"Die deutsche Infanterie ist überall im Angriff. Überall nisten ihre Trupps sich ein, bauen ihre Maschinengewehre auf und feuern. Es dunkelt schon langsam. Die französischen Bereitschaften sind im Gegenangriff. Sie müssen in den Feuerkessel des deutschen Artilleriefeuers hinein. Die Maschinengewehre zwingen sie in Trichter und Gräben."
So schildert der Schriftsteller Edlef Köppen, selbst ein Veteran des 1.Weltkriegs, in seiner 1931 produzierten Radiocollage "Wir standen vor Verdun" den Beginn der Schlacht am 21. Februar 1916.
"Es geht besonders wild um die Höhenrücken, wo sich Stoß und Gegenstoß, beiderseits aus der Versenkung herangeführt, plötzlich treffen. Jeder Meter Boden wird mit Blut und einer Unzahl von Patronen, Handgranaten und Artilleriegeschossen aufgewogen. Aber es geht vorwärts!"
Fort Douaumont - Einnahme an Tag 4
Tatsächlich sind die deutschen Erfolge in den ersten Tagen enorm. Kein Wunder - die deutsche Artillerie, rund 1400 Geschütze aller Kaliber, feuerte zur Vorbereitung des kommenden Massakers fast einen ganzen Tag lang ununterbrochen. Die Ziele der Granaten in und um die lothringische Festungsstadt Verdun herum wurden nach Aufklärung durch Flugzeuge und Beobachtungsballons bestimmt. Bereits die erste Woche des Angriffs verlief, so jüngst der Publizist und Sachbuchautor Jörg Friedrich, vielversprechend.
"Schon am vierten Tag wird Douaumont, das stärkste Fort der Festung Verdun, eingenommen. Am achten Tag sind am rechten Maas-Ufer neun Zehntel der Geländegewinne der ganzen zehnmonatigen Schlacht erzielt."
Schnell sprachen sich die Erfolge im bis dahin festgefressenen Stellungskrieg an der deutschen Westfront bis in die Heimat herum. Der Historiker Karl Hampe vermerkte in seinem Kriegstagebuch am 23. Februar:
"Der erhoffte größere Erfolg scheint im Werke zu sein, und zwar nördlich von Verdun. Auf 10 Kilometer Breite sind wir drei Kilometer vorgedrungen. Es ist wie eine Befreiung, alles atmet auf. Freilich weiß man noch nicht, wie weit Absicht und Ausführung reichen."
Kampfdauer exakt 300 Tage und Nächte
Die Soldaten beider Seiten empfanden gewiss keine "Befreiung" angesichts dessen, was im Februar 1916 seinen Anfang nahm. Exakt 300 Tage und Nächte, bis zum Ende der letzten französischen Gegenoffensive am 20. Dezember 1916, sollte der Kampf andauern. Und er mutierte schnell zum gigantischen Stellungskrieg, bestimmt von Trommelfeuer und Maschinengewehren. Die französische Armee, so die Überlegung des Chefs der 2. Obersten Heeresleitung, des Generals der Infanterie Erich von Falkenhayn, sollte sich hier "verbluten".
Ein deutscher Veteran erinnerte sich 1985:
"Das Trommelfeuer, das ist so aus 10 Kilometer Entfernung – rumbumbum – die ganzen Scheiben klirrten. Und – da dachte ich, das ist ja wohl unmöglich, dass da vorne Menschen leben, wo die Granaten so einschlagen, dass es ein unterbrochenes Trommeln ist."
Hölle von Verdun - noch heute in der Landschaft sichtbar
Ein Schrecken ohne Ende, wie es in einem Feldpostbrief am 2. Juli 1916 heißt:
"Tag und Nacht Granatfeuer – oft, dass es in der Sekunde 10-20 Geschosse heranhagelte, uns verschüttete und wieder ausgrub. Unser Leutnant hat geweint wie ein Kind; ja, wie sie da lagen, ein Fuß weg - Arme weg, ganz zerfetzt. Gott, das war furchtbar. Ihr könnt Euch keine Vorstellung von diesem Schrecken machen und niemand, der´s nicht mitgemacht."
Dennoch – diese Hölle vermag Verdun noch nicht hervorzuheben aus der trüben Bilanz des 1. Weltkriegs. Weder das Nachleben in der deutschen Erinnerung der 1920er und 1930er Jahre als "Fanal deutschen Heldentums" noch die geradezu sakrale Bedeutung, die Verdun und dessen Verteidigung für Frankreich hatten, können das ändern. Auch nicht die sofort gefälschten Opferzahlen; von über einer Million Toten war bald die Rede. Freilich – auch etwa 200.000 reale Tote, Verwundete, Traumatisierte, Vermisste und Gefangene in zehn Monaten sind eine grausige Gewissheit.
Der einstige Redakteur des Deutschlandfunks und Erforscher der Schlacht, German Werth, versuchte bereits früh eine Einschätzung, die ihre Gültigkeit nicht verloren hat:
"Die Kriegswirklichkeit des Ersten Weltkriegs, die Materialschlacht, lässt sich hier sehr deutlich ablesen. Über zehn Monate haben hier die Infanteristen zweier Armeen, der deutschen und der französischen Armee, sich gegenüber gelegen, es ging weder vor noch zurück, es sei denn, man hat einen Geländegewinn von 50 Metern als Sieg verzeichnet."
Zurück blieb eine zerstörte Landschaft, durchzogen von Granattrichtern und Laufgräben. Ihre Spuren sind bis heute sichtbar geblieben.