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Von Zooplankton und Krankheitserregern

Medizin. - Auf dem indischen Subkontinent kommt es immer noch zu Choleraepidemien. US-Biologen haben jetzt einen Zusammenhang mit Algenblüten im Golf von Bengalen herausgefunden. Dadurch lassen sich Satelliten, die die Algenblüten beobachten, zur Cholera-Frühwarnung einsetzen. Ob sich das System auch andernorts einsetzen lässt, wird erforscht.

Von Philipp Graf |
    Cholera-Bakterien beobachtet Rita Colwell für gewöhnlich aus dem Weltall. Die Mikrobiologin von der University of Maryland verwendet dazu Satellitenaufnahmen vom Golf von Bengalen. Sie eignen sich zum Aufspüren, da die Krankheit besonders in dieser Region mit verräterischen Vorboten einhergeht. Die Cholera-Erreger sind Teil des natürlichen Nahrungskreislaufs im Meer und leben im Darm winziger Krebschen, dem Zooplankton. Im Frühjahr und im Herbst kommt es vor der Küste Indiens zu Algenblüten, die in Satellitenbildern als Farbwolken sichtbar werden, sagt Colwell.
    "Sobald sich die Meeresoberfläche erwärmt, vermehrt sich das Phytoplankton und betreibt Photosynthese. Kurz darauf vermehrt sich das Zooplankton mit den Cholera-Erregern darin massiv, und wird durch Überflutungen in die Flussläufe gespült. Wenn man also Satellitendaten wie Wassertemperatur und Meeresspiegel mit der Dichte der Algenblüte vergleicht, lässt sich daraus ein Modell ableiten. Und damit können wir Cholera-Ausbrüche in Bangladesch vorhersagen."

    Die Menge an bakterienbeladenem Plankton erlaubt also Rückschlüsse darauf, wie häufig sich die Menschen im Ganges-Delta mit Cholera anstecken werden. Für ihre Analysen verwendeten die Wissenschaftler Kranken-Statistiken aus dem indischen Kalkutta und einer Region in Bangladesch. Es zeigte sich: Vier Wochen nach der Algenblüte in den Küstengewässern nehmen die Cholera-Fälle zu. Die Vorhersage-Kraft ihrer Berechnungen haben die Wissenschaftler an zurückliegenden Epidemien getestet. Ziel aber ist ein Cholera-Frühwarnsystem, damit sich die Menschen frühzeitig auf die Gefahr aus dem Wasser vorbereiten können. Colwell:
    "In einigen Ländern kann man rechtzeitig dazu aufrufen, Trinkwasser abzukochen. In Bangladesch ist das nötige Brennholz aber zu knapp. Dort haben wir eine sehr einfache und billige Filtertechnik eingeführt: Die Cholera-Rate sinkt um bis zu 50 Prozent, wenn die Menschen das krankmachende Plankton mit Sari-Stoffen aus dem Wasser herausfiltern."

    Die Modellberechnungen anhand der Satellitendaten verdeutlichen auch: je nach Ort fallen andere Klimafaktoren bei der Vorhersage ins Gewicht. So beeinflusst die Meerestemperatur die Zahl der Cholera-Fälle in Bangladesch deutlich stärker als im benachbarten Kalkutta. Die Forscher um Rita Colwell wollen nun ihr Vorhersage-Modell um bestimmte Umwelt-Faktoren erweitern und es dadurch zuverlässiger machen. Colwell:

    "Wir versuchen nun die Warnungen auszuweiten, um bis zu drei Monate vor einer Epidemie. Dazu nutzen wir Daten von Meeresströmungen, die sich vom Süden her in den Golf von Bengalen bewegen. Außerdem müssen wir unser Modell an andere Orte auf der Welt anpassen, wie zum Beispiel Ghana und Senegal in Afrika."

    Colwell zufolge ließe sich ein System mit detaillierteren Satellitendaten auch nutzen, um Algenblüten in Flüssen und Süßwasserseen zu erkennen. Die Cholera-Expertin Claire-Lise Chaignat von der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf dämpft allerdings die Erwartungen an solche Vorhersagemodelle:

    "Sie können ein zusätzliches Werkzeug sein, um Hochrisikogebiete aufzuspüren. Allerdings spielen bei Cholera-Epidemien noch viele andere Faktoren eine Rolle, kulturelle Aspekte zum Beispiel. Auch Migration muss berücksichtigt werden, um die Ausbreitung der Cholera zu verstehen."