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Vor 100 Jahren
Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht

Sie zählen bis heute zu den verehrten Leitfiguren der Linken: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren Anführer und zugleich die prominentesten Opfer des sogenannten Spartakus-Aufstandes in Berlin im Januar 1919. Vor hundert Jahren wurden sie gefangen genommen und von regierungstreuen Soldaten ermordet.

Von Winfried Dolderer |
    Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg
    Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wurden am 15. Januar 1919 ermordet (picture alliance / Collage Deutschlandradio)
    Karl Liebknecht auf der Flucht erschossen. Rosa Luxemburg von einem wütenden Mob gelyncht. Am Morgen nach dem Tod der beiden meistgesuchten Staatsfeinde der jungen Republik war das die offizielle Darstellung. Das Bedauern hielt sich in Grenzen.
    "Es ist nicht zu verkennen, dass an den beiden terroristischen Führern eine Art Volksgericht vollstreckt worden ist." So urteilte die liberale "Vossische Zeitung".
    Die Blätter der Rechten schwelgten in Begeisterung über das Ende vor allem der angeblich "blutigen Rosa": "Die Luxemburg ist hier in Berlin als Bolschewikin gejagt worden, sie ist als Bolschewikin zwei Monate lang bekämpft worden, und sie ist als Bolschewikin und natürlich auch als Jüdin ermordet worden. Aber sie war nun wirklich alles, aber nicht eine Bolschewikin", sagt der Historiker und Luxemburg-Experte Jörn Schütrumpf.
    156 Tote durch den sogenannten Spartakus-Aufstand
    Die ersten Tage des Jahres 1919 waren in Berlin geprägt von Massenkundgebungen und Gewalt. Am 5. Januar hatten bewaffnete Demonstranten mehrere Verlagshäuser und Druckereien unweit des Potsdamer Platzes besetzt. Der sozialdemokratisch geführte Rat der Volksbeauftragten ließ die Gebäude von Militär mit Flammenwerfern, Maschinengewehren, Mörsern und Artillerie räumen. 156 Tote waren die Bilanz dieses so genannten Spartakus-Aufstandes.
    Am Abend des 15. Januar 1919 stöberten Angehörige einer Bürgerwehr die vermeintlich Hauptverantwortlichen auf, die prominentesten Köpfe der erst zwei Wochen alten KPD, Liebknecht und Luxemburg. Aus ihrem Versteck in einer Wilmersdorfer Wohnung wurden sie ins Hauptquartier der Garde-Kavallerie-Schützendivision gebracht. Deren Stabschef Waldemar Pabst war längst entschlossen, die beiden umbringen zu lassen.
    "Es waren Teile dieser Division in die Innenstadt verlegt worden. Und man nahm sich das vornehmste und teuerste Hotel, das war das Eden-Hotel in der Budapester Straße, und machte das zum innerstädtischen Hauptquartier unter der Führung eines Hauptmann Pabst."
    Die Division sei eine reguläre Truppe, kein Söldnerhaufen gewesen, betont Schütrumpf: "Die Geschichte, dass Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von Freikorpssoldaten ermordet worden ist, ist eine der Lieblingslügen der deutschen Geschichtsschreibung, kein Wort davor ist wahr."
    Pabst gab den Befehl, die Häftlinge ins Moabiter Untersuchungsgefängnis zu bringen. Insgeheim wies er seine Leute an, sie unterwegs zu liquidieren. Als Liebknecht gegen 22.45 Uhr aus dem Eden-Hotel geführt wurde, schlug ihm der Wachtposten am Eingang, ein Soldat Otto Runge, den Gewehrkolben über den Kopf. Liebknecht taumelte ins bereitstehende Auto. Als eine dreiviertel Stunde später auch Luxemburg am Eingang erschien, schlug Runge, der auf Befehl eines Vorgesetzten handelte, zweimal zu.
    Beschwerliche Aufklärung
    Eine Zeugin erinnerte sich später vor Gericht, wie die Hilflose in den Wagen bugsiert wurde: "Ich sehe es heute noch, mit einem Arm wurde sie hineingezerrt. Frau Luxemburg war nicht mehr imstande, zu gehen."
    Derweil waren die Soldaten, die in einer dunklen Ecke des Tiergartens Liebknecht erschossen hatten, ins Eden zurückgekehrt und feierten ihre Tat mit reichlich Wein und Zigaretten.
    Ein Zeuge: "Ich ging nun an den Tisch und fragte, ob Dr. Liebknecht wirklich tot sei, worauf mir zur Antwort gegeben wurde, dass Liebknecht durchlöchert wäre wie ein Sieb. Ich fragte auch, von wem sie die Zigaretten und den Wein hätten. Da wurde mir ebenfalls gesagt: Das ist von Offizieren gestiftet worden."
    Gemeinsam taten Regierung, Justiz und Militär nach dem Doppelmord ihr Bestes, um die Aufklärung zu behindern. Ein Verfahren vor dem Kriegsgericht endete mit dem Freispruch von sechs der neun Angeklagten. Nur der Gewehrkolben-Schläger Runge saß eine Weile hinter Gittern. Ungeklärt blieb, wer den tödlichen Schuss auf Rosa Luxemburg abgegeben hatte. Der Hauptverdächtige Leutnant Kurt Vogel war durch Zeugenaussagen nicht zu überführen. Erst im Juni 1945 identifizierte ihn Runge in einer Vernehmung durch sowjetische Militärpolizei als Täter.
    "Er beschreibt genau, (…) nachdem er den Schlag gegeben hatte und alle glaubten, sie sei tot, hat man sie ins Auto geschleift, und da hat sich ihr Arm noch bewegt, und daraufhin ist Vogel ans Auto gesprungen und hat ins Auto hineingeschossen."
    Dass sich in der Weimarer Republik der Bruch zwischen SPD und Kommunisten zur Feindschaft auswuchs, war die wohl nachhaltigste Folge dieser Bluttat.