Liz Archer war eine junge Elevin an der königlichen Ballettschule in London, als sie die legendäre Primaballerina Assoluta des Royal Ballet Mitte der 60er-Jahre aus nächster Nähe erlebte.
"Da war dieser unglaublich aufregende Moment, als ich nach einer Ballettstunde durchs Fenster blickte. Und Margot Fonteyn und Rudolph Nureyev entdeckte. Im selben Studio, in dem wir eben selbst geübt hatten. Wir schauten ihnen eine Weile zu, bis man uns wegscheuchte und das Fenster mit Pappe zuklebte."
Margot Fonteyn, geboren am 18. Mai 1919 in Reigate, in der südenglischen Grafschaft Surrey, unter dem Namen Margret oder "Peggy" Evelyn Hookham. Ihre Mutter war irisch-brasilianischer Herkunft, der Vater Engländer. Mit vier Jahren wurde Peggy zu ihrer ersten Ballettstunde gebracht. Als ihr Vater nach China versetzt wurde, trainierte sie unter einem russischen Lehrer in Schanghai. Ihr großes Vorbild: Anna Pavlova.
Mit 17 Jahren Prima Ballerina
"Ich dachte niemals, dass ich eine große Tänzerin werden würde. Mein Hals war nicht lang genug, mein Fußrücken nicht so schön gebogen, meine Stirn zu niedrig. Im Hinblick auf meine Karriere war ich gar nicht optimistisch."
Doch mit 14 kehrte Fonteyn nach London zurück, um an der Sadlers Wells Schule vorzutanzen, und wurde dort von Ninette de Valois entdeckt, der wohl einflussreichsten Figur in der Geschichte des Balletts und späteren Gründerin der Royal Ballet School. 1935 wurde Fonteyn zur Prima Ballerina ernannt. Sie war gerade 17. Und wenige Jahre später weltberühmt. Wegen ihrer technischen Finesse, ihrer Ausdrucksfähigkeit und ihrer Ausstrahlung.
"Margot Fonteyn hat unglaublich hart an sich gearbeitet, um dieses Maß an Perfektion zu erreichen. Und dennoch hat sie gerade darüber kaum gesprochen. Ihre oberste Parole lautete: ‘Du musst deine Arbeit ernst nehmen, aber niemals deine Person.‘"
Bühnenpartnerschaft mit Rudolf Nurejew
"Dornröschen", "Romeo und Julia" "Schwanensee" - Margot Fonteyn tanzte alle klassischen Rollen. Ihre Karriere umspannte 45 Jahre. Ungewöhnlich lange für eine Ballerina.
Eigentlich hatte sich Margot Fonteyn schon viel früher vom Ballett verabschieden wollen. Doch dann traf sie auf einen jungen sibirischen Tänzer, der sich in den Westen abgesetzt hatte. Sein Name: Rudolf Nurejew. Er war 23. Sie 42.
"Eigentlich wollte ich gar nicht mit ihm tanzen. Vor allem, weil er so viel jünger war als ich. Aber dann sagte ich mir: Sei kein Feigling, beweise deinen Mut. Und so tanzte ich mit diesem blutjungen Burschen, der drei Meter hohe Sprünge hinlegte. Ich war mir sicher, dass ich neben diesem Phänomen völlig ignoriert werden würde. Aber irgendwie hat die Sache geklappt."
So begann eine legendäre Bühnenpartnerschaft. Der Auftritt der beiden Stars in "Giselle" im Februar 1962 sorgte für eine Sensation:
"Fonteyn und Nurejew haben sich vollkommen ergänzt. Fonteyn war technisch perfekt. Und Nurejew erfüllte seine Rolle mit einer Leidenschaft, die die damalige Ballettszene in ihren Grundfesten erschütterte."
Der Zauber Margot Fonteyns hat überlebt
1979 tanzte Margot Fonteyn zum letzten Mal, zu ihrem 60. Geburtstag.
Aber es gab noch einen weiteren Grund, warum sie so lange tanzte. Sie brauchte Geld. Ihr Mann Tito de Arias hatte 1959 einen Putsch in Panama organisiert, der desaströs scheiterte. Sechs Jahre später wurde er bei einem Attentat schwer verletzt und blieb bis zu seinem Tod querschnittgelähmt. Von Margot Fonteyn hingebungsvoll gepflegt. In späteren Jahren kaufte sie eine einfache Ranch in Panama und widmete sich der Rinderzucht. 1991 starb sie in Panama City an Krebs.
Das Ballett hat sich weiterentwickelt. Der Tanz ist athletischer, die Bewegungen sind extremer, die Übergänge zur Akrobatik fließend geworden. Aber Margot Fonteyns Zauber hat überlebt.
"In der Royal Ballet Junior School in White Lodge in Richmond steht eine Skulptur von Margot Fonteyn. Für Vorübergehende ist es zur Tradition geworden, ihren Zeigefinger zu berühren - der ist inzwischen ganz blank poliert. Als ob die Lernenden hofften, Fonteyns Zauber würde mit diesem Ritual auf sie übergehen."