Archiv


Von Qubits und Codeknackern

Digitalcodes knacken, Datenbankabfragen beschleunigen, irrwitzige Computersimulationen ermöglichen – das alles soll ein vollkommen neuer Rechnertypus schaffen: der Quantencomputer. Im Gegensatz zum gewöhnlichen PC rechnet er nicht mit Bits, also mit Nullen und Einsen, sondern basiert auf dem Quantenbit. Ein solches "Qubit" kann nicht nur Eins oder Null sein, sondern Eins und Null zugleich. Die Folge: Ein Quantencomputer kann parallel rechnen und alles gleichzeitig erledigen, statt wie ein PC die Befehle strikt nacheinander abarbeiten zu müssen.

Frank Grotelüschen |
    Theoretisch versprechen Quantenrechner Enormes. Wie aber lässt sich die Wundermaschine in der Praxis bauen? Physiker in aller Welt arbeiten fieberhaft an den unterschiedlichsten Strategien: Manche halten maßgeschneiderte Spezialmoleküle in ein starkes Magnetfeld und steuern sie mit Radiopulsen an. Andere sperren einzelne Atome in elektrische Käfige und beschießen sie mit Laserblitzen. Und wieder andere schließlich versuchen Elektronen in Scharen über mikroskopisch kleine Kegelbahnen zu jagen und dabei zum ultraschnellen Rechnen zu verleiten.

    Ich glaube, dass wir wirklich am Beginn sind einer Zeit, die ich damit überschreiben würde: Das ist Quantum Engineering. Was wir im 19. Jahrhundert mit Mechanical Engineering gemacht haben, also das ganz normale Ingenieurswesen, was wir im 20. Jahrhundert mit Electrical Engineering gemacht haben, also Elektroingenieure, das wird im 21. Jahrhundert das Anwenden der Quantenmechanik sein. Quantum Engineering wird eine neue Ära begründen.

    Universität Innsbruck, das Institut für Experimentalphysik. Im 4. Stock liegt das Besprechungszimmer. Es bietet einen grandiosen Ausblick auf die Tiroler Alpen. Doch Rainer Blatt und seine Leute haben jetzt anderes im Sinn. Es ist Montag Morgen, die Wochenbesprechung liegt an. Laborsprache ist Englisch, das Team ist international. Punkt für Punkt hakt Blatt das Organisatorische ab: Wer hält in dieser Woche den Seminarvortrag, wer kümmert sich um die Gastwissenschaftler, sind die Ersatzteile fürs Experiment bestellt?

    Einer stellt an der Tafel seine neuste Theorie vor. Die anderen glauben nicht so recht, was ihnen da vorgerechnet wird. Eine lebhafte Diskussion beginnt. Sie dreht sich um einen neuen, geradezu revolutionären Rechnertypus - den Quantencomputer. Seit zwei, drei Jahren eines der heißesten Themen der Physik. Immer mehr Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften. Immer mehr Forscher, die an den Grundlagen basteln für einen Computer, der so ganz anders funktioniert als ein PC von heute.

    Artur Ekert, Centre of Quantum Computation, Universität Cambridge:

    Wenn man sich auf die Ebene von Atomen begibt und es schafft, die Atome genau zu kontrollieren und anzusteuern, dann stößt man auf ganz neue Möglichkeiten - auf eine neue Art von Computer. Und dieser neue Rechnertypus ist extrem leistungsfähig.

    Stellen sie sich einen normalen Computer vor, einen PC, und Sie füttern ihn mit einer Zahl. Dann wird er mit dieser Zahl eine bestimmte Operation ausführen. Dann füttern sie den PC mit der nächsten Zahl, und er führt dieselbe Operation aus. Das machen Sie mit allen Zahlen, die Sie ausrechnen wollen. Sie brauchen also ebenso viele Berechnungen wie sie Zahlen haben. Ein Quantencomputer schafft das auf einen Schlag. Man programmiert ihn mit allen Zahlen auf einmal. Der Quantencomputer erkennt und berechnet sie alle gleichzeitig.

    Der PC arbeitet seriell, arbeitet alle Befehle strikt nacheinander ab. Ein Quantencomputer funktioniert parallel, erledigt alles gleichzeitig.

    Ein PC rechnet mit Bits, mit entweder/oder, mit schwarz oder weiß, mit Null oder Eins.

    Ein Quantencomputer rechnet mit dem Quantenbit, kurz Qubit. Ein Qubit kann nicht nur Eins oder Null sein, sondern Eins und Null zugleich, und kann sogar sämtliche Werte dazwischen annehmen. Also nicht entweder/oder, sondern sowohl/als auch. Nicht schwarz oder weiß, sondern schwarz und weiß.

    Ein Quantenbit kann gleichzeitig den Wert 0 und den Wert 1 haben. Es enthält zwei in einem. Das bedeutet: In einem PC lassen sich zwei Bits auf eine von insgesamt vier möglichen Kombinationen einstellen: Entweder 00 oder 10 oder 01 oder 11. Zwei Quantenbits hingegen speichern alle vier Möglichkeiten gleichzeitig! Drei Qubits enthalten dann schon acht Kombinationen, usw. usf.

    Bei vielen Bits wird der Unterschied eklatant: In zehn Bits kodiert der PC einen von 1024 möglichen Werten. Der Quantenrechner speichert in zehn Qubits alle 1024 Werte auf einmal. Dahinter steckt ein faszinierendes, spukhaftes Phänomen - Verschränkung genannt.

    Das ist ein sehr interessanter Zustand zweier Quantenteilchen, der sie stark miteinander verbindet - viel stärker, als es zwischen normalen Teilchen möglich ist. Sogar wenn diese Quantenteilchen weit voneinander entfernt sind, behalten sie ihre Verschränkung. Dieses Phänomen ist sehr wichtig für die Quanteninformation.

    Sind zwei Quantenteilchen verschränkt, so verbindet sie eine Art versteckter Kommunikationskanal. Er bewirkt, dass Teilchen A stets Bescheid weiß, was mit Teilchen B gerade los ist - selbst wenn beide Kilometer voneinander entfernt sind. Es ist in etwa so, als würden zwei Würfel immer dieselbe Augenzahl zeigen, selbst wenn man den einen in Garmisch, den anderen gleichzeitig auf Sylt wirft. Im Gegensatz dazu wissen die Bits in einem PC nichts voneinander. Sie beeinflussen sich nicht gegenseitig, jedenfalls nicht direkt. Ein Quantencomputer bedient sich also einer Information, die ein PC nicht zu nutzen vermag.

    Jonathan Friedman, Amherst College, US-Bundesstaat Massachusetts:

    Stellen Sie sich einen Elektriker vor, der im Keller eines Büros vor dem Sicherungskasten steht und herausfinden muss, welcher Schalter zu welcher Glühbirne gehört. Was tut er? Er drückt einen der Schalter, geht nach oben und schaut nach, welche Birne brennt. Das muss er für jede Birne machen, außer für die letzte. Er nutzt also bei jedem Gang nach oben nur eine Information - Licht an oder Licht aus. Ein gewitzter Elektriker macht das anders. Er schaltet immer zwei Birnen an, schaltet die eine aber nach einer Minute wieder aus. Dann geht er nach oben, sieht wieder eine Birne brennen und kann zusätzlich fühlen, welche von den anderen Birnen noch warm ist. Er nutzt also zwei Informationen gleichzeitig und muss nur halb so oft nach oben laufen wie sein Kollege. Ganz ähnlich funktioniert auch ein Quantencomputer. Er nutzt eine versteckte Information, die ein normaler Computer nicht kennt.

    Ein System mit 1000 Quantenbits enthielte mehr Information als es Atome im Universum gibt. Dagegen kann ein herkömmlicher 1000-Bit-Rechner auch nur 1000 Informationen verarbeiten. Das ist der enorme Vorteil des Quantencomputers.

    Noch aber gibt es so einen Quantenrechner nicht. Er ist deshalb so schwer zu bauen, weil Quanten von Natur aus extrem empfindlich sind. Man braucht sie buchstäblich nur schräg anzuschauen, schon geraten sie aus dem Takt und verlieren ihre Information.

    Wenn ich nachgucke, wie der Zustand des Quantencomputers in einem gegebenen Augenblick ist, dann bedeutet das einen Messeingriff.

    Reinhard Werner, Institut für mathematische Physik, TU Braunschweig.

    Und das ist eine Störung, die dann die Rechnung eigentlich schon wieder kaputt macht. Es ist wichtig, dass das Ganze in einem Block abläuft.

    Das heißt schnell und ungestört. Dem aber steht die Außenwelt entgegen: Im Mikrokosmos rauscht und wabert es. Atome und Moleküle werden auf Grund der Wärmebewegung ständig von ihren Artgenossen angerempelt. Selbst das Licht manifestiert sich als ein prasselnder Hagel aus winzigsten Partikeln, den Photonen.

    Der große Feind des Quantencomputers ist Rauschen von außen. Dekohärenz ist das allgemeine Schlagwort dafür. Störeinflüsse verschiedenster Herkunft. Kohärenzzeiten für Quantensysteme sind meistens sehr kurz. In den interessanten Realisierungen reden wir nicht von Stunden, sondern eher von Millisekunden. Also das muss sehr schnell gehen, so eine Quantenrechnung - einfach, weil man damit fertig sein muss, bevor diese Dekohärenz zugeschlagen hat.

    Im Prinzip müsste man einen Quantenrechner also perfekt von der Außenwelt isolieren. In der Praxis ist das nicht zu machen. Die ideale Abschirmung gibt es nicht. Der Quantencomputer ist Störungen von außen ausgesetzt, und diese Störungen führen zu Fehlern in den Rechnungen. Damit also ein Quantencomputer überhaupt funktioniert, müssen diese Fehler ausgebügelt werden, und zwar mit überaus trickreichen Verfahren, die die Experten als Fehlerkorrektur bezeichnen. Doch die Forschung dazu steckt in den Kinderschuhen, wie die Forschung zum Quantencomputer überhaupt. Noch basteln die Physiker an den Grundlagen - wie in Innsbruck, im Labor von Rainer Blatt.

    Montag Mittag, die Besprechung ist vorbei. Wir sind unten im Labor. Ein Raum groß wie ein Klassenzimmer, darin drei große Tische mit Lasern und Unmengen von Spiegeln, Linsen und Blenden. Überall stapeln sich Messgeräte und Digitalanzeigen. Über unseren Köpfen durchziehen Metallschienen den Raum, zwischen ihnen spannen sich unzählige Kabel wie ein Spinnennetz. Vor einem der Tische stehen - mit ratloser Mine - Mark Riebe und Jan Benhelm, beide Doktoranden von Rainer Blatt.

    Uns ist gerade beim Diodenlaser ein Element kaputtgegangen, ein Steuerelement. Und da müssen wir jetzt mal gucken, dass wir das ersetzen.

    Der Diodenlaser soll Kalzium ionisieren, also elektrisch aufladen. Die Kalziumionen dienen dann als Quantenbits in einer Apparatur, die man mit etwas gutem Willen als Prototypen eines Quantencomputers bezeichnen kann. Doch jetzt ist erst mal Basteln angesagt. Benheim und Riebe müssen das defekte Element austauschen. Nicht gerade eine dankbare Aufgabe.

    So ein Laser steht immer ganz am Anfang von so einer optischen Apparatur. Und das Dumme ist jetzt, dass ausgerechnet bei dem Laser was schief gegangen ist, sodass der Strahl nachher voraussichtlich nicht mehr so läuft wie er jetzt läuft.

    Das bedeutet: Nach der Reparatur müssen die Physiker alle Spiegel, Linsen und Blenden neu justieren. Ein Geduldsspiel.

    Eigentlich wollten wir heute Nachmittag schon was ausprobieren und waren schon ganz froh, dass das hoffentlich schnell vonstatten geht. Und jetzt sind wir halt ausgebremst worden.

    Und wie lange, frage ich, wird's dauern?

    Wenn's gut läuft nur den ganzen Nachmittag.

    Wenn man nun einen Quantencomputer hätte - was ließe sich damit anfangen?

    Ein Problem, das mit normalen Rechnern nur sehr schwer zu bewältigen ist, und zwar riesige Zahlen in ihre Faktoren zu zerlegen, wäre mit dem Quantencomputer sehr leicht zu lösen.

    Ein Quantencomputer, sagt Artur Ekert, könnte riesige Zahlen im Handumdrehen in ihre Primfaktoren zerlegen. Das entdeckte 1994 der US-Physiker Peter Shor. Eine Erkenntnis, höchst relevant für das Knacken digitaler Sicherheitscodes. Viele Verschlüsselungsmethoden basieren darauf, dass heutige Rechner Jahre brauchen, um große Zahlen zu zerlegen. Reinhard Werner:

    Das ist ein Problem zum Beispiel für verschlüsselte Akten. Geheimdienstdaten werden auf solche Art verschlüsselt abgelegt. Und die Aussicht, dass die vielleicht in Zeiträumen von 10 oder 20 Jahren alle lesbar sein könnten, weil jemand diese Schlüssel mit dem Quantencomputer knackt, hat doch für einige Aufregung gesorgt.

    Aufregung vor allem unter den Militärs. Sie wittern die Chance, per Quantenrechner die Geheimakten anderer Staaten oder von Terrornetzwerken zu knacken. Kein Wunder, dass die NSA, die Sicherheitsbehörde der USA, die Quantencomputer-Forschung großzügig unterstützt.

    Der alte Kampf zwischen den Verschlüsslern und den Entschlüsslern. Und der Quantencomputer würde die Balance wieder sehr stark zugunsten der Entschlüssler verschieben.

    Für den Zivilmenschen hätte das durchaus unliebsame Folgen. Schließlich basiert auch das Internet auf Verschlüsselungen, die ein Quantenrechner in Null Komma nichts knacken könnte. Das digitale Shopping mit der Kreditkartennummer geriete zum Risikogeschäft. Eine zweite Anwendung des Quantenrechners wäre die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Will heißen: die Fahndung nach einem bestimmten Eintrag in einer unsortierten Datenbank.

    Stellen Sie sich vor, Sie haben sich eine Telefonnummer notiert und wissen nicht mehr, wessen Nummer das ist. Dann hilft ihnen ein Telefonbuch nicht viel weiter, denn ein Telefonbuch ist ja nach Namen sortiert und nicht nach den Telefonnummern. Man müsste sich also einen Eintrag nach dem anderen ansehen, bis man die Nummer endlich findet und einem Namen zuordnen kann. ... Das ist eine unsortierte Datenbank ohne jede Struktur, bei der man, um das Gesuchte zu finden, jeden einzelnen Eintrag checken muss.

    Wenn man eine unsortierte Datenbank hat mit einer Million Einträgen, brauchen herkömmliche Rechner im Durchschnitt eine halbe Million Versuche, um einen Eintrag zu finden. Ein Quantencomputer könnte das mit 1000 Versuchen schaffen.

    Reinhard Werner aus Braunschweig hält wenig von dieser Vision.

    Die Idee einer Quantendatenbank ist komplett unsinnig. Es würde einen wahnsinnigen Aufwand bedeuten, eine klassische Datenbank erst mal in ein Quantensystem zu übertragen. In der Zeit hätte man längst die Nadel gesucht. Dann ist obendrein nach der ersten Benutzung die Datenbank hinfällig.

    Eine Internet-Suchmaschine auf Quantencomputer-Basis, eine Art Quanten-Google, wird es deshalb wohl nie geben, glaubt Werner. Er denkt daran, per Quantenrechner spezielle physikalische Probleme zu lösen.

    Eine mögliche Anwendung - und vielleicht auf lange Sicht die zentrale Anwendung - könnte sein, andere Quantensysteme zu studieren. Wenn ich magnetische Materialien bauen will: Der Magnetismus wird von den Elektronenspins erzeugt. Und das sind Quantensysteme, und die magnetischen Eigenschaften werden davon ganz entscheidend bestimmt. Wenn ich das studieren will, komme ich mit klassischen Rechnern immer wieder an eine Grenze. Aber ein Quantenrechner hätte diese Einschränkungen nicht.

    Der Quantencomputer also als Simulationsmaschine für Quantensysteme in Natur und Technik. Darauf setzt auch Artur Ekert aus Cambridge.

    Denkt man zum Beispiel an die Synthese eines neuartigen Materials aus vielen verschiedenen Molekülen, dann können das die Computer von heute nur unzulänglich simulieren. Quantencomputer hingegen versprechen, diese mikroskopischen Vorgänge in Echtzeit zu simulieren. Darin dürfte die erste wichtige Anwendung des Quantencomputers liegen. Er wird uns helfen, verschiedene Technologien und neue Materialien zu kreieren.

    Braucht man recht häufig, den guten alten Lötkolben.

    Montag Nachmittag im Innsbrucker Labor. Mark Riebe holt ein bewährtes Utensil aus der Ecke und macht sich an die Arbeit. Während er das neue Steuerelement anlötet, erklärt mir sein Kollege Hartmut Häffner, um was es in diesem Chaos aus Lasern, Spiegeln und Messgeräten eigentlich geht. Er führt mich zum Herzstück der Apparatur, einem Stahltopf mit kleinen Bullaugen. Er erinnert vage an das Modell einer Unterwasserstation.

    Es muss im Vakuum das Experiment gemacht werden. Weil die Quantenbits, die wollen nicht gestört werden. Und darin sitzt dann unsere Ionenfalle. Die wird mit elektrischen Spannungen versorgt, um die Ionen einzufangen.

    Das Ganze ist ein Käfig für Kalziumionen, in dem elektrische Felder einzelne Ionen in der Schwebe halten. Laser zielen auf die Ionen und können sie quasi programmieren. Das kann nur klappen, wenn die Ionen ultrakalt sind. Zur Kühlung, erzählt Häffner, nimmt man ebenfalls Laserstrahlen, die aus allen Richtungen auf die Ionen einwirken.

    Stellen Sie sich vor, Ihr Kind schaukelt. Und immer, wenn es auf Sie zuschwingt, schubsen Sie so ein bisschen dagegen. Und dann wird es innerhalb kurzer Zeit nicht mehr schaukeln. So ähnlich funktioniert das auch bei uns. Die Ionen schaukeln in der Ionenfalle hin und her, sie schwingen. Und immer, wenn sich das Ion auf das Laserlicht zu bewegt, wird eine Resonanzbedingung sagen wir dazu erfüllt, und das Ion wird dadurch langsamer.

    Langsamer und dadurch kälter. Auf die kalten Ionen schießen die Forscher einen weiteren Laserblitz. Dieser regt ein Elektron im Ion an, hebt es vereinfacht gesagt ein Stückchen auf der Energieleiter hoch.

    Das Elektron befindet sich am liebsten ganz unten in der Leiter. Der Laser kann jetzt das Elektron zu einer bestimmten Leitersprosse anheben. Und dieser angeregte Zustand ist jetzt so gewählt, dass Elektron relativ lange braucht, bevor ihm einfällt, dass es runterfallen könnte.

    Die untere Leitersprosse entspricht der digitalen O, die obere der 1 - nichts anderes als ein Bit also. Aber wir bewegen uns ja in der Welt der Quanten.

    Das Interessante ist, dass man es schaffen kann, das Elektron sowohl auf der unteren als auch auf der oberen Leitersprosse zu platzieren. Das befindet sich dann gleichzeitig quasi auf beiden Leitersprossen - zur Hälfte jeweils, oder auch zu einem Drittel unten und zu zwei Dritteln oben. Das ist also die Stärke der Quanteninformation, dass man nicht nur 0 und 1 hat. Sondern man hat dann auch so was wie ein bisschen 0 plus ein bisschen 1.

    Das schaffen Häffner und Co., indem sie den Laserstrahl nur ganz kurz auf das Ion richten. Dann steht das Elektron mit dem einen Bein noch auf der unteren, mit dem anderen Bein schon auf der oberen Sprosse. Nun ist die Ionenfalle keine Einzelzelle, sondern es passen zwei Ionen hinein, also zwei Qubits. Beide sind elektrisch geladen und beeinflussen sich - wodurch sie miteinander kommunizieren.

    Wenn ich an dem einen etwas wackele, wird auch nach kurzer Zeit das andere anfangen zu wackeln. Genau das ist das, was wir ausnutzen.

    Mit einer kurzen Abfolge von Laserpulsen programmieren die Forscher ihren primitiven Computer - eine Sache, die in ein paar Millisekunden über die Bühne geht. Das Rechenergebnis erfasst eine Digitalkamera - ein Hell-Dunkel-Muster, aus dem Rainer Blatt und seine Leute das Ergebnis herauslesen.

    Wenn ich eine Rechnung machen will, dann braucht man dazu genau zwei Operationen. D.h. jedes Rechenverfahren kann in einer Abfolge von genau diesen beiden Operationen heruntergebrochen werden.

    Seit einigen Monaten beherrschen Blatt und seine Leute diese beiden grundlegenden Rechenoperationen.

    Das haben wir mittlerweile bauen können. Das funktioniert im Labor und kann auch verwendet werden, um damit Quanteninformation miteinander zu verknüpfen. Das war eine Anstrengung, die einige Jahre gedauert hat - worüber wir sehr froh sind, dass das jetzt gelungen ist.

    Die Ionenfalle ist die vielleicht viel versprechendste Technik, um die Grundlagen des Quantencomputers zu erforschen. Aber:

    Ich bin ziemlich sicher, dass diese Ionenfallen-Technologie nicht die Technik sein wird, mit der wirklich große Quantencomputer der Zukunft gebaut werden.

    Es dürfte schwierig sein, die Ionen zu Hunderten oder Tausenden in eine Falle einsperren und ansteuern zu wollen. Zumindest für die Handhabung von einigen Dutzend Ionen gibt es Ideen: So könnte man einzelne Ionen von einem Speicher zum Rechnen zu einem Prozessor hin- und wieder zurück transportieren. Oder man vernetzt viele kleine Ionenfallen durch Lichtleitungen miteinander zu einer Art Quanteninternet.

    Es gibt noch andere Wege, die zum Ziel führen könnten - zu einem Quantencomputer, der Verschlüsselungscodes knackt und fantastische Simulationsrechnungen ermöglicht. Eine dieser Methoden ist die kernmagnetische Resonanz - ein Verfahren, auf dem auch der Kernspintomograph im Krankenhaus basiert.

    Matthias Steffen, MIT, US-Bundesstaat Massachusetts:

    Die Atomkerne in den Molekülen verhalten sich wie winzige Magneten: Wenn starke Magnetfelder eingeschaltet werden, richten sie sich in zwei Richtungen aus: nach oben oder nach unten - was einer 0 oder einer 1 entspricht. Bestrahlt man diese Magneten nun mit Radiofrequenzen, kann man aus einer 1 eine 0 machen und umgekehrt. Außerdem können wir zwei solcher Qubits zusammenbringen und so einen logischen Schalter bauen, bei dem zwei Atomkerne gewissermaßen miteinander sprechen.

    Steffen arbeitet mit einer Flüssigkeit, die zig Milliarden eines maßgeschneiderten Moleküls enthält - ein Quantencomputer im Reagenzglas. In jedem Molekül fungieren sieben Atomkerne als Quantenbits. Angesteuert werden sie mit Radiosignalen. Mit dieser Technik konnten Steffen und sein Team im letzten Jahr die erste Quantencomputer-Faktorisierung ausführen: Sie haben berechnet, dass sich die Zahl 15 in die Faktoren 5 und 3 zerlegen lässt. Ein kleiner Schritt für einen Grundschüler, ein großer für die Wissenschaftler - schließlich war es die erste Anwendung des Algorithmus von Peter Shor, mit dem sich eines Tages geheime Verschlüsselungscodes knacken lassen sollen. Doch zum Berechnen großer Zahlen wird das Reagenzglas-Verfahren wohl kaum taugen.

    Das Problem: Das Signal wird umso schwächer, je mehr Qubits man hat, also je größer der Computer ist.

    Andere Physiker träumen davon, einen Quantencomputer aus Halbleitern zu bauen - jenem Stoff also, aus dem die heutige Massenelektronik ist. Der Vorteil:

    Crispin Barnes, Cavendish Labor, Cambridge:

    In einem Halbleiter wäre es im Prinzip kein Problem, so viele Qubits herzustellen wie man will. Denn hier kann man sich den bewährten, hoch entwickelten Methoden der Halbleiterindustrie bedienen. Man könnte diese Qubits dann auch mit normaler Computertechnik verbinden: Bestimmte Rechenschritte würden vom Quantencomputer ausgeführt, der Rest von einem gewöhnlichen Prozessor, der auf dem selben Chip sitzt.

    Australische Forscher etwa versuchen, Phosphoratome so in einen Siliziumkristall einzubauen, dass sie als Qubits fungieren. Crispin Barnes verfolgt eine andere Idee.

    Wir verwenden Galliumarsenid. Dieser Halbleiter ist piezoelektrisch, d.h. er verbiegt sich ein wenig, wenn man eine elektrische Spannung an ihn anlegt. Wir setzen Galliumarsenid einer hochfrequenten Wechselspannung aus, sodass eine Schallwelle über die Kristalloberfläche läuft. Diese Welle reißt Elektronen mit sich. Wir haben feine Kanäle in die Oberfläche geritzt, und in jedem Kanal läuft ein Elektron, so wie die Kugel auf einer Kegelbahn. Jedes Elektron fungiert als ein Qubit und soll mit den benachbarten Elektronen kommunizieren. Das wäre dann die Quantenrechnung. Der Prozess soll sich eine Milliarde Mal pro Sekunde wiederholen, sodass wir pro Sekunde eine Milliarde Rechenschritte haben.

    Noch aber steht Barnes mit seinem Konzept ganz am Anfang - wie viele andere Forscherteams auch.

    Bei den Halbleitern gibt's zwar eine ganze Anzahl von Vorschlägen.

    Rolf Haug, Institut für Physik, Universität Hannover.

    Es gibt auch eine gewisse Anzahl von Gruppen auf der Welt, die sehr stark daran arbeiten. Aber man muss sagen, dass da noch nicht große Erfolge zu vermelden sind. Die könnten demnächst kommen.

    Zum Beispiel bei den Supraleitern. Das sind Festkörper, die bei extrem tiefen Temperaturen den elektrischen Strom verlustfrei leiten. Quantenbits aus Supraleitern sehen aus wie Ringe, unterbrochen von einem feinen Schlitz. Im Gegensatz zu den Halbleitern scheinen sie robuster zu sein gegenüber äußeren Störungen, müssen aber auf minus 270 Grad Celsius gekühlt werden.

    Dass man Qubits präpariert hat, hat man nachgewiesen. Allerdings manipuliert - da ist man dran, aber das hat man noch nicht geschafft.

    So weit wie bei den Ionenfallen ist man mit den Halbleitern und den Supraleitern also noch nicht. Auf lange Sicht aber, meint Rolf Haug, könnten sie sich doch durchsetzen.

    Wenn man vier, fünf, sechs, sieben Qubits hat, dann ist das zwar ganz nett. Aber da hat man noch keinen Vorteil gegenüber den heutigen Computern. Was man braucht, sind Hunderte, Tausende von Qubits. Dann wird man den großen Vorteil des Quantencomputers ausschöpfen können. Und deshalb besteht im Moment die Hoffnung, dass wenn man das Quantencomputing mit Festkörperbauelementen realisiert hat, z.B. mit Supraleitern, dass es dann eigentlich sehr einfach sein müsste, Hunderte, Tausende, Milliarden von solchen Qubits herzustellen.

    Dienstag Vormittag. Im Innsbrucker Labor hockt Mark Riebe im Dunkeln, späht durch ein Art Nachtsichtgerät und dreht am Spannungsregler. Zwar hat er gestern noch bis Mitternacht gearbeitet, der Laser aber will immer noch nicht so recht.

    Der Laser läuft ungefähr auf der richtigen Wellenlänge. Dessen Leistung versuche ich jetzt zu maximieren. Die Leistung wird mir hier angezeigt. Und jetzt werde ich anfangen, an den entsprechenden Schrauben zu drehen und zu sehen, dass das Signal maximal wird.

    Riebe dreht, und mit einem Ruck schlägt der Zeiger auf dem Messgerät aus.

    Jetzt haben wir schon das bestimmt 5fache an Leistung. Es wird immer besser. Und - es wird immer noch besser - weiter, weiter, weiter. Und jetzt sieht man, dass es wieder weniger wird. Also haben wir, was diese Schraube angeht, das Maximum schon mal erreicht. Und dann gehen wir eine Schraube weiter. Man sieht, dass da auch noch einiges herauszuholen ist.

    Und so geht es munter weiter. Aber was Riebe noch nicht weiß: Das Justieren wird noch bis Ende der Woche dauern. Erst danach ist die Ionenfalle wieder einsatzbereit. Es ist schon mühsam, das Forscherdasein.

    Na ja - manchmal bringt das Basteln schon Spaß. Manchmal ist es auch eine sehr frustrierende Erfahrung, wenn man feststellt, dass nichts auf Anhieb so richtig funktioniert. Aber es gehört irgendwie mit dazu. Es würde mir fehlen, wenn ich's nicht hätte.

    Der Weg zur Realisierung wird sehr kompliziert sein. Und mit Sicherheit braucht er noch mehrere technologische Schübe - ganz neue Ideen, die wir noch gar nicht kennen. Einen klaren Weg bis hin zum Quantencomputer kann im Augenblick keiner vorzeichnen.

    Die Forschung in Sachen Quantencomputer steht noch am Anfang. Die Experten wie Reinhard Werner wissen noch nicht, welcher Ansatz zum Erfolg führt - ob Ionenfallen, Supraleiter, Halbleiter oder vielleicht auch eine Kombination verschiedener Techniken.

    Vor in 10 Jahren denke ich brauchen wir nicht wirklich auf einen interessanten, größeren Quantenrechner zu warten. Ob es in 100 Jahren der Fall sein wird, ist unklar. Ich glaube nicht, dass wir in absehbarer Zeit so was wie Quanten-PCs hier auf dem Tisch haben werden. Das sind Spezialgeräte, die für besonders komplexe Aufgaben eingesetzt würden.

    Kein Rechner für jedermann also, sondern ein Gerät für Spezialisten. Aber wer weiß, meint Artur Ekert, wer weiß, was eines Tages daraus wird.

    Stellen Sie sich vor, Sie reisten zurück ins 19. Jahrhundert und interviewten Charles Babbage, der vielen als der erste Computerpionier gilt. Babbage arbeitete an einer mechanischen Rechenmaschine, einem primitiven Computer also. Hätten Sie ihn damals gefragt: Wozu ist diese Rechenmaschine gut, was kann man damit anfangen? Dann hätte Babbage gesagt: Nun, ich möchte damit die Werte in mathematischen Tabellen ausrechnen. Er dürfte also eine sehr enge Vorstellung von den Möglichkeiten des Computers gehabt haben. An so etwas wie Internet, Computerspiele oder Textverarbeitung hätte er in seinen wildesten Träumen nicht gedacht. Ich bin in derselben Situation wie Babbage, wenn Sie mich heute nach den Möglichkeiten eines Quantencomputers fragen. Ich kann ihnen ein paar Anwendungen nennen, an die wir Fachleute denken. Aber in meinen wildesten Träumen kann ich mir nicht ausmalen, was die Zukunft wirklich bringt. Wahrscheinlich wird sie fantastischer und bizarrer, als wir es uns heute auch nur träumen lassen können.