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Von "Panama" bis "Pandora"
So gefährlich können die "Papers"-Recherchen sein

Die "Pandora Papers" schreiben die Geschichte der "Panama Papers" fort. Recherchiert und ausgewertet haben diese Enthüllungen über Steueroasen Journalistinnen und Journalisten weltweit. Für manche bedeutet das auch, dass sie sich in ihren Heimatländern in große persönliche Gefahr bringen.

Text: Michael Borgers; Petra Blum im Gespräch mit Isabelle Klein |
Khadija Ismayilova liegt in einem Bett und tipp in ein Notebook
Khadija Ismayilova: Die aserbaidschanische Journalistin engagiert sich gegen Korruption und Missstände in ihrem Land (IMAGO / Pacific Press Agency)
Es geht um kriminelle Machenschaften, um fragwürdige Offshore-Geschäfte und wie Medien darüber berichten können: Die "Pandora Papers" sind nach den "Panama Papers", den "Paradise Papers" und den "Luxemburg Leaks" die nächste große internationale Recherche zu dem Thema. Hintergrund ist wieder ein Datenleck, vertrauliche Daten, die eine anonyme Quelle weitergegeben hat, fast zwölf Millionen vertrauliche Unterlagen, die dann mehr als 600 Journalistinnen und Journalisten aus 117 Ländern ausgewertet haben.
Skandal aufgedeckt – und nun?
Panama Papers, CumEx oder Football Leaks – Recherchen fördern teilweise Sensationelles zu Tage. Im Anschluss gibt es manchmal große Aufregung, aber oft verpufft ein aufgedeckter Skandal danach schnell wieder. Was können investigative Recherchen noch ausrichten?
Khadija Ismayilova war dieses Mal nicht dabei. Bei der Premiere, den "Panama Papers" 2016, war sie es noch. Ismayilova ist die wohl bekannteste Investigativjournalistin Aserbaidschans. Die gerade von Arte ausgestrahlte Dokumentation "Die Kaviar-Connection" zeigt, wie Ismayilova seit Jahren über ihre korrupte Regierung berichtet.
2017 wurde sie für ihre Arbeit mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Entgegennehmen konnte Ismayilova ihn aber nicht. Damals hatte sie gerade eine anderthalbjährige Haftstrafe hinter sich. Ihre Heimat durfte sie danach jahrelang nicht verlassen.
Das Sagen in Aserbaidschan hat seit 2003 Ilham Alijew - damals erbte er das Präsidentenamt von seinem Vater Gajdar Alijew.

Aliyev und Babis: Wie Politik mit kritischem Journalismus umgeht

Aliyew taucht in den "Pandora Papers" auf, wie schon 2016. Für rund eine halbe Milliarde Euro kauften seine Familie und Vertraute Immobilien in Großbritannien - ein Beispiel für den verborgenen Reichtum Alijews, dessen Verbindungen zur deutschen Politik als "Aserbaidschan-Connection" in diesem Jahr wieder für Schlagzeilen sorgten.
Steuerexperten fordern Verbot von Briefkastenfirmen
Nach der Veröffentlichung der "Pandora Papers" fordern Steuerexperten im Dlf ein Verbot von Briefkastengesellschaften. In den "Pandora Papers" enthüllten weltweit über 600 Journalisten die wahren Eigentümer von Briefkastenfirmen.
Insgesamt 330 in der Politik Tätige kommen im aktuellen Leak vor. Prominente Namen sind Jordaniens König Abdullah II., der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj - und Andrej Babis. Tschechiens Ministerpräsident erwarb 2009, damals noch als Unternehmer, über eine undurchsichtige Offshore-Konstruktion ein Anwesen in Südfrankreich.
Babis ist gebürtiger Slowake. Als 2018 Ján Kuciak und dessen Verlobte ermordet wurden, erklärte Babis, er verurteile jedwede Form von Gewalt gegen Journalisten. Kuciak hatte zu Verbindungen zwischen Regierungsmitgliedern und der Mafia berichtet, zuvor war er auch an den "Panama Papers" beteiligt gewesen. In Folge seiner Ermordung trat die slowakische Regierung zurück.
"Gefährlichstes Feld für Journalisten"
Die Maltesin Daphne Caruana Galizia, der Slowake Jan Kuciak – und nun der Grieche Giorgios Karaivaz. Wieder wurde mitten in Europa ein investigativ arbeitender Journalist ermordet. Die Fälle hätten einige Gemeinsamkeiten, so Reporter ohne Grenzen.
Babis ist in Tschechien umstritten, aber bis heute als Ministerpräsident an der Macht. Diesen Artikel habe "die Mafia beauftragt", kommentierte der Milliardär, dem in Tschechien ein Medienimperium gehört, die aktuellen Enthüllungen.
Als die ARD vergangene Woche von einer Pressekonferenz mit Babis und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban berichten wollte, durfte sie das nicht. Bestimmte Medien erhielten keinen Zutritt – eine Entscheidung, gegen die die ARD offiziell Protest einlegte. Benedikt Strunz ist Teil des auch an den aktuellen "Pandora Papers" beteiligten NDR-Teams. Auf Twitter deutet er einen Zusammenhang zwischen dieser Recherche und dem PK-Ausschluss an.

Investigativjournalistin Blum: Sorge um Kollegen in Russland

Es sei nicht die Frage, ob solche Leak-Recherchen Namen von Politikerinnen und Politikern zutage förderten, "sondern wie viele", betont Petra Blum. Die Journalistin ist Mitglied des Internationalen Konsortiums für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ), dem die "Pandora Papers" zugespielt wurden. Blum war auch schon bei den "Panama Papers" dabei.
Dass sich Medien und Journalisten in länderübergreifenden Konsortien wie dem ICIJ zusammenschließen, hat mehrere Gründe. Zum einen geht es darum, so aufwändige Recherchen überhaupt erst möglich und finanzierbar zu machen. Themen wie Geldwäsche, Korruption und Veruntreuung von Subventionen sind grenzüberschreitend. Außerdem sollen so auch die persönlichen Risiken für einzelne Beteiligte auf viele verteilt werden, mit dem Signal: Egal, was passiert, die Recherche geht weiter. Zum anderen geht es darum, die riesige Datenmengen, die damit verbunden sind, überhaupt auswerten zu können.
Persönlich sehe sie sich durch diese Arbeit nicht gefährdet, sagte sie nun im Deutschlandfunk. In Deutschland hätten diese Recherchen eine andere Dimension als etwa in einigen Ländern Lateinamerikas oder Asiens. Auch in Russland habe sich die Lage verschärft, stellt Blum fest. Seitdem es dort die Klassifizierung als "Ausländischer Agent" gebe, habe sich das persönliche Risiko für Kollegen erhöht, "weil es gefährlich ist, Investigativjournalist zu sein".
Die Ermordung von Daphne Caruana Galizia habe man "niemals für möglich gehalten", so Blum. Galizia war 2017 auf Malta ermordet worden, nur wenige Wochen vor Ján Kuciak. Auch sie hatte zu den "Panama Papers" beigetragen: Ihre Recherchen zeigten auf, wie maltesische Regierungsmitglieder an Offshore-Geschäften beteiligt waren. Der Prozess zur Aufarbeitung von Galizias Fall ergab unmittelbare Zusammenhänge zu ihrer Arbeit.

Ismayilova: Niemand soll mehr mundtot gemacht werden können

Wie sehr in manchen Ländern kritischer Journalismus im Visier der Mächtigen ist, zeigten zuletzt auch Enthüllungen über die Spähsoftware "Pegasus" – ebenfalls das Ergebnis einer internationalen Recherchezusammenarbeit. "Pegasus" ist der Name des Trojaners der israelischen Firma NSO Group. Mit ihrer Hilfe haben Staaten weltweit Oppositionelle und Journalistinnen ausgespäht, unter ihnen: Khadija Ismayilova aus Aserbaidschan.
In einem ihrer letzten eigenen Twitter-Posts im Juli äußert sich die 45-Jährige nach dieser Recherche kämpferisch. An andere Opfer gerichtet, schreibt Ismayilova: "Wen verklagen wir und in welcher Reihenfolge? (…) Machen wir es teuer für die Bösen."
In der Doku "Kaviar-Connection" spricht die Journalistin zum Schluss davon, sie habe noch immer Hoffnung. Sie gebe Fortbildungen für Journalisten und Anti-Korruptionsaktivistinnen, "damit immer mehr Mitstreiter investigativ arbeiten", so Ismayilova: "Niemand soll mehr drangsaliert oder mundtot gemacht werden können. Irgendwann wird es hoffentlich sinnlose Zeitverschwendung sein, Journalisten zum Schweigen zu bringen, weil wir dann zu viele sind."