"In der letzten Nacht waren die Telegraphendienste weiträumig gestört. Die Kommunikation zwischen New York und Chicago war unterbrochen, und die Western-Union-Kabelstation in Kanada hatte ungewöhnliche Schwierigkeiten bei der Weiterleitung von Nachrichten aus England."
Eine kurze Meldung in der "New York Times": Sie schilderte Störungen bei den Telegraphen am Abend zuvor, dem 13. Mai 1921. Was zunächst als Randnotiz erschien, sollte die Schlagzeilen der nächsten Tage beherrschen: Ein Magnetsturm von der Sonne war auf die Erde getroffen, hatte Leitungen gestört, Brände entfacht und Züge lahmgelegt. Das Phänomen sollte als "New York Railroad Storm" in die Geschichte eingehen, als Eisenbahnsturm von New York.
Für gewöhnlich kriegen wir von Sonneneruptionen nichts mit
Ein paar Tage zuvor war auf der Sonne etwas geschehen, das eigentlich immer wieder mal vorkommt: Es hatten sich gewaltige Sonnenflecken gebildet, riesige Bereiche von übermäßiger Aktivität:
"Und solche Bereiche neigen dann zu explosiven Ausbrüchen. Dabei wird eine große Menge Plasma ausgestoßen. Das kann man sich vorstellen wie eine Wolke geladener Teilchen, die in sehr hoher Geschwindigkeit losgeschickt wird", sagt Christian Reiber vom Deutschen Amateur-Radio-Club.
"Und solche Bereiche neigen dann zu explosiven Ausbrüchen. Dabei wird eine große Menge Plasma ausgestoßen. Das kann man sich vorstellen wie eine Wolke geladener Teilchen, die in sehr hoher Geschwindigkeit losgeschickt wird", sagt Christian Reiber vom Deutschen Amateur-Radio-Club.
In der Regel merken wir nichts von solchen Sonnen-Auswürfen, sie sind zu schwach oder verfehlen die Erde. Anders am 13. Mai 1921, so Reiber:
"1921 waren es vermutlich gleich drei solcher Massenauswürfe hintereinander. Und zwar welche von der ganz kräftigen Sorte, das heißt, viel Plasma, sehr hohe Geschwindigkeit, mehr als 1000 Kilometer pro Sekunde. Und die steuerten noch dazu direkt auf die Erde zu."
"Ein regelrechter Magnetsturm"
Als die Sonnenauswürfe auf das Erdmagnetfeld trafen, erzeugten sie einen regelrechten Magnetsturm. Und der hatte Folgen, sagt Christian Reiber:
"Zunächst und am auffälligsten für viele Menschen gab es brillante Polarlichter in Gegenden der Erde, wo man die üblicherweise nicht sehen kann, zum Beispiel in Texas oder auf Südseeinseln. Auch übrigens in Deutschland."
"Zunächst und am auffälligsten für viele Menschen gab es brillante Polarlichter in Gegenden der Erde, wo man die üblicherweise nicht sehen kann, zum Beispiel in Texas oder auf Südseeinseln. Auch übrigens in Deutschland."
Und: Der Magnetsturm koppelte so viel Energie in die Telegraphenleitungen ein, dass sie hoffnungslos überlasteten, heißt es in einem Bericht:
"Das Polarlicht streckte in der Nacht zum Samstag seine unheimlichen Finger in den Himmel und unterbrach die Telegraphie über Stunden. Das Nordlicht übte eine geheimnisvolle Macht über die elektrische Kommunikation aus, und es war praktisch unmöglich, Nachrichten zu senden."
Sogar zu Bränden sei es gekommen, sagt Christian Reiber: "Zum Beispiel in Telefonvermittlungsstellen in Schweden und auch im Staat New York."
In New York traf es auch eine Eisenbahngesellschaft, so kam der Vorfall zu seinem Namen:
"Der Sonnenfleck, der die Störungen bei den Telegraphen verursacht hatte, wurde gestern Morgen um 7:04 Uhr mit einem noch nie dagewesenen Ereignis in Verbindung gebracht, als die gesamte Signal- und Schaltanlage der New York Central Railroad ausfiel, gefolgt von einem Feuer im Kontrollturm an der 57. Straße. Erst quollen Dämpfe aus den Kabeln, dann folgte dichter Rauch", schrieb die "New York Times" am 16. Mai.
Drei Tage lang dauerte das Spektakel, dann ebbte es ab. Zwar wusste die Fachwelt schon damals, dass die Aktivität der Sonne hinter dem Ganzen steckte. Doch manche sahen einen anderen Grund, so Christian Reiber:
"Zu dieser Zeit gab es auch einen Kometen, der sichtbar war. Auch da gab es Zeitgenossen, die den als typischen Unheilsbringer, so waren sie ja in der Geschichte immer definiert, dafür verantwortlich gemacht haben."
*Heute gäbe es gravierende technische Schäden
Heute gilt der New York Railroad Storm als der stärkste Magnetsturm des 20. Jahrhunderts. Immerhin: Das Leben auf der Erde war damals nicht in Gefahr: Das Erdmagnetfeld hatte dem Bombardement aus dem All standgehalten und die Lebewesen vor der Strahlung abgeschirmt. Doch der Sturm war der erste, der nennenswerte technische Schäden verursachte. Würde uns heute ein solcher Sturm treffen, dürften die Schäden noch viel gravierender sein, meint Christian Reiber. Denn heute, im Zeitalter von Internet und GPS, gibt es deutlich mehr empfindliche Technik als vor 100 Jahren.
"Die größte Sorge gilt dabei vor allem unseren Hochspannungsleitungen. Transportieren die zu viel Energie, kann es zur Notabschaltungen kommen und schlimmstenfalls sogar zu Bränden."
Und auch Navigationssatelliten könnten beschädigt werden, schlimmstenfalls könnte das GPS-System ausfallen. Davon betroffen wären nicht nur die Navigationsgeräte in unseren Smartphones und unseren Autos, sondern auch Speditionen, Reedereien und auch der Luftverkehr. Die wirtschaftlichen Folgen eines solchen Blackouts wären beträchtlich. Und deshalb gibt es heute Teleskope auf der Erde und im Weltraum, die die Sonne ständig im Auge behalten. Ihr Ziel: Uns möglichst früh zu warnen, sollte sich wieder ein magnetischer Jahrhundertsturm der Erde nähern.
* Beim o.g. Beitrag wurden nachträglich zur Vervollständigung die letzten drei Absätze hinzugefügt.