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Von Jägern und Gejagten

Psychologie.- Nach dem vorläufigen Aus für die umstrittenen Körperscanner ist klar: In Deutschland und Europa wird das Sicherheitspersonal künftig mehr auf seine Erfahrung setzen müssen als auf technische Hilfsmittel. Der Sicherheitsexperte Ran Cohen hat ein Verfahren entwickelt, um verdächtiges Verhalten frühzeitig zu erkennen.

Von Ralf Krauter |
    Wie erkennt man verdächtiges Verhalten? Am Bahnhof oder Flughafen, im Einkaufszentrum oder Fußballstadion? Den israelischen Sicherheitsexperten Ran Cohen beschäftigt diese Frage seit 25 Jahren. Sein auf Gefahren- und Terrorabwehr spezialisiertes Beratungsinstitut "Search, Detect, React" hat ein Methode entwickelt, die Sicherheitsleute zu psychologischen Profilern macht - damit sie zuverlässig die Richtigen ins Visier nehmen.

    "Bei der Suche nach Verdächtigen, nach Terroristen oder Kriminellen spielt Erfahrung eine Schlüsselrolle. Geschulte Wachleute haben ein gutes Gespür dafür, wer sich merkwürdig benimmt. In unseren Schulungen für Polizei und Sicherheitskräfte schärfen wir den Blick für auffälliges Verhalten. Die Zeichen sind da. Und wir bringen den Leuten bei, sie zu erkennen."

    Wer Böses im Schilde führt, läuft oft unbewusst schneller oder langsamer als gewöhnlich, er verkrampft seine Hände und vermeidet Blickkontakt. Ran Cohen hat aus Erfahrungswerten wie diesen zwölf Schlüsselindikatoren für abnormales Verhalten entwickelt: Eine mentale Checkliste, die etwa Wachleuten an Videobildschirmen die Suche nach der Nadel im Heuhaufen erleichtert und sie zugleich motiviert, aufmerksam zu bleiben.

    Manche der Indikatoren sind universell gültig. Wer im August einen dicken Mantel trägt, fällt immer auf. Andere Merkmale sind zeit- und umgebungsabhängig. Der zögernde und wenig zielstrebige Gang, der in einem Museum völlig normal ist, wäre am Bahnhof ungewöhnlich. Genau wie Menschen, die ohne nach links und rechts zu schauen durch ein Einkaufszentrum hasten. Am Flughafen Amsterdam kam aber genau das immer wieder vor, in der Shopping Mall Schipol Plaza.

    "Nach unseren Analysen wissen wir, dass die Leute dort morgens um 7.12 Uhr oft rennen, weil sie nur zwei Minuten zum Umsteigen haben und auf einen anderen Bahnsteig müssen. Das an sich ungewöhnliche Verhalten, durch eine Shopping Mall zu laufen, ist dort also während der Rush-Hour normal. In anderen Situationen wäre es auffällig."

    Bewegung, Kleidung, Mimik und soziale Interaktion – geschulte Sicherheitskräfte haben all diese Kriterien im Kopf, um nach ungewöhnlichem Verhalten Ausschau zu halten. Bevor sie eine Person als verdächtig einstufen dürfen, müssen die Wachleute aber mindestens drei Auffälligkeiten entdeckt haben. Das sind die Spielregeln, um vorschnelle Urteile und die Diskriminierung von Minderheiten – etwa aufgrund ihrer Hautfarbe – zu verhindern, erklärt Ran Cohen.

    "Das erste Kreuz auf der Checkliste, bedeutet gar nichts. Es besagt nur, dass der Wachmann nun verpflichtet ist, nach weiteren Indizien Ausschau zu halten. Dazu könnte er der betreffenden Person folgen oder Überwachungskameras zur Hilfe nehmen. In 99 Prozent der Fälle findet sich kein weiteres Indiz für auffälliges Verhalten. Sollten aber noch zwei weitere Kreuze dazu kommen, dann hätten die Sicherheitskräfte das Recht und die Pflicht, den Betreffenden anzusprechen oder ihn nach seinem Ausweis zu fragen."

    Einem Bericht der niederländischen Militärpolizei zufolge zeigt das psychologische Aufmerksamkeitstraining fürs Sicherheitspersonal am Flughafen Amsterdam Wirkung. Die Zahl kleinerer Straftaten ging in den letzten Jahren zurück. Außerdem konnten wiederholt bewaffnete Täter dingfest gemacht werden, bevor sie jemandem Schaden zufügen konnten. Und all das betont Ran Cohen, ohne dass die Wachleute häufiger als früher Passanten ansprachen oder Ausweise kontrollierten. Die Checkliste im Hinterkopf helfe den Sicherheitsverantwortlichen einfach, schneller die Richtigen ins Visier zu nehmen.