Artur Brauners Karriere als Filmproduzent begann mit einem Fiasko: "Nein, ich will nicht sterben." - "Aber Junge! Das Leben hier ist doch kein Leben!"
Die Vorführungen seines 1948 uraufgeführten Films "Morituri" über die Erlebnisse entflohener KZ-Häftlinge gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden begleitet von Proteststürmen. Schimpfende Zuschauer verlangten ihr Geld zurück. Viele Kinobesitzer lehnten es daraufhin ab, den Film ins Programm zu nehmen. Für Artur Brauner, der nach dem Krieg von den Alliierten in West-Berlin eine der ersten Filmlizenzen erhalten hatte, war das nicht nur ein finanzielles Desaster:
"Es war eine Probe für mich. Eine Probe für mein ganzes Leben, zu sehen, wie standhaft ich bin, wenn es Schwierigkeiten gibt."
Das Kinopublikum wollte mehr Unterhaltung
Die offene, teils antisemitische Ablehnung von "Morituri" traf Brauner persönlich: Das Drehbuch war nach seiner Idee entstanden, und Regisseur Eugen York hatte Brauners eigene Fluchterlebnisse in die Handlung eingebaut. Auch war ein Großteil seiner Verwandtschaft von den Nationalsozialisten ermordet worden. Dabei sollte "Morituri" mit dem Untertitel "Ein Film spricht zur Welt" eigentlich ein Appell zur Aussöhnung und Völkerverständigung sein. Der damals 28-jährige Produzent musste erkennen, dass das Kinopublikum mehr an Unterhaltung als an Vergangenheitsbewältigung interessiert war.
"Von da ab ging es aufwärts und habe in der Zwischenzeit Blut geleckt, dass man in Berlin, gerade in Berlin, eine derartige große Aufbauarbeit tätigen kann."
Trotz Berliner Blockade und Rohfilmknappheit produzierte er bald Kassenerfolge wie "Man spielt nicht mit der Liebe" oder die Milieustudie "Mädchen hinter Gittern" nach einem wahren Kriminalfall. Es war der Beginn einer beispiellosen Erfolgsstory im westdeutschen Nachkriegskino, die Geschichte eines schon als Kind Filmbesessenen:
"Die Kinos waren überhaupt das Elixier meines Lebens. Ich ging jede Woche achtmal ins Kino. Sonntags zweimal und dann jeden Tag ins Kino. Ich kannte alle Filme dieser Welt. Alle neuen Schauspieler. Alles, was auf dem Weltmarkt war, war in meiner Seele drin."
Artur Brauner wurde am 1. August 1918 im polnischen Łódž als Sohn eines jüdischen Holzgroßhändlers geboren, machte sein Abitur und begann ein Ingenieurstudium, bis Hitler-Deutschland Polen überfiel. Um der Ghettoisierung der polnischen Juden zu entgehen, flüchtete er mit seiner Familie in die Sowjetunion. Während seine Eltern nach dem Krieg nach Israel auswanderten, ließ sich Brauner mit seiner Lebensgefährtin Maria in Berlin nieder. 1949 kaufte er das Areal einer ehemaligen Giftgasfabrik in Spandau, um dort eigene Filmstudios zu errichten. Innerhalb von zehn Jahren machte Brauner sein Unternehmen, die Central Cinema Company, kurz CCC, zur erfolgreichsten unabhängigen Filmproduktion Europas.
250 Filme in 70 Jahren
Brauner war geschäftstüchtig und hatte einen Riecher für die Themen der Zeit. Mal holte er renommierte Kamera-Altmeister wie Fritz Arno Wagner, der schon Murnaus Nosferatu gedreht hatte, mal engagierte er unverbrauchte Schauspielgesichter wie Romy Schneider oder setzte auf die Zugkraft von Altstars wie Heinz Rühmann:
"Und so hat Rühmann bei mir doch seine drei besten Filme gemacht, abgesehen vom 'Köpenick': 'Es geschah am hellichten Tag', 'Menschen im Hotel' und 'Der brave Soldat Schwejk'. "
Brauner war auch der erste, der internationale Co-Produktionen einging. Während die meisten westdeutschen Produzenten auf Heimatfilme setzten, engagierte er zunehmend Regisseure, die vor den Nationalsozialisten geflohen waren, wie Fritz Lang oder Robert Siodmak. Er versprach sich davon größere Exportchancen seiner Filme. Daraus entstanden ambitionierte Verfilmungen wie "Die Ratten" nach Gerhart Hauptmann, Abenteuer-Remakes wie "Das indische Grabmal" und Fritz Langs letzte Regiearbeit "Die Tausend Augen des Dr. Mabuse".
"Ich kann die Dunkelheit nicht ganz durchdringen, aber eines sehe ich: Sie haben ein Leben gerettet. Und gerade von diesem Leben droht Ihnen Gefahr."
"Ich kann die Dunkelheit nicht ganz durchdringen, aber eines sehe ich: Sie haben ein Leben gerettet. Und gerade von diesem Leben droht Ihnen Gefahr."
In fast 70 Jahren verantwortete Brauner über 250 Filme. Immer wieder setzte er seinen Gewinn aus dem Unterhaltungskino für Filmprojekte ein, die sich mit NS-Verbrechen und Holocaust beschäftigen wie den Oscar-nominierten "Hitlerjunge Salomon", "Die weiße Rose" oder "Der letzte Zug". Vor wenigen Monaten noch erhielt Artur Brauner für sein Lebenswerk den Marler Medienpreis für Menschenrechte.