Essenszeit. Der Uigure Adel Noori ist in seinem Element. Der gelernte Schlosser aus Xinjang hantiert mit Töpfen und Pfannen. Es gibt gebratene Lammspieße und Samsas - dicke, mit Gemüse gefüllte Teigtaschen. Uigurische Spezialitäten, ein Stück Nordchina im Südsee-Asyl.
Rückblick: Palau, vor zwei Monaten. Mitten in der Nacht landet eine US-Militärmaschine auf dem Flughafen der Südseeinsel. An Bord: sechs Häftlinge aus Guantanamo Bay, dem berüchtigten, amerikanischen Gefangenenlager in Kuba. Die Männer, in Handschellen und orangefarbenen Overalls, stammen aus Xinjang, der Unruheprovinz im Nordwesten Chinas. Langsam werden sie über das Rollfeld und ins Flughafengebäude geführt. Dort nimmt man ihnen ihre Fesseln ab. Palaus Präsident heißt sie in der Freiheit willkommen. Der acht Jahre lange Albtraum der Uiguren als Häftlinge in Guantanamo ist vorüber bei.
Von Guantanamo nach Palau: Von streng bewachten Einzelzellen in ein luftiges, geräumiges Sechs-Zimmer-Haus mit Klimaanlage, Telefon, Internet und Meeresblick. Adel Noori und sein früherer Zellennachbar Ahmad Tourson aber gehen, wie die anderen, nur selten aus. Über Guantanamo sprechen beide nur ungern, darüber wie die Haft ihr Leben verändert hat, überhaupt nicht. Wir Uiguren, sagt Ahmad, müssen erst wieder lernen, was es heißt, frei zu sein.
"In Guantanamo saßen wir in kleinen Käfigen, in denen wir uns kaum bewegen konnten. Wir hatten keine Ahnung, was mit anderen Häftlingen nur fünf oder zehn Meter weiter weg geschah. Die Zeit in Guantanamo war eines der dunkelsten Kapitel unseres Lebens."
Acht Jahre unschuldig in Guantanamo Bay. Die Uiguren sind in China eine verfolgte, muslimische Minderheit. 2001, nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center, gerieten sie in die Mühlen der Weltpolitik. Sie fordern die Unabhängigkeit ihrer uigurischen Heimatprovinz von Peking. Deshalb gelten sie im Reich der Mitte als Radikale.
"Unser Volk wird in China unterdrückt und gedemütigt. Deshalb sind wir von dort geflohen. Ich wollte einen sicheren Ort finden, an dem meine Familie und ich in Frieden leben können. Als ich durch Afghanistan kam, haben mich bewaffnete Männer gefangen genommen und den Amerikanern übergeben."
Die Männer mit Sonnenbrillen und geladenen Sturmgewehren waren Kopfgeldjäger. Das US-Militär zahlte damals hohe Prämien für Talibankämpfer. Ahmad wurde für 5000 US-Dollar verkauft. Er und seine fünf Weggefährten kamen als vermeintliche Terroristen nach Guantanamo. George Clarke, ihr Anwalt, brauchte sechs Jahre, um die Männer freizubekommen.
"Die Ermittlungen des US-Militärs und des Justizministeriums kamen schon im Jahr 2003 zum gleichen Ergebnis: Es liegt nichts gegen diese Männer vor. Sie sind keine Gefahr, sie sind keine Terroristen und schon gar keine Attentäter. Pfadfinder, die im Steinbruch auf Blechdosen schießen, haben eine bessere militärische Ausbildung, als diese Gruppe Männer."
Die Uiguren haben ein unmöbliertes Zimmer im ersten Stock ihres Hauses in einen muslimischen Gebetsraum verwandelt: Ihre Südsee-Moschee. Am Boden liegen keine Teppiche, sondern handgeflochtene Schilfmatten. Ein Willkommensgeschenk von Johnson Toribiong, Palaus Präsident. Ein robuster Mann mit Schnauzbart, festem Händedruck und noch festerem Glauben. Es sei seine Christenpflicht gewesen, die Uiguren in Palau aufzunehmen, sagt Toribiong, eine humanitäre Geste. Auch wenn sein Kabinett dagegen war. Der offizielle Grund: Die Männer aus China sind die einzigen Muslime in einem durch und durch christlichen Land.
"Das macht mir einiges Kopfzerbrechen, aber ich versuche alles, dass sich die Männer bei uns wohlfühlen. Denn ohne ihr Zutun sind die Uiguren zum hilflosen Spielball der USA und China geworden."
Barack Obama hat Präsident Toribiong persönlich gedankt, dass er die Uiguren in Palau aufgenommen hat - und hat die US-Entwicklungshilfe für den Inselstaat von jährlich 150 auf mehr als 200 Millionen Dollar erhöht. Das sind umgerechnet pro Kopf 10.000 Dollar für jeden der 20.000 Einwohner. Die chinesische Regierung aber war empört. Nach Ankunft der Uiguren wurden der Bau eines Hotels und die Erweiterung einer Ringstraße in Palau eingestellt - zwei Projekte, die mit Geldern aus Peking finanziert wurden. Palaus Innenministerin Sandra Pierantozzi glaubt nicht an einen Zufall.
"Es stimmt, dass uns die Chinesen gedroht haben. Aber China ist eine Weltmacht und es wäre unklug ein winziges Land wie Palau einzuschüchtern. Die Geschichte von David und Goliath kennt man auch in Peking. Ich glaube nicht, dass sich die Chinesen blamieren wollen. Aber wer weiß schon, was sie wollen."
Die Uiguren wissen, was sie wollen. In Palau werden sie von einem Übersetzer, einem Sozialarbeiter und einem Anwalt betreut - aber sie sind dort nur Gäste mit vorübergehendem Bleiberecht. Adel Noori und Ahmad Tourson sind dankbar, dass Palau sie aufgenommen hat, aber sie möchten auf eine größere Insel - nach Australien.
"Wir hatten Angst, hierher nach Palau zu kommen, denn der Einfluss Chinas ist sehr stark in dieser Region. Aber wir hatten keine Wahl. In Australien würden wir uns sicherer fühlen. Wir wollen nur in Frieden leben, weit weg von den Drohungen der chinesischen Regierung. Wir hoffen, dass wir ein solches Land finden werden."
Die sechs Uiguren in Palau wissen, dass sie ihre Familien nie wieder sehen werden. Nach China zurückzukehren ist unmöglich - sie gelten dort als Separatisten, als Hochverräter. In Australien gibt es eine uigurische Gemeinde, aber die Regierung in Canberra weigert sich, die sechs Männer aufzunehmen. China ist Australiens wichtigster Exportmarkt und Handelspartner. Der Asylantrag werde trotzdem geprüft, heißt es. Doch bis zu einem Ergebnis sind die Uiguren in Palau gestrandet. Mitten in der Südsee.
Rückblick: Palau, vor zwei Monaten. Mitten in der Nacht landet eine US-Militärmaschine auf dem Flughafen der Südseeinsel. An Bord: sechs Häftlinge aus Guantanamo Bay, dem berüchtigten, amerikanischen Gefangenenlager in Kuba. Die Männer, in Handschellen und orangefarbenen Overalls, stammen aus Xinjang, der Unruheprovinz im Nordwesten Chinas. Langsam werden sie über das Rollfeld und ins Flughafengebäude geführt. Dort nimmt man ihnen ihre Fesseln ab. Palaus Präsident heißt sie in der Freiheit willkommen. Der acht Jahre lange Albtraum der Uiguren als Häftlinge in Guantanamo ist vorüber bei.
Von Guantanamo nach Palau: Von streng bewachten Einzelzellen in ein luftiges, geräumiges Sechs-Zimmer-Haus mit Klimaanlage, Telefon, Internet und Meeresblick. Adel Noori und sein früherer Zellennachbar Ahmad Tourson aber gehen, wie die anderen, nur selten aus. Über Guantanamo sprechen beide nur ungern, darüber wie die Haft ihr Leben verändert hat, überhaupt nicht. Wir Uiguren, sagt Ahmad, müssen erst wieder lernen, was es heißt, frei zu sein.
"In Guantanamo saßen wir in kleinen Käfigen, in denen wir uns kaum bewegen konnten. Wir hatten keine Ahnung, was mit anderen Häftlingen nur fünf oder zehn Meter weiter weg geschah. Die Zeit in Guantanamo war eines der dunkelsten Kapitel unseres Lebens."
Acht Jahre unschuldig in Guantanamo Bay. Die Uiguren sind in China eine verfolgte, muslimische Minderheit. 2001, nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center, gerieten sie in die Mühlen der Weltpolitik. Sie fordern die Unabhängigkeit ihrer uigurischen Heimatprovinz von Peking. Deshalb gelten sie im Reich der Mitte als Radikale.
"Unser Volk wird in China unterdrückt und gedemütigt. Deshalb sind wir von dort geflohen. Ich wollte einen sicheren Ort finden, an dem meine Familie und ich in Frieden leben können. Als ich durch Afghanistan kam, haben mich bewaffnete Männer gefangen genommen und den Amerikanern übergeben."
Die Männer mit Sonnenbrillen und geladenen Sturmgewehren waren Kopfgeldjäger. Das US-Militär zahlte damals hohe Prämien für Talibankämpfer. Ahmad wurde für 5000 US-Dollar verkauft. Er und seine fünf Weggefährten kamen als vermeintliche Terroristen nach Guantanamo. George Clarke, ihr Anwalt, brauchte sechs Jahre, um die Männer freizubekommen.
"Die Ermittlungen des US-Militärs und des Justizministeriums kamen schon im Jahr 2003 zum gleichen Ergebnis: Es liegt nichts gegen diese Männer vor. Sie sind keine Gefahr, sie sind keine Terroristen und schon gar keine Attentäter. Pfadfinder, die im Steinbruch auf Blechdosen schießen, haben eine bessere militärische Ausbildung, als diese Gruppe Männer."
Die Uiguren haben ein unmöbliertes Zimmer im ersten Stock ihres Hauses in einen muslimischen Gebetsraum verwandelt: Ihre Südsee-Moschee. Am Boden liegen keine Teppiche, sondern handgeflochtene Schilfmatten. Ein Willkommensgeschenk von Johnson Toribiong, Palaus Präsident. Ein robuster Mann mit Schnauzbart, festem Händedruck und noch festerem Glauben. Es sei seine Christenpflicht gewesen, die Uiguren in Palau aufzunehmen, sagt Toribiong, eine humanitäre Geste. Auch wenn sein Kabinett dagegen war. Der offizielle Grund: Die Männer aus China sind die einzigen Muslime in einem durch und durch christlichen Land.
"Das macht mir einiges Kopfzerbrechen, aber ich versuche alles, dass sich die Männer bei uns wohlfühlen. Denn ohne ihr Zutun sind die Uiguren zum hilflosen Spielball der USA und China geworden."
Barack Obama hat Präsident Toribiong persönlich gedankt, dass er die Uiguren in Palau aufgenommen hat - und hat die US-Entwicklungshilfe für den Inselstaat von jährlich 150 auf mehr als 200 Millionen Dollar erhöht. Das sind umgerechnet pro Kopf 10.000 Dollar für jeden der 20.000 Einwohner. Die chinesische Regierung aber war empört. Nach Ankunft der Uiguren wurden der Bau eines Hotels und die Erweiterung einer Ringstraße in Palau eingestellt - zwei Projekte, die mit Geldern aus Peking finanziert wurden. Palaus Innenministerin Sandra Pierantozzi glaubt nicht an einen Zufall.
"Es stimmt, dass uns die Chinesen gedroht haben. Aber China ist eine Weltmacht und es wäre unklug ein winziges Land wie Palau einzuschüchtern. Die Geschichte von David und Goliath kennt man auch in Peking. Ich glaube nicht, dass sich die Chinesen blamieren wollen. Aber wer weiß schon, was sie wollen."
Die Uiguren wissen, was sie wollen. In Palau werden sie von einem Übersetzer, einem Sozialarbeiter und einem Anwalt betreut - aber sie sind dort nur Gäste mit vorübergehendem Bleiberecht. Adel Noori und Ahmad Tourson sind dankbar, dass Palau sie aufgenommen hat, aber sie möchten auf eine größere Insel - nach Australien.
"Wir hatten Angst, hierher nach Palau zu kommen, denn der Einfluss Chinas ist sehr stark in dieser Region. Aber wir hatten keine Wahl. In Australien würden wir uns sicherer fühlen. Wir wollen nur in Frieden leben, weit weg von den Drohungen der chinesischen Regierung. Wir hoffen, dass wir ein solches Land finden werden."
Die sechs Uiguren in Palau wissen, dass sie ihre Familien nie wieder sehen werden. Nach China zurückzukehren ist unmöglich - sie gelten dort als Separatisten, als Hochverräter. In Australien gibt es eine uigurische Gemeinde, aber die Regierung in Canberra weigert sich, die sechs Männer aufzunehmen. China ist Australiens wichtigster Exportmarkt und Handelspartner. Der Asylantrag werde trotzdem geprüft, heißt es. Doch bis zu einem Ergebnis sind die Uiguren in Palau gestrandet. Mitten in der Südsee.