Michael Köhler: Die Archäologische Zone in Köln vor dem historischen Rathaus, sie würde nicht nur eine Nachkriegsbrache im Stadtkern der Domstadt schließen, sie würde kulturhistorisch einzigartige mittelalterliche Zeugnisse jüdischer Kultur aufnehmen. 52 Millionen Euro kostet der Spaß, seit 2008 gibt es eine bestehende prämierte Planung. Aber Schuldenlast, klamme Finanzen, eine veränderte Einschätzung in der Bürger-, in der Wutbürger-Gesellschaft verändern, verhindern gerade einiges. "Mut zu Verzicht! Für ein Moratorium aller Kölner Großprojekte" - so heißt eine Initiative seit letzter Woche. Ich habe Gerhart Baum, Kölner Bürger, Vorsitzender des Kulturrats Nordrhein-Westfalen, Bundesinnenminister a. D., gefragt: Es heißt, der Stadtrat solle prüfen, ob geplante Vorhaben wie die Archäologische Zone und das Jüdische Museum sowie andere Großvorhaben überhaupt noch benötigt werden. Was erleben wir da gerade, eine Art Kulturverhinderungswelle?
Gerhart Rudolf Baum: Also von Welle würde ich überhaupt nicht sprechen. Hier hat eine Gruppe, der vorgeworfen wurde, sie wäre zu einseitig - "Arsch Huh" heißt sie, sie hat sich also mit Fremdenfeindlichkeit vor allen Dingen befasst und sie hat sich die Aufgabe gestellt, andere Themen anzugehen. Und das ist die soziale Situation der Stadt, und da hat sie nach Ansatzpunkten gesucht, diese Initiative, und hat plötzlich diese Archäologische Zone beziehungsweise Jüdisches Museum ausgemacht. Das ist keine Welle, in der Stadt gibt es weithin auch Zustimmung zu dem Projekt. Allerdings ist offen, wie es aussehen soll, was das für ein Projekt sein soll.
Zum Beispiel wird diskutiert, ob man nicht auf diese Brache vor dem Rathaus, die klugerweise geschlossen werden soll, ob man da nicht das Stadtmuseum hin verlagert und im Stadtmuseum das realisiert, zusammen mit den Ausgrabungen, was jetzt in einer besonderen Planung angegangen worden ist. Also die Planung steht in der Diskussion, aber nicht das Projekt als solches. Das Geld ist ja übrigens auch noch gar nicht im Haushalt, kann also auch gar nicht eingespart werden. Durch die Versäumnisse der Stadt, muss man allerdings sagen, sind Mittel verloren gegangen. Es gab hier ein Festival der Regionale, da wären Mittel zur Verfügung gestanden, und auch EU-Mittel kommen nicht, so dass die Stadt und das Land und der Landschaftsverband sich jetzt die Baukosten in Zukunft teilen müssen. Also das Projekt ja, aber in welcher Form, das muss noch sehr sorgfältig diskutiert werden.
Köhler: Kritiker sagen, es gibt ein Haushaltsdefizit von 300 Millionen Euro, und man will gegen die Beschlüsse des gewählten Rates aufstehen. Da ist wörtlich von "Widerstand gegen die Mehrheitspolitik" die Rede, man fürchtet Streichungen im sozialen Bereich. Wird da nicht doch wieder die Sozialpolitik gegen die Kulturpolitik mobilisiert?
Baum: Ja, ja, das ist natürlich wirklich schlimm, dass das immer geschieht. Übrigens ist Kulturpolitik ja keine Mehrheitspolitik, nicht wahr. Die Initiatoren hätten sich andere Teile des Haushalts mal ansehen müssen; sie waren einfach zu bequem, sich den Haushalt mal genau anzugucken, welche Einsparpotenziale es da wirklich gibt. Sie haben ein Projekt, das man leicht beschreiben kann, herausgesucht, um sich dort abzuarbeiten. Das finde ich eigentlich nicht gut und es gibt auch Widerstand gegen diese Initiative. Die Kultur eignet sich nicht zum Steinbruch, zur Schließung von Haushaltslücken.
Köhler: Herr Baum, antisemitische Motive schließen Sie aus?
Baum: Antisemitische Motive sehe ich nicht. Allerdings sollte man bei einem solchen Projekt Rücksicht nehmen, dass sie nicht entstehen. Im Netz ist bei einzelnen Bürgern, die dem Widerstand zustimmen, festzustellen, dass antisemitische Ziele doch eine Rolle spielen, aber das trifft nicht die Initiatoren.
Köhler: Herr Baum, früher gingen die Menschen für den Bau von Museen und Erinnerungsorten auf die Straße, Politiker setzten sich für den Erhalt ein. Ich habe den Eindruck, heute wird mobil gemacht, um die Häuser eher zu schließen und zu fusionieren. Teilen Sie meine Beobachtungen?
Baum: Nein! Ich bin ja Vorsitzender des Kulturrats in Nordrhein-Westfalen, ich kann das so nicht sehen. Wir stehen vor einer Kürzung des Kulturetats im Landeshaushalt und da gibt es doch erheblichen Widerstand. Es sind in der Summe sehr geringe Kürzungen, aber sie sind außerverhältnismäßig, wenn man den gesamten Haushalt betrachtet, und da sind einzelne Projekte der freien Szene betroffen, aber auch der Institutionen, und da gibt es in der Bürgerschaft erheblichen Widerstand - so ist das nicht.
Köhler: Die Kritik und Diskussion um die Archäologische Zone in Köln und dem Bau eines Jüdischen Museums findet bis auf die erste Seite der "Süddeutschen Zeitung" heute. Der sorglose Umgang mit der eigenen Herkunft wird betitelt "Kostbare Kloake". Kulturhistorisch könnte man ja auch sagen: Stellen wir nicht gerade um von Bewahrungskultur, von Erinnerungskultur vielleicht auf Gedächtnisverlust und Vergessenskultur, wenn wir sagen, ach Gott, ist zu teuer, machen wir einen Deckel drauf und kippen die Bude wieder zu?
Baum: Ja, ja. Also ich meine, das ist eine aufsehenerregende Ausgrabung, die da gemacht worden ist, und die wird auf jeden Fall bewahrt werden, selbst wenn jemand auf die Idee kommen sollte, das zeitweise wieder zuzuschütten. Das kann man ja bei einer archäologischen Grabung machen. Aber die Stadt wäre ganz schlecht beraten, wenn sie dieses Stück ihres Erbes nicht zum Anlass nehmen würde, wirklich ein Jüdisches Museum auch zu errichten, integriert ins Stadtmuseum oder nicht, und es gibt eine solide Mehrheit im Rat der Stadt Köln, an dem Projekt festzuhalten.
Köhler: ... , sagt Gerhart Baum, Vorsitzender des Kulturrats Nordrhein-Westfalen, über Kritik an baulichen Großprojekten und zum Protest gegen die Archäologische Zone und den Bau eines Jüdischen Museums in Köln.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Gerhart Rudolf Baum: Also von Welle würde ich überhaupt nicht sprechen. Hier hat eine Gruppe, der vorgeworfen wurde, sie wäre zu einseitig - "Arsch Huh" heißt sie, sie hat sich also mit Fremdenfeindlichkeit vor allen Dingen befasst und sie hat sich die Aufgabe gestellt, andere Themen anzugehen. Und das ist die soziale Situation der Stadt, und da hat sie nach Ansatzpunkten gesucht, diese Initiative, und hat plötzlich diese Archäologische Zone beziehungsweise Jüdisches Museum ausgemacht. Das ist keine Welle, in der Stadt gibt es weithin auch Zustimmung zu dem Projekt. Allerdings ist offen, wie es aussehen soll, was das für ein Projekt sein soll.
Zum Beispiel wird diskutiert, ob man nicht auf diese Brache vor dem Rathaus, die klugerweise geschlossen werden soll, ob man da nicht das Stadtmuseum hin verlagert und im Stadtmuseum das realisiert, zusammen mit den Ausgrabungen, was jetzt in einer besonderen Planung angegangen worden ist. Also die Planung steht in der Diskussion, aber nicht das Projekt als solches. Das Geld ist ja übrigens auch noch gar nicht im Haushalt, kann also auch gar nicht eingespart werden. Durch die Versäumnisse der Stadt, muss man allerdings sagen, sind Mittel verloren gegangen. Es gab hier ein Festival der Regionale, da wären Mittel zur Verfügung gestanden, und auch EU-Mittel kommen nicht, so dass die Stadt und das Land und der Landschaftsverband sich jetzt die Baukosten in Zukunft teilen müssen. Also das Projekt ja, aber in welcher Form, das muss noch sehr sorgfältig diskutiert werden.
Köhler: Kritiker sagen, es gibt ein Haushaltsdefizit von 300 Millionen Euro, und man will gegen die Beschlüsse des gewählten Rates aufstehen. Da ist wörtlich von "Widerstand gegen die Mehrheitspolitik" die Rede, man fürchtet Streichungen im sozialen Bereich. Wird da nicht doch wieder die Sozialpolitik gegen die Kulturpolitik mobilisiert?
Baum: Ja, ja, das ist natürlich wirklich schlimm, dass das immer geschieht. Übrigens ist Kulturpolitik ja keine Mehrheitspolitik, nicht wahr. Die Initiatoren hätten sich andere Teile des Haushalts mal ansehen müssen; sie waren einfach zu bequem, sich den Haushalt mal genau anzugucken, welche Einsparpotenziale es da wirklich gibt. Sie haben ein Projekt, das man leicht beschreiben kann, herausgesucht, um sich dort abzuarbeiten. Das finde ich eigentlich nicht gut und es gibt auch Widerstand gegen diese Initiative. Die Kultur eignet sich nicht zum Steinbruch, zur Schließung von Haushaltslücken.
Köhler: Herr Baum, antisemitische Motive schließen Sie aus?
Baum: Antisemitische Motive sehe ich nicht. Allerdings sollte man bei einem solchen Projekt Rücksicht nehmen, dass sie nicht entstehen. Im Netz ist bei einzelnen Bürgern, die dem Widerstand zustimmen, festzustellen, dass antisemitische Ziele doch eine Rolle spielen, aber das trifft nicht die Initiatoren.
Köhler: Herr Baum, früher gingen die Menschen für den Bau von Museen und Erinnerungsorten auf die Straße, Politiker setzten sich für den Erhalt ein. Ich habe den Eindruck, heute wird mobil gemacht, um die Häuser eher zu schließen und zu fusionieren. Teilen Sie meine Beobachtungen?
Baum: Nein! Ich bin ja Vorsitzender des Kulturrats in Nordrhein-Westfalen, ich kann das so nicht sehen. Wir stehen vor einer Kürzung des Kulturetats im Landeshaushalt und da gibt es doch erheblichen Widerstand. Es sind in der Summe sehr geringe Kürzungen, aber sie sind außerverhältnismäßig, wenn man den gesamten Haushalt betrachtet, und da sind einzelne Projekte der freien Szene betroffen, aber auch der Institutionen, und da gibt es in der Bürgerschaft erheblichen Widerstand - so ist das nicht.
Köhler: Die Kritik und Diskussion um die Archäologische Zone in Köln und dem Bau eines Jüdischen Museums findet bis auf die erste Seite der "Süddeutschen Zeitung" heute. Der sorglose Umgang mit der eigenen Herkunft wird betitelt "Kostbare Kloake". Kulturhistorisch könnte man ja auch sagen: Stellen wir nicht gerade um von Bewahrungskultur, von Erinnerungskultur vielleicht auf Gedächtnisverlust und Vergessenskultur, wenn wir sagen, ach Gott, ist zu teuer, machen wir einen Deckel drauf und kippen die Bude wieder zu?
Baum: Ja, ja. Also ich meine, das ist eine aufsehenerregende Ausgrabung, die da gemacht worden ist, und die wird auf jeden Fall bewahrt werden, selbst wenn jemand auf die Idee kommen sollte, das zeitweise wieder zuzuschütten. Das kann man ja bei einer archäologischen Grabung machen. Aber die Stadt wäre ganz schlecht beraten, wenn sie dieses Stück ihres Erbes nicht zum Anlass nehmen würde, wirklich ein Jüdisches Museum auch zu errichten, integriert ins Stadtmuseum oder nicht, und es gibt eine solide Mehrheit im Rat der Stadt Köln, an dem Projekt festzuhalten.
Köhler: ... , sagt Gerhart Baum, Vorsitzender des Kulturrats Nordrhein-Westfalen, über Kritik an baulichen Großprojekten und zum Protest gegen die Archäologische Zone und den Bau eines Jüdischen Museums in Köln.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.