"Steh auf, du deutsches Volk! Hast viel schlimmes Leid hinter dich gebracht."
Sie besingen den Zweiten Weltkrieg, sie hetzen gegen andere Kulturen, und sie überfallen Ausländer in Deutschland. Sie marschieren offen auf der Straße und üben heimlich das Schießen mit Gewehren. Frauen sind in der braunen Szene längst angekommen. Oft spielt dabei der Reiz des Verbotenen eine Rolle, wie eine Aussteigerin erzählt:
"Schon ein bisschen Abenteuer einfach. Haben wir uns verabredet: Okay, nächste Woche ist da und da eine Demo, und dann sind wir dahin gefahren. Das war halt auch immer ein bisschen Nervenkitzel einfach. Weil man wusste, es gibt Gegenproteste, die Anfahrt wird vielleicht schwierig. Also das war alles so ein bisschen auch die Abenteuerlust, die da mitgespielt hat."
In ihrem Buch "Mädelsache. Frauen in der rechten Szene" beschreiben Andrea Röpke und Andreas Speit die Rolle rechter Aktivistinnen in verschiedenen Zusammenschlüssen: in der NPD, in den Freien Kameradschaften und in braunen Netzwerken. Die beiden Autoren analysieren, dass sich die einen Frauen vom völkischen Blut-und-Boden-Gedanken angezogen fühlen und die anderen vom Widerstand gegen soziale Ungerechtigkeit. In einer Flut von Fakten zeigt der Report auf, wie sich rechtsextreme Mädchen und Mütter vor allem auf lokaler Ebene engagieren - und auf dem Lande gar einen alternativen Anstrich geben.
Nationale Tagesmütter treten als Alternative zur Versorgung von Kleinkindern in staatlichen Krippen und Kindertagesstätten auf. Frauen und Mädchen legen Gemüsegärten zur Selbstversorgung an, sichern mit einem kleinen Viehbestand zusätzliches Auskommen. Spinnen, Weben, Töpfern oder Honigherstellen gehören zum weiblichen Handwerk.
Die Autoren Röpke und Speit schreiben seit Jahren über Interna des Neonazi-Milieus und haben bereits mehrere Bücher dazu publiziert. In ihrem aktuellen Report "Mädelsache" erklären die beiden Journalisten eine neue Strategie der Rechtsextremen. Der Plan heißt, unter dem Deckmantel von Sozial- und Ökothemen die Mehrheitsgesellschaft zu infiltrieren. Frauen passen dabei gut ins Konzept. Denn sie gelten als kommunikativer und friedlicher - sprich: als weniger radikal als rechtsextreme Männer.
Andrea Röpke und Andreas Speit warnen vor diesem weit verbreiteten Irrglauben. Die beiden Aufklärer urteilen allerdings nicht mit eigenen, eindringlichen Worten, sondern zitieren lediglich das Resümee der Nürnberger Frauenforscherin Renate Bitzan:
Rechtsextreme Frauen vertreten aber im selben Ausmaß und in selber Vehemenz wie die rechtsextremen Männer fremdenfeindliche und antisemitische Meinungen.
Viele braune Frauen scheuen die Öffentlichkeit, sie arbeiten lieber in der zweiten Reihe. Kein Wunder, dass die Buchautoren bei ihren Recherchen auf erheblichen Widerstand stießen. Sie mussten sich gar Beschimpfungen im NS-Jargon gefallen lassen.
Wer sich heute intensiv mit Neonazi-Strukturen befasst, muss mit Sätzen leben wie 'Kann die Bahn dieser Kreatur nicht mal eine Freifahrt nach Galizien spendieren? So wie die aussieht, hat sie eine dringende Entlausung nötig.
Der Widerstand gegen die Rechercheure hat seinen Grund. Die Journalisten enthüllen nämlich auch Szene-Konflikte, die durch die Zunahme rechter Mitstreiterinnen ausbrechen. So verweist das Buch auf einen Konflikt im NPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, einer mutmaßlichen "Männersekte". Hier soll bei der Kandidatenkür zur diesjährigen Landtagswahl einer Mitstreiterin ein vorderer Listenplatz verweigert worden sein - weil sie eine Frau ist.
Die Landesparteiführung dementiert. Aber die Autoren Röpke und Speit gehen davon aus, dass das braune Milieu grundsätzlich Probleme mit dem weiblichen Geschlecht hat. Laut dem Szene-Report nehmen viele Neonazis Frauen vor allem als Sexobjekt wahr - oder als Geburtsmaschine. Eine Berliner Aussteigerin, die von den Buchautoren interviewt wurde, berichtet von der Beweisnot "rechter Mädels":
Es gibt Frauen, die sind deutlich fanatischer und auch deutlich gewaltorientierter als manche Männer. Dadurch, dass man als Frau in diesen Kreisen immer drei und vier Mal so viel machen muss wie Männer, um akzeptiert zu werden, bedeutet das, dass die Frauen, die vorn mit dabei sind, auch wirklich sehr "effektiv" irgendwas gearbeitet haben müssen, um akzeptiert worden zu sein.
Das Buch über Neonazi-Frauen beschreibt auch skurrile Proteste gegen die Männerdominanz. So gründete sich 2004 der rechtsextreme "Mädelring Thüringen", um für den "Befreiungskampf" eine extra Frauenkameradschaft zu schmieden. Dafür suchte der Zusammenschluss "stolze und selbstbewusste Mädels und Frauen".
In Neonazi-Foren wurde die Mädelring-Parole "Deutsche Frauen wehrt euch - gegen das Patriarchat und politische Unmündigkeit" gestreut. Gespannte Erwartungen waren mit den widerspenstigen Auftritten des Mädelrings verbunden. Doch nachdem die thüringischen Mädel zeitweilig sogar über einen "nationalen Feminismus" nachsannen, zerfiel die Gruppe.
Leider erklären die Buchautoren nicht, warum dieser emanzipatorische Ansatz scheiterte. Nahe liegt, dass der Widerstand in den Reihen der Rechtsextremen zu groß war. Denn nicht nur Männer, sondern auch zahlreiche rechte Frauen wehren sich gegen eine konsequente Gleichberechtigung. Sie sehen ihre eigene Aufgabe vor allem im Gebären deutscher Kinder und in der Unterstützung ihrer "kämpfenden" Männer. So gibt ein hessischer Frauenkreis offenbar die Hauptmeinung der braunen Bewegung wieder:
Wir treten der Irrlehre der Emanzipation entgegen, die nicht die Unabhängigkeit der Frau, sondern die Zersetzung unseres Volkes bedeutet.
"Steh auf, du deutsches Volk!"
"Mädelsache. Frauen in der Neonazi-Szene" klärt über die kaum bekannte, durchaus zentrale Rolle von Frauen innerhalb der rechten Parallelgesellschaft auf. Allerdings ist das Buch nicht nur wegen seines Inhaltes schwere Kost. Sondern auch wegen seines Aufbaus und seiner Sprache. Denn anstatt Schwerpunkte zu setzen und Ereignisse zu bewerten, reihen die Autoren vor allem Fakten an Fakten, Details an Details. Das Werk ist so trocken geschrieben, dass es nicht als Einführung in das Thema "Frauen in der Neonazi-Szene" zu empfehlen ist - sondern eher als Nachschlagewerk.
Das ist schade. Denn die beiden Journalisten haben hartnäckig und mutig recherchiert - es aber nicht vermocht, ihre Erkenntnisse in eine ansprechende Form zu bringen. Dennoch werden besonders Aktivisten im Kampf gegen Rechts sowie Forscher, Politiker und Verfassungsschützer von der Faktenfülle des Buches profitieren.
Andrea Röpke und Andreas Speit: "Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene". Christoph Links Verlag, 200 Seiten, 16,90 Euro.
Sie besingen den Zweiten Weltkrieg, sie hetzen gegen andere Kulturen, und sie überfallen Ausländer in Deutschland. Sie marschieren offen auf der Straße und üben heimlich das Schießen mit Gewehren. Frauen sind in der braunen Szene längst angekommen. Oft spielt dabei der Reiz des Verbotenen eine Rolle, wie eine Aussteigerin erzählt:
"Schon ein bisschen Abenteuer einfach. Haben wir uns verabredet: Okay, nächste Woche ist da und da eine Demo, und dann sind wir dahin gefahren. Das war halt auch immer ein bisschen Nervenkitzel einfach. Weil man wusste, es gibt Gegenproteste, die Anfahrt wird vielleicht schwierig. Also das war alles so ein bisschen auch die Abenteuerlust, die da mitgespielt hat."
In ihrem Buch "Mädelsache. Frauen in der rechten Szene" beschreiben Andrea Röpke und Andreas Speit die Rolle rechter Aktivistinnen in verschiedenen Zusammenschlüssen: in der NPD, in den Freien Kameradschaften und in braunen Netzwerken. Die beiden Autoren analysieren, dass sich die einen Frauen vom völkischen Blut-und-Boden-Gedanken angezogen fühlen und die anderen vom Widerstand gegen soziale Ungerechtigkeit. In einer Flut von Fakten zeigt der Report auf, wie sich rechtsextreme Mädchen und Mütter vor allem auf lokaler Ebene engagieren - und auf dem Lande gar einen alternativen Anstrich geben.
Nationale Tagesmütter treten als Alternative zur Versorgung von Kleinkindern in staatlichen Krippen und Kindertagesstätten auf. Frauen und Mädchen legen Gemüsegärten zur Selbstversorgung an, sichern mit einem kleinen Viehbestand zusätzliches Auskommen. Spinnen, Weben, Töpfern oder Honigherstellen gehören zum weiblichen Handwerk.
Die Autoren Röpke und Speit schreiben seit Jahren über Interna des Neonazi-Milieus und haben bereits mehrere Bücher dazu publiziert. In ihrem aktuellen Report "Mädelsache" erklären die beiden Journalisten eine neue Strategie der Rechtsextremen. Der Plan heißt, unter dem Deckmantel von Sozial- und Ökothemen die Mehrheitsgesellschaft zu infiltrieren. Frauen passen dabei gut ins Konzept. Denn sie gelten als kommunikativer und friedlicher - sprich: als weniger radikal als rechtsextreme Männer.
Andrea Röpke und Andreas Speit warnen vor diesem weit verbreiteten Irrglauben. Die beiden Aufklärer urteilen allerdings nicht mit eigenen, eindringlichen Worten, sondern zitieren lediglich das Resümee der Nürnberger Frauenforscherin Renate Bitzan:
Rechtsextreme Frauen vertreten aber im selben Ausmaß und in selber Vehemenz wie die rechtsextremen Männer fremdenfeindliche und antisemitische Meinungen.
Viele braune Frauen scheuen die Öffentlichkeit, sie arbeiten lieber in der zweiten Reihe. Kein Wunder, dass die Buchautoren bei ihren Recherchen auf erheblichen Widerstand stießen. Sie mussten sich gar Beschimpfungen im NS-Jargon gefallen lassen.
Wer sich heute intensiv mit Neonazi-Strukturen befasst, muss mit Sätzen leben wie 'Kann die Bahn dieser Kreatur nicht mal eine Freifahrt nach Galizien spendieren? So wie die aussieht, hat sie eine dringende Entlausung nötig.
Der Widerstand gegen die Rechercheure hat seinen Grund. Die Journalisten enthüllen nämlich auch Szene-Konflikte, die durch die Zunahme rechter Mitstreiterinnen ausbrechen. So verweist das Buch auf einen Konflikt im NPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, einer mutmaßlichen "Männersekte". Hier soll bei der Kandidatenkür zur diesjährigen Landtagswahl einer Mitstreiterin ein vorderer Listenplatz verweigert worden sein - weil sie eine Frau ist.
Die Landesparteiführung dementiert. Aber die Autoren Röpke und Speit gehen davon aus, dass das braune Milieu grundsätzlich Probleme mit dem weiblichen Geschlecht hat. Laut dem Szene-Report nehmen viele Neonazis Frauen vor allem als Sexobjekt wahr - oder als Geburtsmaschine. Eine Berliner Aussteigerin, die von den Buchautoren interviewt wurde, berichtet von der Beweisnot "rechter Mädels":
Es gibt Frauen, die sind deutlich fanatischer und auch deutlich gewaltorientierter als manche Männer. Dadurch, dass man als Frau in diesen Kreisen immer drei und vier Mal so viel machen muss wie Männer, um akzeptiert zu werden, bedeutet das, dass die Frauen, die vorn mit dabei sind, auch wirklich sehr "effektiv" irgendwas gearbeitet haben müssen, um akzeptiert worden zu sein.
Das Buch über Neonazi-Frauen beschreibt auch skurrile Proteste gegen die Männerdominanz. So gründete sich 2004 der rechtsextreme "Mädelring Thüringen", um für den "Befreiungskampf" eine extra Frauenkameradschaft zu schmieden. Dafür suchte der Zusammenschluss "stolze und selbstbewusste Mädels und Frauen".
In Neonazi-Foren wurde die Mädelring-Parole "Deutsche Frauen wehrt euch - gegen das Patriarchat und politische Unmündigkeit" gestreut. Gespannte Erwartungen waren mit den widerspenstigen Auftritten des Mädelrings verbunden. Doch nachdem die thüringischen Mädel zeitweilig sogar über einen "nationalen Feminismus" nachsannen, zerfiel die Gruppe.
Leider erklären die Buchautoren nicht, warum dieser emanzipatorische Ansatz scheiterte. Nahe liegt, dass der Widerstand in den Reihen der Rechtsextremen zu groß war. Denn nicht nur Männer, sondern auch zahlreiche rechte Frauen wehren sich gegen eine konsequente Gleichberechtigung. Sie sehen ihre eigene Aufgabe vor allem im Gebären deutscher Kinder und in der Unterstützung ihrer "kämpfenden" Männer. So gibt ein hessischer Frauenkreis offenbar die Hauptmeinung der braunen Bewegung wieder:
Wir treten der Irrlehre der Emanzipation entgegen, die nicht die Unabhängigkeit der Frau, sondern die Zersetzung unseres Volkes bedeutet.
"Steh auf, du deutsches Volk!"
"Mädelsache. Frauen in der Neonazi-Szene" klärt über die kaum bekannte, durchaus zentrale Rolle von Frauen innerhalb der rechten Parallelgesellschaft auf. Allerdings ist das Buch nicht nur wegen seines Inhaltes schwere Kost. Sondern auch wegen seines Aufbaus und seiner Sprache. Denn anstatt Schwerpunkte zu setzen und Ereignisse zu bewerten, reihen die Autoren vor allem Fakten an Fakten, Details an Details. Das Werk ist so trocken geschrieben, dass es nicht als Einführung in das Thema "Frauen in der Neonazi-Szene" zu empfehlen ist - sondern eher als Nachschlagewerk.
Das ist schade. Denn die beiden Journalisten haben hartnäckig und mutig recherchiert - es aber nicht vermocht, ihre Erkenntnisse in eine ansprechende Form zu bringen. Dennoch werden besonders Aktivisten im Kampf gegen Rechts sowie Forscher, Politiker und Verfassungsschützer von der Faktenfülle des Buches profitieren.
Andrea Röpke und Andreas Speit: "Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene". Christoph Links Verlag, 200 Seiten, 16,90 Euro.