Ende des 17. Jahrhunderts. Ein gewisser Isaac Newton macht, der Legende nach inspiriert durch einen fallenden Apfel, die Entdeckung seines Lebens: eine mathematische Formel für die Schwerkraft.
"Da nimmt er den Apfel und lässt ihn fallen. Das heißt, neutrale Materie wird in der Regel, so wie wir den Eindruck haben, immer nur durch die Schwerkraft beschleunigt",
sagt Uli Eichmann, Physiker am Max-Born-Institut in Berlin. Neutrale Materie: Das ist alles, was nicht elektrisch aufgeladen ist – also der überwiegende Teil von allem, was uns im Alltag umgibt. Neutral sind in der Regel auch die Atome, aus denen Materie besteht. Eigentlich sollten sie also nur Newtons Schwerkraft gehorchen. Aber: Trotz ihrer Neutralität sind Atome empfänglich für starke elektrische Felder. Denn Atome sind aus Bausteinen zusammengesetzt: einem Kern und einer Hülle.
"Der Kern besteht aus positiven Ladungen und die Hülle aus leichten, beweglichen Elektronen. Das ganze System neutralisiert sich."
Setzt man dieses System aber einem starken elektrischen Feld aus, können sich seine Ladungen ein wenig verschieben.
"Im Wesentlichen werden sich die leichten Elektronen zu der Seite hin geneigt fühlen, die positiver ist, als sie selber sind. Insofern ist das Atom zwar noch neutral, aber die Ladung wird ein wenig getrennt. Die dicken Protonen im Kern bleiben an ihrer Stelle sitzen, und die Elektronen verschieben sich ein bisschen Richtung positiver Anode."
Polarisation, so heißt der Effekt. Genutzt wird er zum Beispiel bei der sogenannten optischen Pinzette, bei der man per Laserstrahl kleinste Partikelchen regelrecht anfassen kann – Zellen, Pollen oder Staubkörner. Doch was kann man sonst noch mit diesem Effekt der Polarisation anstellen, und wie weit kann man ihn treiben? Genau das wollten Eichmann und seine Kollegen in ihrem Laserlabor in Berlin herausfinden. Betreten darf man es nur mit einer klobigen Schutzbrille auf der Nase.
"Das ist aus Laser-Sicherheitsgründen, dass man die Strahlung nicht aufs Auge bekommt. Das wäre fürs Auge sehr schädlich."
Eichmann zeigt auf ein Gebilde, das anmutet wie das Modell einer Weltraumstation.
"Es sieht aus wie eine Raumstation. Wir sehen, da wir schon lange damit arbeiten, immer nur die Schrauben, die nötig sind, um diese Apparatur zu verschrauben. Das ist sehr viel Arbeit!"
Im Inneren der Kammer herrscht ein Vakuum fast wie im Weltraum. Durch die Kammer fliegt ein Strahl aus neutralen Heliumatomen, ihn beschießen die Forscher von der Seite mit ultrakurzen, ultrastarken Laserblitzen. Das Entscheidende: Innerhalb der Laserblitze herrschen gewaltige elektrische Felder. Sie sind so groß, dass sie die meisten Heliumatome in Stücke reißen – die meisten, aber eben nicht alle.
"In unseren Messungen haben wir herausgefunden, dass selbst diese gigantischen Feldstärken nicht alle diese Teilchen zerstören, sondern in zehn Prozent der Fälle zu neutralen Teilchen führen."
Und diese neutral gebliebenen Heliumatome werden, so stellte Eichmann fest, extrem stark beschleunigt. Relativ gesehen ist die Beschleunigung rund 1000 Mal stärker als beim LHC, dem neuen Superbeschleuniger in Genf. Denn der Laser übt enorme Kräfte auf die Heliumatome aus.
"Diese Kräfte sind so stark, wenn man das mit der Autobeschleunigung sieht, von null auf 200 km/h – schaffen wir das in 40 Femtosekunden. Wenn Sie ein Auto beschleunigen, wären Sie in 40 Femtosekunden auf 200 Stundenkilometer!"
40 Femtosekunden, das sind 40 billiardstel Sekunden – ein unvorstellbar kurzer Wimpernschlag. Erklärbar sei die Turbobeschleunigung nur durch einen völlig neuen Mechanismus, meinen die Forscher. Sie glauben, dass eines der Elektronen des Heliumatoms während des Lasergewitters vom Helium entfernt und dann im Lichtfeld extrem beschleunigt wird. Ist der Laserblitz dann hinfort, tun sich Elektron und Heliumrest wieder zu einem neutralen Atom zusammen. Der eigentliche Angriffspunkt für die Beschleunigung ist demnach das Elektron, das den Heliumrumpf mit sich reißt wie ein wild gewordener Hund sein hilfloses Herrchen. Ein interessantes Phänomen zwar, aber als Grundlage für neuartige Teilchenbeschleuniger wohl kaum zu gebrauchen, denn:
"Wir haben zwar eine riesige Beschleunigung. Aber dadurch, dass die Zeiten so kurz sind, sind die Geschwindigkeiten relativ moderat. Die Beschleunigungen sind gigantisch, die Zeiten, die wir anwenden, sind ultrakurz, aber die Geschwindigkeit ist wieder im menschlichen Bereich. 200 km/h – das, was ein ICE typischerweise fährt."
Und Beschleuniger wie der LHC sollen ihre Teilchen ja fast auf Lichtgeschwindigkeit bringen, auf nahezu 300.000 Kilometer pro Sekunde. Aber vielleicht könnte der neue Effekt dennoch praktischen Nutzen haben – etwa für eine neue Generation von Mikroskopen, die nicht mit Licht funktionieren, sondern mit Strahlen aus neutralen Atomen.
"Da nimmt er den Apfel und lässt ihn fallen. Das heißt, neutrale Materie wird in der Regel, so wie wir den Eindruck haben, immer nur durch die Schwerkraft beschleunigt",
sagt Uli Eichmann, Physiker am Max-Born-Institut in Berlin. Neutrale Materie: Das ist alles, was nicht elektrisch aufgeladen ist – also der überwiegende Teil von allem, was uns im Alltag umgibt. Neutral sind in der Regel auch die Atome, aus denen Materie besteht. Eigentlich sollten sie also nur Newtons Schwerkraft gehorchen. Aber: Trotz ihrer Neutralität sind Atome empfänglich für starke elektrische Felder. Denn Atome sind aus Bausteinen zusammengesetzt: einem Kern und einer Hülle.
"Der Kern besteht aus positiven Ladungen und die Hülle aus leichten, beweglichen Elektronen. Das ganze System neutralisiert sich."
Setzt man dieses System aber einem starken elektrischen Feld aus, können sich seine Ladungen ein wenig verschieben.
"Im Wesentlichen werden sich die leichten Elektronen zu der Seite hin geneigt fühlen, die positiver ist, als sie selber sind. Insofern ist das Atom zwar noch neutral, aber die Ladung wird ein wenig getrennt. Die dicken Protonen im Kern bleiben an ihrer Stelle sitzen, und die Elektronen verschieben sich ein bisschen Richtung positiver Anode."
Polarisation, so heißt der Effekt. Genutzt wird er zum Beispiel bei der sogenannten optischen Pinzette, bei der man per Laserstrahl kleinste Partikelchen regelrecht anfassen kann – Zellen, Pollen oder Staubkörner. Doch was kann man sonst noch mit diesem Effekt der Polarisation anstellen, und wie weit kann man ihn treiben? Genau das wollten Eichmann und seine Kollegen in ihrem Laserlabor in Berlin herausfinden. Betreten darf man es nur mit einer klobigen Schutzbrille auf der Nase.
"Das ist aus Laser-Sicherheitsgründen, dass man die Strahlung nicht aufs Auge bekommt. Das wäre fürs Auge sehr schädlich."
Eichmann zeigt auf ein Gebilde, das anmutet wie das Modell einer Weltraumstation.
"Es sieht aus wie eine Raumstation. Wir sehen, da wir schon lange damit arbeiten, immer nur die Schrauben, die nötig sind, um diese Apparatur zu verschrauben. Das ist sehr viel Arbeit!"
Im Inneren der Kammer herrscht ein Vakuum fast wie im Weltraum. Durch die Kammer fliegt ein Strahl aus neutralen Heliumatomen, ihn beschießen die Forscher von der Seite mit ultrakurzen, ultrastarken Laserblitzen. Das Entscheidende: Innerhalb der Laserblitze herrschen gewaltige elektrische Felder. Sie sind so groß, dass sie die meisten Heliumatome in Stücke reißen – die meisten, aber eben nicht alle.
"In unseren Messungen haben wir herausgefunden, dass selbst diese gigantischen Feldstärken nicht alle diese Teilchen zerstören, sondern in zehn Prozent der Fälle zu neutralen Teilchen führen."
Und diese neutral gebliebenen Heliumatome werden, so stellte Eichmann fest, extrem stark beschleunigt. Relativ gesehen ist die Beschleunigung rund 1000 Mal stärker als beim LHC, dem neuen Superbeschleuniger in Genf. Denn der Laser übt enorme Kräfte auf die Heliumatome aus.
"Diese Kräfte sind so stark, wenn man das mit der Autobeschleunigung sieht, von null auf 200 km/h – schaffen wir das in 40 Femtosekunden. Wenn Sie ein Auto beschleunigen, wären Sie in 40 Femtosekunden auf 200 Stundenkilometer!"
40 Femtosekunden, das sind 40 billiardstel Sekunden – ein unvorstellbar kurzer Wimpernschlag. Erklärbar sei die Turbobeschleunigung nur durch einen völlig neuen Mechanismus, meinen die Forscher. Sie glauben, dass eines der Elektronen des Heliumatoms während des Lasergewitters vom Helium entfernt und dann im Lichtfeld extrem beschleunigt wird. Ist der Laserblitz dann hinfort, tun sich Elektron und Heliumrest wieder zu einem neutralen Atom zusammen. Der eigentliche Angriffspunkt für die Beschleunigung ist demnach das Elektron, das den Heliumrumpf mit sich reißt wie ein wild gewordener Hund sein hilfloses Herrchen. Ein interessantes Phänomen zwar, aber als Grundlage für neuartige Teilchenbeschleuniger wohl kaum zu gebrauchen, denn:
"Wir haben zwar eine riesige Beschleunigung. Aber dadurch, dass die Zeiten so kurz sind, sind die Geschwindigkeiten relativ moderat. Die Beschleunigungen sind gigantisch, die Zeiten, die wir anwenden, sind ultrakurz, aber die Geschwindigkeit ist wieder im menschlichen Bereich. 200 km/h – das, was ein ICE typischerweise fährt."
Und Beschleuniger wie der LHC sollen ihre Teilchen ja fast auf Lichtgeschwindigkeit bringen, auf nahezu 300.000 Kilometer pro Sekunde. Aber vielleicht könnte der neue Effekt dennoch praktischen Nutzen haben – etwa für eine neue Generation von Mikroskopen, die nicht mit Licht funktionieren, sondern mit Strahlen aus neutralen Atomen.