"Die Demonstration am 5. Januar 1919 hatte einen Umfang angenommen, der alle Erwartungen übertraf. Ein Teil der Demonstranten zeigte eine sehr gereizte Stimmung und verlangte durch Reden und Rufe die sofortige Aufnahme des bewaffneten Kampfes gegen die Regierung."
Richard Müller, Vorsitzender der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte und führender Vertreter der revolutionären Industriearbeiter, erinnerte sich Jahre später an die aufgeheizte politische Stimmung in der Reichshauptstadt zu Beginn des Jahres 1919. Arbeiter demonstrierten gegen Arbeiter und gegen ihre eigene Regierung, sie forderten, den sozialdemokratisch geführten Rat der Volksbeauftragten zu vertreiben und die sozialistische Revolution weiter voranzutreiben. Der Sturz des deutschen Kaisers und die Ausrufung der Republik lagen da noch nicht einmal zwei Monate zurück.
"Arbeiter und Soldaten! Furchtbar waren die vier Kriegsjahre. Grauenhaft waren die Opfer, die das Volk an Gut und Blut hat bringen müssen. Der unglückselige Krieg ist zu Ende; das Morden ist vorbei."
Hatte der der SPD-Politiker Philipp Scheidemann am 9. November 1918 von einem Balkon des Reichstags den Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude zugerufen.
"Die Feinde des werktätigen Volkes, die wirklichen inneren Feinde, die Deutschlands Zusammenbruch verschuldet haben, sind still und unsichtbar geworden. Diese Volksfeinde sind hoffentlich für immer erledigt. Der Kaiser hat abgedankt; er und seine Freunde sind verschwunden. Über sie alle hat das Volk auf der ganzen Linie gesiegt! Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue; es lebe die deutsche Republik!"
Kurz darauf proklamierte Karl Liebknecht im Berliner Lustgarten vor dem Stadtschloss die freie sozialistische Republik. Liebknecht gehörte als Anführer des Spartakusbundes zum äußersten linken Flügel der Unabhängigen Sozialdemokraten und forderte eine Regierung der Arbeiter und Soldaten:
"Wir müssen eine neue staatliche Ordnung des Proletariats schaffen, eine Ordnung des Friedens, des Glücks und der Freiheit unserer deutschen Brüder und unserer Brüder in der ganzen Welt. Wir reichen ihnen die Hände und rufen sie zur Vollendung der Weltrevolution auf."
Aber die Weltrevolution war aber noch eine ferne Utopie, und das Volk hatte auch längst noch nicht "auf der ganzen Linie gesiegt", wie Philipp Scheidemann in der Stunde der Revolution euphorisch verkündet hatte.
Denn die Weimarer Republik stand von Beginn an auf einem schwachen Fundament. Die neue Regierung, der sogenannte Rat der Volksbeauftragten, hatte nur vage Vorstellungen für die Zeit nach dem Umsturz. SPD und USPD, Sozialdemokraten und Unabhängige Sozialisten, träumten von einer freien und gerechten Gesellschaft, aber sie hatten kein fertiges Programm in der Schublade.
Der Historiker und Journalist Joachim Käppner:
"Ich glaube, dass die Träger dieser neuen Regierung, die durch die Revolution an die Macht kamen, eine Koalition aus SPD und der linken USPD, so überrascht waren von dem, was da geschehen war, dass sie vollkommen überfordert waren. Sie standen unter erheblichem Druck der Alliierten, Waffenstillstandsbestimmungen zuzustimmen. Dieses 'Moment der Gelegenheit', das die Sozialdemokraten gehabt hätten, um diese ganze Bewegung hinter sich zu versammeln und eine große Wir-Erzählung daraus zu machen, das haben sie versäumt. Sie hatten Angst davor, sie wollten immer beschwichtigen, und sie haben vor allem fast alle Institutionen des alten Kaiserreichs belassen, einschließlich des Personals - was besonders beim Militär sehr verhängnisvolle Auswirkungen hatte und die Weimarer Republik dann massiv geschwächt hat."
Bekämpfung des Bolschewismus
Bereits am ersten Tag nach der Regierungsübernahme meldete sich Wilhelm Groener, der starke Mann in der Obersten Heeresleitung, bei Friedrich Ebert dem Vorsitzenden des Rats der Volksbeauftragten. In seinen Erinnerungen schrieb Groener später:
"Am Abend rief ich die Reichskanzlei an und teilte Ebert mit, dass das Heer sich seiner Regierung zur Verfügung stellt. Das Offizierskorps verlange von der Regierung die Bekämpfung des Bolschewismus und sei dafür zum Einsatz bereit."
Der Sozialdemokrat ging auf das Angebot des Generals ein, obwohl revolutionäre Truppen wie die Volksmarine-Division bereit waren, den Rat der Volksbeauftragten auch mit Waffen zu verteidigen und sich im Zentrum Berlins im Stadtschloss einquartiert hatten. Stattdessen entstand eine verhängnisvolle Abhängigkeit der Regierung vom Militär. Der Historiker Siegfried Heimann:
"Das Ebert-Groener-Bündnis, wie es dann bald genannt wurde, war in der Tat die Voraussetzung dafür, dass einerseits bewaffnete Soldaten, die von der Front zurückkehrten unter dem Befehl der alten Offiziere, eingesetzt werden sollten, um die inzwischen demokratische Republik, wie sie von der SPD, Mehrheitssozialdemokratie, ausgerufen worden war, zu schützen. Auf der anderen Seite waren das aber Soldaten und vor allen Dingen Offiziere, die weiterhin monarchistisch gesonnen waren und in keiner Weise, wie sich später herausstellte, daran dachten, die Republik zu schützen, sondern sie wollten versuchen, die alte Macht wiederherzustellen."
Was bedeutete, die Revolutionäre zu entwaffnen und Berlin von den "Spartakisten", wie es hieß, zu säubern.
"Spartakisten" war in der Novemberrevolution zum Synonym für radikale Sozialisten geworden. Dabei verhielten sich die aufständischen Arbeiter und Soldaten zunächst ausgesprochen friedlich, so die Historiker Joachim Käppner und Siegfried Heimann.
"Sie waren keine Kopfabschneider, keine wilden Bolschewisten, sie wollten keine Allee der Gehenkten in Berlin haben. Das, was sie wollten, war das Ende des Krieges und einen für sie selber nicht ganz klaren Weg zur Freiheit und vielleicht auch Sozialismus. Es war jedenfalls keine Revolution, die auf Blut und Gewalt setzte, wie es im Jahr vorher in Russland geschehen war, und es gab auch keine führende Kaderpartei, wie es dort die Bolschewisten unter Lenin waren. Es war eine im Kern vollkommen andere Revolution als in Russland."
"Es schien, dass die Revolution weitgehend unblutig sogar gesiegt hatte. Dann kam es zum ersten Mal Anfang Dezember zu dem Versuch, die Verhältnisse umzudrehen durch die inzwischen zurückgekehrten Truppen unter dem Befehl der alten Offiziere. Man wollte das Schloss und auch den Marstall, in dem die sogenannte Volksmarine-Division residierte, räumen lassen. Die Kämpfe führten zu ersten Toten."
Kurz darauf, in jenem Dezember 1918, trat in Berlin der Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte zusammen, kein repräsentatives Gremium, aber ein relevanter neuer Machtfaktor in der Phase des Umbruchs. Von den rund 500 Delegierten aus ganz Deutschland war die große Mehrheit in der SPD organisiert. Im Mittelpunkt stand die künftige politische Ausrichtung Deutschlands.
Kämpfe der Weihnachtswoche
"Die Alternative war parlamentarische Demokratie oder Rätedemokratie. Und die eindeutige Mehrheit auf diesem Reichsrätekongress trat für eine parlamentarische Demokratie ein."
Eine Woche später, am 24. Dezember, unternahmen regierungsfeindliche Truppen erneut einen Vorstoß, das Berliner Schloss einzunehmen, mit Billigung Friedrich Eberts.
"Die Ungeheuerlichkeit, dass der ‚Sozialist‘ Ebert versuchen könnte, mit kaiserlichen Truppen die Revolution niederzuschlagen, wollte uns nicht in den Kopf", schrieb später Ernst Brossat, ein Angehöriger der Volksmarine-Division, über die Kämpfe im Zentrum der Hauptstadt.
"Mehrmals versuchten die Truppen vergeblich, Schloss und Marstall zu stürmen. Beim letzten Sturm gelang es ihnen, in den Schlosshof einzudringen. Sie wurden aber im Kampf Mann gegen Mann von der tapferen Marinebesatzung überwältigt. Die Kämpfe in der Weihnachtswoche hatten wir siegreich bestanden."
Zurück blieben sieben tote Matrosen und 54 getötete Soldaten, für die regierungsfeindlichen Truppen eine herbe Niederlage, die Rachegelüste weckte.
Die linksradikalen Gruppen und der linke Flügel der USPD sahen in dem Bündnis zwischen Ebert und der Obersten Heeresleitung um Groener einen Verrat an der Revolution.
Zurück blieben sieben tote Matrosen und 54 getötete Soldaten, für die regierungsfeindlichen Truppen eine herbe Niederlage, die Rachegelüste weckte.
Die linksradikalen Gruppen und der linke Flügel der USPD sahen in dem Bündnis zwischen Ebert und der Obersten Heeresleitung um Groener einen Verrat an der Revolution.
Die Volksbeauftragten der USPD verließen die Regierung, an ihre Stelle traten die SPD-Mitglieder Gustav Noske und Rudolf Wissell. Noske, den Volksbeauftragten für Heer und Marine, betrachteten die radikalen Linken als verlängerten Arm der alten kaiserlichen Truppen, er war in ihren Augen der Volksverräter schlechthin.
"Einer muss ja den Bluthund machen, das war eine saloppe Formulierung zur Begründung, warum er den Oberbefehlshaber in Berlin zu spielen bereit war."
In dem Bündnis zwischen Noske und Ebert und den alten Militärs sieht Joachim Käppner eine verhängnisvolle Fehlentscheidung der Sozialdemokratie.
"Die Oberste Heeresleitung, Ludendorff und Hindenburg, warum hat man die nicht einfach verhaftet? Stattdessen verändern sich die Dinge nicht, weil die Sozialdemokraten, damals unter Friedrich Ebert, sich fürchteten vor der Revolution. Sie fürchteten sich mehr vor der Revolution als vor dem Militär und haben sich dann deswegen mit denen verbündet. Das ist, glaube ich, eine der ganz großen historischen Fehlentscheidungen."
Um die Jahreswende 1918/19 löste der Spartakusbund, der linke Flügel der Unabhängigen Sozialdemokraten unter Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, seine Verbindung zur USPD und konstituierte sich im Preußischen Landtag als Kommunistische Partei Deutschlands. Trotz aller revolutionären Rhetorik blieb die KPD eine unbedeutende Organisation ohne entscheidenden Einfluss auf die politischen Machtverhältnisse.
"Tötet Liebknecht"
Gleichwohl wurden ihre Anführer Liebknecht und Luxemburg zu Hassfiguren rechtsradikaler Kreise. In den Straßen tauchten Plakate auf, die in großen Lettern an "Arbeiter und Bürger" appellierten:
"Das Vaterland ist dem Untergang nahe, rettet es! Es wird nicht bedroht von außen, sondern von innen: von der Spartakusgruppe. Schlagt ihre Führer tot! Tötet Liebknecht! Dann werdet ihr Frieden, Arbeit und Brot haben. Die Frontsoldaten."
"Es wurde praktisch ab Anfang Januar 1919 in der Presse davon gesprochen, vor allem in der bürgerlichen Presse, dass jetzt nicht nur die Spartakisten die Macht übernehmen wollen, sondern dass sie nun kurz davor sind, diese Macht in der Tat an sich zu reißen und dass sie dann Verhältnisse wie im bolschewistischen Russland, wie es hieß, in Deutschland und in Berlin vor allen Dingen, errichten wollen."
Anfang Januar 1919 spitzte sich die politische Lage weiter zu. Das USPD-Mitglied Emil Eichhorn war Polizeipräsident von Berlin geworden. Nach dem Ausscheiden seiner Parteigenossen aus dem Rat der Volksbeauftragten weigerte er sich, von dem Preußischen Innenminister Paul Hirsch, einem Sozialdemokraten, Befehle entgegenzunehmen. Ein Verhalten, das sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Weimarer Republik ziehen sollte: Statt sich vereint den antidemokratischen Kräften entgegenzustellen, bekämpften sich die linken Gruppierungen untereinander.
"Und daraufhin hat der Innenminister ihn als Polizeipräsident abgesetzt. Dagegen gab es sofort Proteste von Seiten der Unabhängigen Sozialdemokratie, die dann Anfang Januar dazu führten, dass es einen Aufruf zu großen Demonstrationen für Emil Eichhorn und für die Wiedereinsetzung als Polizeipräsident gab, aber auch für die Fortführung, wie es oft gesagt wurde, der Revolution."
"Der Unfug lärmender Demonstrationen des von Liebknecht und seiner Gefolgschaft aufgehetzten Teiles der Berliner Bevölkerung dauerte an", schrieb später Gustav Noske.
"Die Volksbeauftragten waren sich darüber klar, dass in Berlin und dann im Reich mit allen Mitteln Ordnung zu schaffen sei. Diesmal stand Berlin unmittelbar vor der bolschewistisch-proletarischen Diktatur. Alle Machtmittel waren faktisch bei Spartakus."
Doch davon konnte keine Rede sein, Noske malte ein maßlos übertriebenes Szenario an die Wand.
"Es gab große Massendemonstrationen, auch für die Republik, für die Mehrheitssozialdemokratie, die Mehrheitssozialdemokratie mobilisierte ihre Anhänger. Und auch da gab es wieder die Bereitschaft von bewaffneten Kräften, sich für den Schutz dieser Regierung einzusetzen. Es war bei Beginn der Massendemonstrationen Anfang Januar 1919 so, dass diese Massendemonstrationen aneinander vorbeizogen, sich beschimpften."
Am 5. Januar besetzten bewaffnete Arbeiter Bahnhöfe und stürmten das Zeitungsviertel zwischen Kochstraße, Leipziger Straße und Wilhelmstraße. Nun begann das, was fälschlicherweise als "Spartakusaufstand" in die Geschichte einging.
"Januaraufstand kein Spartakusaufstand"
Der Historiker Reinhard Rürup:
"Man muss deutlich sagen, dass der Januaraufstand kein Spartakusaufstand war, weil das ja ein verbreitetes Missverständnis heute noch ist, die meisten Leute sprechen von 'Spartakusaufstand', es war eine spontane Massenbewegung, die weitgehend führerlos war."
Später schrieb die Rote Fahne, die Zeitung der KPD, über die Demonstrationen:
"Die Massen standen früh um 9 Uhr in Kälte und Nebel. Und irgendwo saßen die Führer und berieten. Die Massen fieberten vor Erregung; sie wollten eine Tat, auch nur ein Wort, das ihre Erregung besänftigte. Doch keiner wusste, welches. Denn die Führer berieten. Der Nebel fiel wieder und mit ihm die Dämmerung. Traurig gingen die Massen nach Hause: sie hatten Großes gewollt und nichts getan. Denn die Führer berieten."
Währenddessen ließ Gustav Noske kampfkräftige Verbände vor den Toren Berlins zusammenziehen und am 10. Januar in die Reichshauptstadt einrücken. Sie sollten die Besetzung des Zeitungsviertels gewaltsam beenden.
"Im Vorwärtsgebäude gab es bewaffnete Kräfte, die zurückschossen. Alle wollten, dass diese Zuspitzung beendet wird und wollten verhandeln", so der Historiker Sigfried Heimann.
Doch die Angreifer gingen, wie im Krieg an der Front, mit Granaten, Maschinengewehren und Minenwerfern vor. Die Fassade des Vorwärts‘ lag in Trümmern, im Innern brach Feuer aus. Die Besetzer schickten daraufhin fünf Unterhändler vor das Gebäude.
"Diese fünf wurden nicht als Parlamentäre zur Kenntnis genommen, sie wurden verhaftet zusammen mit zwei anderen, die schon vorher gefangen genommen worden waren und auch aus dem Vorwärts-Gebäude stammten, wurden sie an die Wand gestellt und ermordet."
Die Zahl der Opfer des Januaraufstandes ließ sich nie genau ermitteln. Historiker gehen von bis zu 200 Toten aus. Die Frage parlamentarische Demokratie oder Räterepublik war damit zumindest vorläufig mit Waffengewalt entschieden. Das Morden ging jedoch weiter. Am 15. Januar wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von sogenannten Freikorpssoldaten der Garde-Kavallerie-Schützen-Division aufgegriffen und in das Hotel Eden verschleppt, das Hauptquartier des Freikorps. Dort wurden die führenden Köpfe der revolutionären Bewegung verhört und misshandelt.
"Dann gab es offenbar die Entscheidung, wir verhaften sie nicht, um sie ins Gefängnis zu bringen, sondern wir machen kurzen Prozess. Luxemburg wurde im Hotel schon zusammengeschlagen."
Luxemburgs Leiche im Landwehrkanal
Der Jurist Emil Gümbel berichtete in seiner Dokumentation "Zwei Jahre politischer Mord" über die Ermordung von Rosa Luxemburg:
"Man schob Frau Luxemburg in einen Wagen. Unterwegs schoss Oberleutnant Vogel der Frau Luxemburg noch eine Kugel durch den Kopf, ….worauf der Körper zusammenzuckte. Am Ausgang des Zoologischen Gartens gegen den Landwehrkanal stand eine Gruppe Soldaten. Das Auto hielt, die Soldaten nahmen die Leiche in Empfang und warfen sie in den Kanal. Die Mordgesellschaft ließ sich am Tage danach bei einem Gelage fotografieren."
Die Leiche Luxemburgs wurde erst vier Monate später im Landwehrkanal gefunden. Karl Liebknecht brachten Angehörige des Freikorps am Abend des 15. Januar mit dem Auto in den nahegelegenen Tiergarten. Dort täuschten sie eine Panne vor, führten Liebknecht in einem dunklen Parkweg und erschossen ihn von hinten aus nächster Nähe. Die Täter kamen ungeschoren davon.
Mit dem Mord an Liebknecht und Luxemburg war die blutige Abrechnung mit den Novemberrevolutionären noch nicht beendet. Anfang März kam es erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, als radikale Arbeiter die Sozialisierung von Schlüsselindustrien und die Einführung des Rätesystems verlangten, Forderungen, die seit dem 9. November im Raum standen.
Mehr als 1.200 Tote
"Es gab Falschmeldungen in der Presse, nicht zuletzt auch im Vorwärts: Anfang März 54 Polizisten in Lichtenberg von entmenschten Spartakisten ermordet. Es war einer in der Tat umgekommen, aber aus anderen Gründen. Gustav Noske hat das ausdrücklich, dieses Gerücht, zur Begründung genommen, um seinen Schießbefehl zu formulieren, dass jeder, der auf der anderen Seite mit der Waffe in der Hand angetroffen wird, sofort zu erschießen sei."
Die Berliner Märzkämpfe forderten mehr als 1.200 Tote. Die Reihe der Unruhen und Aufstände setzte sich fort bis zur Niederwerfung der Münchner Räterepublik im Mai 1919 mit mehreren hundert Opfern.
Ungeachtet der blutigen Auseinandersetzungen fanden am 19. Januar 1919 wie geplant die Wahlen zur Nationalversammlung statt, ein Votum für die parlamentarische Demokratie. Die zahllosen Toten blieben aber eine schwere Hypothek der Weimarer Republik und trugen letztlich zu ihrem Scheitern nach kurzer Zeit bei. Der Historiker Reinhard Rürup:
"Im Winter 1918/19 ging es der Sache nach darum, ob die Demokratie, die zu gründen man sich anschickte, solide in der Gesellschaft verankert sein würde, ob man also die notwendigen Reformen einleiten würde, um eine stabile demokratische Ordnung zu haben. Das war die Fragestellung des Winters 1918/19. Nicht zuletzt durch die Niederschlagung des Januaraufstandes in Berlin waren die Offiziere des alten Heeres wieder ein innenpolitischer Machtfaktor. Das waren sie bis Weihnachten 1918 nicht gewesen."