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Von Mäusen und Menschen

Sie sind meist weiß, nur wenige Zentimeter groß und uns ähnlicher als manchem lieb ist: Labormäuse. Seit 100 Jahren dienen sie als Versuchstiere für die medizinische Forschung. Sie sind ein besonders gutes Tiermodell weil sie klein und anspruchslos sind. Nur in fünf Prozent der Genen unterscheiden sich Mäuse von Menschen. Das klingt beeindruckend, hebt sie aber nicht von anderen Tieren ab, betont Professor Rudi Balling, Geschäftsführer der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig

Von Jo Schilling | 13.11.2003
    Die Kuh ist dem Menschen genauso, oder das Pferd, genauso ähnlich, oder das Schwein, die haben jetzt ein paar Millionen Jahre an eigener Evolution, aber letztlich reflektiert das, dass mal auf der Erde Leben nur einmal entstanden ist und wir alle die selben Vorfahren haben.

    Also: kein Sonderstatus für die Maus, sie ist nur praktischer als ein Pferd im Labor.
    Die Mausforschung hat sich gewandelt. Ging es noch vor zwei Jahren darum die Gene der Nagetiere aufzuklären, haben Wissenschaftler inzwischen herausgefunden, dass sich die Gene von Mensch und Maus ähnlicher sein können, als von zwei Menschen untereinander. Nur in einigen hundert von etwa 30000 Genen unterscheiden sich die Spezies.
    Das macht Mut direkte Vergleiche zu ziehen und die Mausforscher sind sich sicher: Wir haben nicht nur die gleichen Organe und alle rotes Blut, sondern auch die Art wie wir mit Nährstoffen und Krankheitserregern im Körper umgehen ist fast identisch. Und wie wenig Krankheitserreger zwischen Tieren und Menschen unterscheiden, zeigen BSE und SARS. Die Konsequenz für die medizinische Forschung:

    Jetzt bewegen sich die Mausärzte in Richtung klinische Untersuchungsmethoden. Man kann eigentlich davon sprechen, dass an verschiedenen Stellen weltweit Mauskliniken entstehen, wo Untersuchungsmethoden so entwickelt und verkleinert werden, dass man auch an einer Maus mit einem Stethoskop den Herzschlag messen kann, dass man von außen den Blutdruck leicht messen kann, es gab jetzt vor ein paar Monaten den Nobelpreis für Kernresonanzspektroskopie und das hat man jetzt auch für Mäuse entwickelt, das heißt, wir können jetzt diese Methode die im Krankenhaus, diese Tunnelröhren um Krebs zu erkennen, auch auf Mäuse anwenden.

    Natürlich gibt es Unterschiede in den Reaktionen auf Medikamente und Therapien, aber die grundsätzlichen Wege in den Organismen sind gleich. Und Unterschiede zwischen Individuen zeigen sich auch in menschlichen Populationen deutlich.
    Japaner und Finnen und Amerikaner oder Deutsche reagieren zum Teil sehr unterschiedlich auf Medikamente, leider noch nicht berücksichtigt bei der Verschreibung von Medikamenten im wesentlichen, weil wir die Zusammenhänge noch nicht richtig verstehen. Auch das lernen wir im Moment in der Maus. Unterschiede zwischen den Individuen und zwischen den Spezies.

    Die letzten Argumente dafür, dass Mäuse wirklich als Menschenmodell geeignet sind, liefert ein aktuelles Forschungsprojekt aus Kalifornien und Paris. Mausforscher untersuchen, welche Gene für eine besondere Empfindlichkeit ihrer Mäuse gegenüber Infektionskrankheiten verantwortlich sind

    ... und dann findet der Kinderarzt, bei Kindern, die sehr empfindlich sind für Tuberkulose zum Beispiel genau die selben Gene betroffen. Hier wurde der Kreis geschlossen, von der Maus zum Mensch, wieder zurück, wieder neue Ideen aufbauen,... und man kann jetzt schon sehen, das geht in die neuen Strategien, hier kommt eine neue Welle in die Krankheitsbekämpfung hinzu.

    Mit dieser Sicherheit gehen internationale Forschergruppen inzwischen den Weg, systematisch Gen für Gen bei Mäusen abzuschalten und zu beobachten, was für Krankheiten diese Mäuse entwickeln. Mit dem Wissen gehen sie an die Kliniken und suchen dort nach den menschlichen Pendants.