"Hallo, hier ist Königs Wusterhausen, auf Welle 2700. Meine Damen und Herren, zum Zeichen, dass unsere Station jetzt großjährig geworden ist, wollen wir Ihnen ein kleines, bescheidenes Weihnachtskonzert senden."
Die Zentralfunkstelle des Heeres zweckentfremdet
So mag sie geklungen haben, die erste Rundfunkübertragung in Deutschland. Mitarbeiter der Reichspost gaben auf dem Sender Königs Wusterhausen am 22. Dezember 1920 ein kleines Weihnachtskonzert – und erreichten damit Hörer in ganz Europa. Aus Luxemburg, den Niederlanden und England schrieben Menschen an die ehemalige Zentralfunkstelle des Heeres, die seit dem Ende des Ersten Weltkrieges in der Hand der Reichspost war.
Dass der kleine Ort in Brandenburg zum Geburtsort des deutschen Rundfunks wurde, war nicht nur der musikalischen Improvisationslust der Mitarbeiter auf dem "Funkerberg" genannten Areal zu verdanken, sondern auch ihrer elektrotechnischen Experimentierfreude, die, wie Rainer Suckow vom Förderverein Sender Königs Wusterhausen meint, keine regulären Arbeitsstunden kannte:
"Enthusiastische Menschen haben eben mit viel, viel Elan, Reichspostbeamte in ihrer Freizeit, an dienstlichen Anlagen herumgeschraubt und den Rundfunk geboren."
Der Hörfunk – ein Kind des Ersten Weltkriegs
Vordenker und Antreiber zugleich war Hans Bredow. Der Ministerialdirektor im Reichspostministerium hatte einen großen Traum: einen Übertragungsweg zu schaffen, der möglichst allen Menschen zur Verfügung stehen sollte - ein gänzlich neues Medium, für das er das Wort "Rundfunk" prägte. Jeder Mann und jede Frau sollten über einen Empfänger teilhaben können am öffentlichen Leben.
Der gelernte Elektrotechniker Bredow hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg als Unternehmer und Erfinder mitgeholfen, den internationalen Funkverkehr auszubauen. Gemeinsam mit Alexander Meißner unternahm er 1917 an der Westfront technische Versuche mit Röhrensendern und konnte kleine Live-Konzerte und Lesungen an Soldaten in die Schützengräben übertragen. Nun wollte er den Schritt weitergehen und ein Massenmedium entwickeln.
Bredows Pech und Panne
Die Parlamentarier der jungen Weimarer Republik und sogar Bredows Kollegen bei der Reichspost waren allerdings skeptisch. Um seiner Vision mehr Öffentlichkeit zu verschaffen, lud er ausgewählte Gäste aus Presse und Wissenschaft im November 1919 in die Berliner "Gesellschaft Urania". Der Berliner Lokal-Anzeiger resümierte:
"Wenn auch der Vortragende auf dem Boden der Sachlichkeit blieb, entwickelte er doch zuweilen Gedanken von geradezu Jules Verne‘scher Kühnheit. So wie er beispielsweise den zukünftigen Redner schilderte, der seine Rede in einen drahtlosen Apparat spricht und sie für Millionen von Menschen hörbar macht."
Die Skepsis des Berichterstatters wurde vom Publikum geteilt. Bredows Pech: der Versuch, eine Übertragung von Musik und Stimme über einen Röhrensender in den Vortragsraum zu realisieren, scheiterte. Der Rundfunkpionier erinnerte sich 1954:
"Die Versammlung reagierte mit Stillschweigen, teilweise mit Kichern, meine Kollegen von der Reichspost behandelten mich nach diesem Vortrag eisig, und ich kam mir vor wie eine Art Betrüger."
Doch Hans Bredow gab nicht auf. Die Techniker der Deutschen Reichspost übertrugen das Weihnachtskonzert von 1920 mit einem sogenannten Lichtbogensender via Langwelle. Zum ersten Mal war es gelungen, wie Radioenthusiast Rainer Suckow meint, alle Komponenten, die zum Rundfunk gehören, an einem Ort zusammenzubringen:
"Man hat wirklich Sprache, Musik und auch von der Schallplatte, damals Grammophon übertragen (…) und damit ist dieses erste Weihnachtskonzert wirklich die Geburtsstunde des heute modernen Rundfunks."
Dem Weihnachtskonzert folgte ein Osterkonzert und in den nächsten Jahren regelmäßige Sonntagskonzerte. Auch die entstanden aus der Eigeninitiative der Postbeamten, die dazu auf ihren privaten Instrumenten Musikstücke spielten. Die Sängerin Edith Bach, die regelmäßig teilnahm, wurde sogar zu einem kleinen Star: der "Nachtigall von Königs Wusterhausen". Doch zu richtigen Programmmachern wurden die Funker der ersten Stunde nicht. Königs Wusterhausen entwickelte sich zur technischen Großsendeanlage, die noch bis 1995 in Betrieb war.
Heute beherbergt der "Funkerberg" das Sender- und Funktechnikmuseum Königs Wusterhausen, in dem die ganze Technikgeschichte des deutschen Hörfunks nacherlebt werden kann.