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Von Goldwäschern und Brennstoffzellen

Jährlich bilden sich Hunderte Studenten-Teams weltweit, um im Rahmen des Wettbewerbs "iGEM" Maschinen aus biologischen Bauteilen zusammensetzen. Die besten unter diesen Gruppen durften ihre Arbeiten nun bei der iGEM-Weltmeisterschaft in Boston vorstellen. Gleich drei deutsche Teams schafften es unter die ersten sechs.

Von Thomas Reintjes |
    Bielefeld, Bielefeld ... , ruft das Publikum bei der iGEM-Preisverleihung am MIT. Als die Studenten am Montagmorgen den großen Hörsaal auf dem Campus in Boston betraten, hatten sie noch keine Ahnung, was sie erwarten würde. Mehr als 80 Teams nahmen an der Weltmeisterschaft teil. Zu den Finalisten gehörten neben den Deutschen Teams aus London, Paris und Guangdong in China. Am Ende hatten die Bielefelder es nicht nur unter die besten Teams geschafft, sondern gewannen sogar den zweiten Preis in der Altersgruppe über 23.

    Das Team hatte eine Art biologische Brennstoffzelle entwickelt, in der aus veränderten E.coli-Bakterien Strom erzeugt wird. Das Darmbakterium haben sich viele iGEM-Teams zunutze gemacht. Dem Team aus Heidelberg hat es sogar zum Hauptpreis in der Gruppe der jüngeren Studenten verholfen. Die Jungforscher hatten E.coli zur Rückgewinnung von Gold aus Elektroschrott eingesetzt. Nils Kurzawa:

    "Wir haben alte Computerteile in einem Salzsäure-Salpetersäure-Gemisch aufgelöst. Nachdem wir die Lösung neutralisiert hatten, haben wir sie mit Delftibactin behandelt. Dabei entstanden schwarze Nanoteilchen, die sich in reines Gold verwandelten, als wir sie schmolzen."

    Das war aber nur ein Teil der Arbeit des Heidelberger Teams. Am Ende hatten sie neue Ansätze entwickelt um Peptide massenweise herzustellen und beschrieben ihre Methode in Standardisierungs-Dokumenten. Auf dieser Grundlage können jetzt auch andere Forscher maßgeschneiderte Peptide am Fließband herstellen. Auch die dazu nötige Software entwickelten die Studenten. Schließlich wollten sie wissen, ob ihre Entwicklung tatsächlich für das Gold-Recycling eingesetzt werden kann, erklärt Nikos Ignatiadis.

    "Eine Simulation hat gezeigt, dass unsere Methode deutlich weniger kostet als das gewonnene Gold wert ist. Sie kostet etwa genauso viel wie chemische Methoden, ist aber um einiges umweltfreundlicher."
    Umweltaspekte standen auch beim Team von der TU München im Vordergrund - das dritte deutsche Team, das es unter die besten sechs geschafft hatte, die ihre Arbeit im großen Hörsaal allen Teilnehmern präsentieren durften.

    Das Team, so erklärt Rosario Ciccone, habe die synthetische Biologie genutzt, um eine Moospflanze so zu verändern, dass sie in Abwasser enthaltende Medikamentenrückstände zersetzt. Während das Moos wuchs, machte sich das Team schon Gedanken über die praktische Anwendung:

    "Für größtmögliche Flexibilität und den Einsatz in weniger entwickelten Ländern ohne fortgeschrittene Abwasserbehandlung haben wir ein Floß entwickelt. Auf diesem dreieckigen Gerät könnte das Moos auf einem Textilstoff wachsen und auf dem Wasser treiben. Das Floß ist extrem billig zu bauen und zu warten, also ideal für Entwicklungsländer."

    Die Münchner belegten den zweiten Platz in der Gruppe der jüngeren Studenten und wurden außerdem als bestes Umweltprojekt ausgezeichnet. Gäbe es ihn, hätten sie auch noch den Preis für das beste Outfit gewinnen müssen: Das ganze Team kam in Lederhosen und Dirndl auf die Bühne. Bei allem Spaß, den die ganze Veranstaltung ausstrahlte, vergaßen die Teams nicht, sich auch um die Sicherheit ihrer Forschung Gedanken zu machen. Was, wenn das im Labor veränderte Moos sich in der Natur verbreitet und Schaden anrichtet? Die Studenten bauten einen Notaus-Schalter ein:

    "Ausgelöst wird er durch den roten Anteil des Sonnenlichts. Das erlaubt das Drücken des Notaus-Schalters ohne jegliche menschliche Interaktion. Das Moos im Filter könnte nur unter einer blauen Folie gedeihen. Falls es den Filter verlässt, aktiviert das volle Sonnenlicht den Selbstmord-Mechanismus und tötet das Moos."

    Der iGEM-Wettbewerb vermittelt eine energiegeladene Aufbruchstimmung in der synthetischen Biologie. Nach den Präsentationen der Finalisten hat man das Gefühl: Das Zeitalter mechanischer Problemlösungen ist vorbei. Die Probleme der Zukunft werden von Bio-Ingenieuren gelöst.