sie sich
beschwipst und oder drohend
gegenseitig weise lehren
zum leben übern vorplatz kehren…"
und denen
"girls nur als erscheinung auf
fern schimmernden verführungssternen
selbstredend in besitz von voll intakten jungfernhäuten
und nur als beauties was bedeuten."
Die emanzipierte und zumeist urbane Generation kann mit dem Liebeswerben eines Madjnun, eines Liebesverrückten aus einer alten arabischen Legende, nicht mehr viel anfangen, für sie sind solche Typen nur noch Verrückte einer alten patriarchalen Ordnung.
"was red ich eva lang von meinem stern auf euch herunter,
gönnt euch noch einen letzten shot, ihr habt’s ja kompliziert genug,
ich spann solange meine flügel auf
und schweb von dannen, in ein land
fernab von pubs und prügelknaben,
nach mir die oft zitierte sintflut, ciao!"
"Du wirst Vergil nicht als Begleiter brauchen"
Wie Goethe damals schon befürchtete, entwertet die veloziferische Welt immer stärker die Sprache. Wo sie funktional und pragmatisch als Machtinstrument eigesetzt wird, wird sie radikal entpoetisiert. Eine solche eigentlich unvollständige Sprache kann eine allumfassende Kommunikation nicht mehr übernehmen. Etwas von unseren menschlichen Verständigungsmöglichkeiten bleibt auf der Strecke. Die 1955 in Italien geborene Antonella Anedda rettet die Sprache ins Schweigen:
"Wörter, das ist leicht zu begreifen,
kann ich, ohne euch zu verletzen, nicht äußern. (…)
Also, Wörter, seid gut, geht ins Schweigen."
Auch der 1955 in Jordanien geborene Amjad Nasser beschreibt diese erfahrene Ohnmacht der Worte und damit auch die von Dichtung und Kultur angesichts der Kriegsherde und Zerstörungen in den Ländern des Orients:
"…du wirst Vergil
nicht als Begleiter brauchen, auf einer Reise zwischen
Körperfetzen und Gewimmer, denn selbst ein Mann mit einem Holzbein oder
ein Kind mit einem Kanten Brot in der Hand, an der Hüfte eine Plastikpistole,
selbst diese beiden können dich durch
die neun Kreise der Hölle führen…"
Warum die Worte die Welt nicht mehr wie zu Hafis’ Zeiten poetisieren und erhellen können, warum Weisheit kaum noch ein erstrebenswertes Gut scheint und Wahrheit wie Dichtung inflationär geworden sind, darauf gibt der 1962 in Dresden geborene Durs Grünbein eine Antwort:
"Fake news sagt man: Keim für den Verdacht,
Dass da etwas, Wahrheit, nicht mehr stimmt. (…)
Hashtag Lüge. Das Gerücht regiert, infam.
Schwer missbrauchte Worte, die ein jeder kennt:
Freiheit, Glaube, Sicherheit – und keine Scham.
Lüge, Lüge, wiederholt wird festes Fundament
(Demagogen-Theorem). So geht das, so
Setzt ein Wort die halbe Welt in Brand: Islam.
Sprache, Täuschung, war von Anfang an
Alle lügen und die Dichter sowieso."
Hat sich die Welt tatsächlich radikal verändert seit Hafis' und Goethes Zeiten oder hat sich nicht auch die Art der Beschreibung ernüchternd verändert? Denn auch und gerade das ist die Moderne: das Erkennen von Zusammenhängen und Machtgefügen. Der 1944 in Palästina geborene Mourid Barghouti beschreibt moderne Tyrannen, die in ihrer Beiläufigkeit keine Welt- und Ländereroberer mehr, sondern alltäglich geworden sind. Einen Tyrannen erschaffen sei einfach, denn er gleiche dir und mir, wie er schreibt. Sie sind inhärente Beherrscher von Markt und Politik. Die Dichter entziffern die Angst der Tyrannen vor ihren Untergebenen, die jeder Tyrann wie Wasser Tasse für Tasse in seinem unermesslichen Durst trinke, die sich aber gleichermaßen wie Wasser auch sammeln und in dessen Fluten die Tyrannen schliesslich ertrinken werden. Der 1941 in Estland geborene Jaan Kaplinski spricht von einer Erlösung der Tyrannen von sich selbst.
"Gleitet der Kosmos ihm in den Wein"
Was bleibt über die Jahrhunderte, und das wäre das Fazit dieses "Neuen Divans", ist die Rolle der Dichtung. Der 1948 in Marokko geborene Mohammed Bennis spricht über die Zeiten hinweg zu Goethe - allein in der Kneipe der Fremden sitzend mit einem Glas Wein. Als säße der alte Dichter neben ihm, dichtet er ihm zu:
"Von West nach Ost kreist der Becher, meine Trunkenheit
singt ein Loblied auf das, was mich frei von Dummheit und Hass leben läßt. (…)
reinen Herzens werde ich nach einer Hymne auf jene Poeten streben,
welche zu Ehren des Landes sangen, das uns
die Mutter bleibt, die sie immer war."
Der Untertitel des "Neuen Divan" heißt nicht zuletzt auch deswegen "Ein lyrischer Dialog zwischen Ost und West". Wo die politische Sprache Konfrontationen setzt und Kriege heraufbeschwört, schafft die poetische Sprache Verständnis und lässt wissen, dass Ost und West nur Himmelsrichtungen sind, in denen Menschen zwar in unterschiedlicher Kulturen, aber mit gleicher Sehnsucht nach Genuss, Schönheit und vielleicht auch ein wenig Weisheit leben.
Die 1940 in Spanien geborene Clara Janès versinnbildlicht die universale Bedeutung von Dichtung,
"… in meine Hände kommt der Emaillebecher des Dichters.
Wie in Dschamschids Becher gleitet der Kosmos ihm in den Wein,
und die Sternbilder leuchten auf und ihr Tanz zeichnet Harmonie
zwischen Mensch und Stein und Tier und Pflanze"
"Noch" gelängen die Rosen von Schiras in ihr Gedicht, schreibt Janès in der allerersten Zeile. Doch das Wort "noch" zeigt eine virulente Gefährdung all dieser kulturellen und menschlichen Werte an, gefährdet sind…
"… Duft verströmend, die Rosen von Schiras (…),
deren Liebe Parfüm ist und jene Tafel des ersten Alphabets,
das noch immer die Würde des Menschen kundtut in Persepolis."
Barbara Schwepcke und Bill Swainson (Hrsg.): "Ein neuer Divan - Ein lyrischer Dialog zwischen Ost und West"
Suhrkamp Verlag, Berlin. 228 Seiten, 30 Euro.