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Von Würde und Ehebruch

"Was treibt er?" flüstert ein schattenhafter Vorfahr dem anderen zu. "Er schreibt Geschichten in Bücher! Was für eine Beschäftigung mag das sein – welche Art, Gott zu dienen und den Mitlebenden nützlich zu sein? Da kann er auch fiedeln gehen, der entartete Bursche!"

Von Klaus Modick |
    Stimmen aus dem Jenseits, geisterhaftes Getuschel verstorbener Puritaner, deren Interesse für Bücher sich auf die Bibel und ihre Haushaltsbücher beschränkte. Die Empörung der Ahnen gilt einem aus der Art geschlagenen Sprößling: Nathaniel Hawthorne, geboren 1804 in Salem, Massachussetts, als Sohn einer verarmten Puritanerfamilie. 170 Jahre zuvor waren seine Vorfahren in der Neuen Welt angekommen, englische Aristokraten, beinharte Puritaner, die Geschäftstüchtigkeit mit ihrer Konfession verknüpften und auf der Suche nach Freiheit und religiöser Toleranz in finsterste Intoleranz verfielen.

    In den blutigen Hexenjagden Neuenglands entlarvte sich ihre Religiosität als fundamentalistischer Wahn, und ihre rigiden Moralvorstellungen begegneten jedem Anflug von Freizügigkeit und Nonkonformismus mit gesellschaftlicher Ächtung. Mit seinem berühmtesten Buch Der scharlachrote Buchstabe, erschienen 1850, machte Nathaniel Hawthorne seine Kritik am Puritanismus zu einem literarischen Ereignis ersten Ranges, indem der Roman von einer Ehebrecherin erzählt, die, obwohl öffentlich gebrandmarkt und aus dem sozialen Leben verstoßen, sich ihre Würde und ihren Eigensinn bewahrt und ihre Liebe trotz aller Repressalien nicht verrät.

    Aus dem Eingangskapitel des Scharlachroten Buchstaben stammt auch jenes Ahnengeflüster, unter dessen banausischer Entrüstung die Angst vibriert, dass die Beschäftigung mit Büchern den Mitlebenden tatsächlich nützlich sein könnte, so nützlich, dass sie schließlich mit den düsteren Traditionen der Vorfahren brechen. Und in der Tat las Nathaniel Hawthorne dem Puritanismus, von dem er sagte, ihn selbst im Leibe zu haben, immer drastischer die Leviten. Ein Jahr nach dem Scharlachroten Buchstaben, 1851 also, publizierte er den Roman Das Haus mit den sieben Giebeln, eine radikale Generalabrechnung mit den Schatten der Vergangenheit, in dem es unmißverständlich heißt:

    Dass der Puritaner, der einen Charakter oft mit erstaunlicher Treue bewahrt, als kühn, herrschsüchtig, unbarmherzig und verschlagen galt; als ein Mann, der seine verborgenen Absichten stetig und skrupellos verfolgte, auf den Schwachen herumtrampelte und nach Kräften versuchte, die Starken zu stürzen, wenn es für seine Zwecke nötig war.

    Ein inzwischen inflationär gewordener Begriff wie der von der literarischen Vergangenheitsbewältigung trifft für Das Haus mit den sieben Giebeln in geradezu idealtypischer Präzision. Denn dieser Roman ist mit all seinen moralischen und psychologischen Impulsen darauf aus, unter dem Gespinst aus Legenden und Lügen, mit denen Familien sich gesellschaftlich legitimieren und ganze Gesellschaften ihren Machtanspruch begründen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Welche Wahrheit? Dass nichts verhängnisvoller für die Zukunft ist, als die Sünden und Verbrechen der Vergangenheit ruhen zu lassen, weil jedes unbewältigte Trauma ein Ferment kommender Destruktion ist. Oder, mit Nathaniel Hawthornes Worten:

    Die Wahrheit, dass die Missetaten einer Generation in den auf sie folgenden fortbestehen, jeden kurzlebigen Vorteil ablegen und sich in reines, unbezähmbares Unheil verwandeln.

    Die eigentliche Handlung des Romans ist in Hawthornes Gegenwart angesiedelt, aber die Vorgeschichte greift über hundertfünfzig Jahre zurück, sozusagen in die Gründerzeit des neuenglischen Puritanismus. Während der Hexenverfolgungen von 1692 eignet sich der einflußreiche Puritaner Oberst Pyncheon das Grundstück eines Handwerkers namens Matthew Maule an, indem er ihn als Hexer denunziert. Unterm Galgen verflucht Maule den Oberst mit den Worten:

    Gott wird ihm Blut zu trinken geben.

    Pyncheon errichtet auf dem Grundstück der Maules sein Herrenhaus, das Haus mit den sieben Giebeln, aber bei der Einweihungsfeier kommt der Oberst an einem Blutsturz ums Leben, und der Brunnen im Garten ist seither für alle kommenden Generationen verseucht und verzaubert.

    Bebend und zitternd trieb das emporsprudelnde Wasser ein magisches Spiel mit den bunten Kieseln und ließ in stetigem Wechsel wunderliche Figuren erscheinen, die zu schnell vorüberhuschten, um kenntlich zu sein.

    Durch die Jahrzehnte bleibt die Feindschaft zwischen der Sippe des korrupten Aristokraten Pyncheon und der Familie des ehrbaren Maule bestehen, genau wie der Fluch, der die Pyncheons mit immer neuen Verbrechen belädt. Die Gegenwartsebene der Handlung spielt fast ausschließlich im verspukten Gemäuer des Herrenhauses, das von der verarmten alten Jungfer Hebzibah bewohnt wird, eine der letzten Nachkommen des Oberst Pyncheon. Hawthorne läßt keinen Zweifel daran, dass das Haus in seiner unheimlichen Verwunschenheit als Symbol für die Psyche seiner Bewohner verstanden werden darf:

    Das alte Haus unserer Geschichte mit seinen Balken aus Weißeiche, seinen Brettern, Schindeln, dem bröckelnden Putz und selbst dem mächtigen Kamingewirr in der Mitte, schien nur den geringsten, unbedeutendsten Teil seiner Wirklichkeit preiszugeben. So viel an menschenmöglicher Erfahrung hatte sich dort zugetragen – so viel war gelitten und etliches auch genossen worden -, dass es überall aus dem Gebälk troff wie aus einem Herzen. Das Haus war selbst wie ein großes Menschenherz, voller Eigenleben und reich an denkwürdigen und düsteren Erinnerungen.

    Eine der Mansarden unter den sieben Giebeln hat Hebzibah an einen gewissen Holgrave untervermietet, einen Daguerrotypisten, einen Lichtbildner also; Holgrave ist, wie sich herausstellt, wiederum ein Abkömmling der Familie Maule. Kurz hintereinander betreten drei weitere Personen die Bühne dieses Psychodramas um Schuld und Sühne, nämlich erstens Phoebe, entfernte Verwandte der Pyncheons, ein frisches, unverdorbenes, optimistisches Mädchen aus der Provinz; zweitens Clifford Pyncheon, der rechtmäßige Erbe des Anwesens; und drittens dessen Vetter Jaffrey Pyncheon.

    Es stellt sich heraus, dass dieser skrupellose Richter und Politiker versucht hat, Clifford um sein Erbe zu bringen, indem er ihn zu Unrecht beschuldigte, den Vorbesitzer von Haus und Vermögen ermordet zu haben. Das verbrecherische Muster, mit dem die Geschichte des Hauses begann, setzt sich also fort. Clifford wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und wird nun als alter Mann, körperlich gebrochen und geistig verwirrt, auf freien Fuß gesetzt. Sein Widersacher Jaffrey ist immer noch auf der Jagd nach einer verschollenen Besitzurkunde über ausgedehnte Ländereien, will sie Clifford abpressen, stirbt aber bei seinem Besuch im gleichen Zimmer auf demselben Stuhl wie sein Urahn, der Oberst Pyncheon. Der unheilvolle Kreis hat sich geschlossen, aber damit ist auch der Fluch gebrochen.

    Hätte Hawthorne der düsteren, bluttriefenden Geschichte nicht von vorne herein romantische, humoristische, manchmal sogar satirische Momente eingebaut, würde das nun folgende Happy End geradezu absurd versöhnlich wirken. Denn alles wendet sich zum Guten. Cliffords Unschuld wird erwiesen, die Besitzurkunde taucht auf, Holgrave und Phoebe, die Hoffnungsträger einer besseren Zukunft, werden ein Paar, und die ganze Gesellschaft verläßt das unheilschwangere Haus zugunsten des endlich legitimierten Landsitzes.

    Das Märchenhafte dieses Endes hat entscheidend dazu beigetragen, dass Das Haus mit den sieben Siegeln zu Hawthornes größtem Publikumserfolg wurde. Literarisch war sich der überaus stilsichere Autor natürlich bewußt, dass die Wendung ins Versöhnliche wider jede Wahrscheinlichkeit lief. Er bezeichnete den Text deshalb auch nicht als Roman, sondern als Romanze, und erläuterte in einem Vorwort, wieso er sich durch dies Verfahren vom üblichen Realismus suspendiert sehen konnte:

    Der Roman soll größte Treue nicht nur zu einem möglichen, sondern zum wahrscheinlichen, gewöhnlichen Verlauf menschlicher Erfahrungen anstreben. Die Romanze (...) begeht eine Todsünde, wenn sie die Wahrheit menschlicher Regungen verfehlt, darf aber diese Wahrheit weitgehend in einem Gewand vorführen, das der Autor ihr selbst wählt oder schafft. (...) Romantisch ist diese Erzählung insofern, als sie versucht, Vergangenes mit der Gegenwart, die uns entschlüpft, zu verknüpfen. Sie ist eine Legende, die aus grauer Vorzeit ins helle Licht unserer Tage herüberreicht und mit sich den sagenhaften Schleier bringt, den der Leser nach Belieben mißachten kann oder es duldet, dass er malerisch und fast unmerklich über den Figuren und dem Geschehen schwebt.

    Aus dieser poetologischen Prämisse nahm sich Hawthorne die Freiheit, Elemente des gesellschaftskritischen Realismus mit denen des Schauerromans zu mischen und humoristische, idyllische, märchenhafte und phantastische Motive einzuarbeiten. Es ist übrigens einer der Vorzüge der neuen Übersetzung Irma Wehrlis, diese unterschiedlichen Ton- und Stillagen des Romans geschmeidig ins Deutsche zu bringen, ohne die sprachliche Geschlossenheit der Konstruktion dabei zu vernachlässigen. Denn die Zutaten von Hawthornes ungewöhnlicher Mixtur wirken nie als Stilbruch, sondern stets als souverän genutzte Mittel.

    Zusammengehalten wird der Roman aber nicht nur durch den fast kriminalistischen Plot. Vielmehr korrespondiert der Einsatz unterschiedlicher erzählerischer Techniken mit Hawthornes Einsicht in die Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit der menschlichen Psyche. Das Leben, heißt es einmal, "besteht aus Marmor und Dreck", aus glänzender Fassade und abgründiger Niedertracht. Es besteht aus Schuld und Sühne, aber auch aus Unschuld und Glück.

    Wie Romanzen jederzeit zu Tragödien umschlagen und Tragödien zu Romanzen werden können, so kann auch der Fluch der Vergangenheit gebrochen werden. "Das Haus mit den sieben Giebeln" behandelt, wie mehr oder weniger alle Werke Hawthornes, den moralischen Zusammenbruch des aus dem Mutterland England importierten, aristokratischen Puritanismus, dessen Verfall zu finsterer, fundamentalistischer Glaubensdiktaktur.

    Im puritanischen Neuengland des 17. und 18. Jahrhunderts sah Hawthorne eine Art verspätetes Mittelalter, das mit der Moderne eines neuen, amerikanischen Selbstbewußtseins kollidierte. Hawthornes großes Thema ist der Übergang aus den Mythen dieses Mittelalters in die Aufklärung einer religiös, politisch, aber auch technisch befreiten, im wahrsten Sinne des Wortes Neuen Welt. Auch und gerade deshalb gilt Hawthorne als einer der Gründerväter der amerikanischen Literatur, die sich von englischen Traditionen emanzipiert hat. Im "Haus mit den sieben Giebeln" sind es die zupackende, unverdorbene Phoebe und der revolutionär gesinnte, vielfältig begabte Lichtbildner Holgrave, die für diese Neue Welt einstehen.

    In ihm war die Ahnung oder innere Verheißung (...), dass wir nicht dazu verdammt sind, uns ewig auf den mißlichen alten Wegen weiterzuschleppen, sondern dass ein goldenes Zeitalter sich ankündigt, dass noch im eigenen Leben zu gewinnen ist. Holgrave hielt (...) die Zeit mehr denn je für gekommen, da die modrige, moosige Vergangenheit geschleift, die toten Trümmer ausgeräumt und die Leichen begraben würden, damit alles neu beginnen konnte. (...) Gesittet und ungesittet, laienhaft wild spekulierend und zum Ausgleich doch auch praktisch veranlagt, großmütig zum Wohle der Menschheit eifernd und gleichzeitig unbekümmert um alle Errungenschaften vergangener Zeiten, gläubig und ungläubig – in allem, was er besaß und was ihm fehlte, mochte der Künstler durchaus für viele stehen, die in diesem Land lebten.

    Natürlich ist es kein Zufall, dass diese Inkarnation des amerikanischen Traums von Unbekümmertheit und Freiheit der Profession eines Lichtbildners nachgeht. Seine Daguerrotypien stellt Hawthorne absichtsvoll in krassen Gegensatz zu den düsteren Ölgemälden, die an allen Wänden im Haus mit den sieben Giebeln hängen. Einer besonderen Funktion kommt dabei das Porträt des Oberst Pyncheon zu, dessen Tat sozusagen die Erbsünde der Familie verkörpert. Denn dies Porträt zeigt nicht die Wahrheit seines verbrecherischen Charakters, sondern vermittelt jenen positiven Eindruck, den der Porträtierte ausstrahlen will und soll. Die Lichtbilder Holgraves aber sind unbestechlich. In ihnen bringt die Sonne an den Tag, was in der Malerei stilisiert und in Schönheit gefälscht werden kann.

    Die meisten meiner Porträts wirken unfreundlich, aus dem einfachen Grund, nehme ich an, weil die Originale es auch sind. Es ist erstaunlich, was am hellen Tageslicht alles zum Vorschein kommt. Wir trauen ihm bloß zu, dass es die reine Oberfläche wiedergibt, dabei enthüllt es den verborgenen Charakter mit einer Wahrhaftigkeit, zu der kein Maler den Mut hätte, selbst wenn er ihn entdecken würde. Meine bescheidene Kunst schmeichelt wenigstens nicht.

    Die Fotografie wird von Hawthorne also als künstlerisches Medium der Aufklärung verstanden. Es durchdringt die mythologischen Dunkelheiten und Legendenbildungen, macht Schluß mit künstlerischen Verzauberungen, unter denen die Vergangenheit ihr wahres Gesicht zu verbergen sucht. Dieser optimistische Fortschrittsglaube auch im Ästhetischen verbindet Hawthorne mit dem Transzendentalismus seiner Zeitgenossenschaft, mit der Überzeugung also, dass Spiritualität nicht in Religionen oder Konfessionen zu finden sei, sondern in den Naturkräften und in der menschlichen Vernunft. Deren Zusammenspiel erlaubt Hawthorne eine ganz ungeheure Zukunftsvision. Ausgesprochen wird sie im Roman von Clifford, dessen geistige Verwirrung visionäre Kräfte freisetzt. Er kritisiert die, im Wortsinn, Versteinerung menschlicher Verhältnisse:

    Was wir Grundstück nennen – das feste Stück Grund für den Hausbau – ist das Fundament, auf dem fast die ganze Schuld dieser Welt ruht. Ein Mensch ist zu nahezu jeder Schandtat bereit – einen riesigen Haufen Bosheit hart wie Granit wird er aufschaufeln, der ihm auf ewig entsprechend schwer auf der Seele lastet -, nur um ein großes, finstres Gemäuer mit dunklen Räumen zu erreichten, wo er sterben kann und seine Nachkommen unglücklich sind.

    Und gegen diese, vom Materiellen auf die Seele durchschlagende, Versteinerung setzt Clifford nun seine Vision von allumfassender Mobilität, die schließlich zu einem vergeistigten, global befreiten Zustand führen würde:

    Im Zeichen des Magnetismus wird "die Welt zu ätherisch und vergeistigt, um diese Ungeheuerlichkeiten noch viel länger zu dulden. (...) Dann die Elektrizität – der Dämon und Engel, die mächtige physikalische Kraft, der alles durchdringende Impuls! (...) Ist es Tatsache – oder nur ein Traum - , dass die Elektrizität die Materie in einen einzigen großen Nerv verwandelt, der Tausende von Meilen atemberaubend schnell durchzuckt? Nein, der ganze Erdball ist ein Kopf, ein Riesenhirn, Instinkt gepaart mit Intelligenz! Oder sollen wir sagen, er ist selber nur Idee, reine Idee, und nicht mehr die Substanz, für die wir ihn hielten!

    Trotz solcher positiven Utopien im Zeichen der Vernunft, in denen unsere Zeitgenossenschaft die Realität gewordene, globale Vernetzung erkennen mag, blieb Hawthorne gegenüber allzu rationalistischen Euphorien skeptisch. Sein Hang zur Romantik, der aus seinen Einlassungen zur Romanze deutlich wird, sperrte sich gegen die restlose Entzauberung der Welt. Der Lichtbildner Holgrave dilettiert auch als Dichter, und als er Phoebe im Garten des Hauses eine von ihm verfaßte Episode aus der Vergangenheit der Familien Pyncheon und Maule vorliest, verfällt Phoebe in einen Trancezustand. Es ist nicht jene hypnotische Kraft, mit der früher die Maules begabt waren und die sie auch mißbrauchten, sondern es ist die Zauberkraft des Poetischen, die Hawthorne als Korrektiv einer Aufklärung versteht, deren radikaler Wahrheitswille die Schönheit opfert.

    Zu schriftstellerischem, ein großes Publikum bezauberndem Erfolg kam Nathaniel Hawthorne erst spät. Nachdem 1828 sein früher, unter Pseudonym veröffentlichter Roman Fanshawe durchgefallen war, arbeitete er zwanzig Jahre lang als Zollinspektor in Boston. Zwar stand er in engem Kontakt zur literarischen und intellektuellen Szene, war eng mit Ralph Waldo Emerson und Herman Melville befreundet, doch gelang ihm erst mit dem "Scharlachroten Buchstaben" der Durchbruch. "Das Haus mit den sieben Giebeln" übertraf diesen Erfolg noch, machte Hawthorne zu einem wohlhabenden Mann und bis heute überaus einflußreichen Autor. Neben Washington Irving, James Fenimore Cooper, Herman Melville und Walt Whitman gilt Hawthorne heute als einer der Mitbegründer einer eigenständigen, amerikanischen Literatur, und sein Einfluß auf die amerikanische Gegenwartsliteratur kann kaum überschätzt werden.

    Seine subtile Psychologie in der Darstellung familiärer Verhältnisse, verknüpft mit Kritik an bigotten Moralvorstellungen, seine Einsicht, dass unbewältigte Konflikte als Traumata durch die Generationen irrlichtern, all das findet sich heute in unübersehbaren Spuren in den Werken vieler US-Autoren von John Updike über Philip Roth bis Jonathan Franzen. Kein Geringerer als Henry James hat Das Haus mit den sieben Giebeln als den Ursprung der amerikanischen Romantradition bezeichnet:

    Ich für mein Teil bin geneigt, das Buch, Gegenstand und Behandlung zusammengenommen (...), als die dichteste Annäherung, die wir wahrscheinlich besitzen, an das große Werk der Erzählliteratur zu bezeichnen, nach dem wir so oft verlangt haben und das uns als Nation zu großer Ehre und zu großem Nutzen gereicht.

    Nathaniel Hawthorne
    Das Haus mit den sieben Giebeln
    Manesse Verlag, 512 S., EUR 22,90