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Vor 100 Jahren geboren
Leonard Bernstein - Amerikas Held des Taktstocks

Leonard Bernstein, der erste US-amerikanische Dirigent großer Symphonieorchester, war einer der furiosesten Musiker des 20.Jahrhunderts. Denn er war nicht nur Dirigent, sondern auch Komponist und Pianist, dazu Buchautor und Fernseh-Moderator einer fulminanten Konzertserie für junge Leute.

Von Wolfgang Schreiber |
    Leonard Berstein als Dirigent in Italien in einer Farbfotografie vermutlich aus dem Jahr 1983
    Leonard Bernstein: Medien-Kommunikator, Entertainer, "Rattenfänger der Musik" (imago )
    Ein genialer Allround-Musiker- Leonard Bernstein bezauberte die Amerikaner und Europäer des 20. Jahrhunderts. Bernstein, der Komponist, triumphierte mit seinem Musical "West Side Story". Bernstein, der Dirigent, wurde zum Vorkämpfer Gustav Mahlers, den die Nazi-Deutschen aus der Kultur verbannt hatten. Frühzeitig hat Bernstein, der am 25. August 1918 in Massachusetts geboren wurde, alle Mahler-Symphonien auf Platten aufgenommen. Er fühlte sich Mahler, dem zerrissenen Künstler, nahe, er liebte die blühenden Neurosen dieser Musik.
    Der Musikdirektor der New Yorker Philharmoniker wollte nicht nur dirigieren und komponieren, Leonard Bernstein war Pianist, er wurde Pädagoge und Buchautor. Und betätigte sich als brillanter Fernseh-Moderator der Musikklassik. "Young People’s Concert", das Live-Konzert für junge Leute, wurde ab den 1950er-Jahren sein populäres Markenzeichen. Den Entertainer "Lenny" Bernstein bewunderten die Amerikaner dafür, dass er ihnen Bach und Brahms - und natürlich Beethoven erklärte, kurz und bündig.
    "Bereits zu gut kennen wir schon die berühmten Einleitungstakte dieser Symphonie… Was geschieht nun, wenn Beethoven diese strenge Ausgangsposition gewählt hat? Wie wird er sie weiter entwickeln - nun so, wir wissen es ja…"
    Leonard Bernstein, der Medien-Kommunikator, entwickelte sich zum Rattenfänger der Musik. An der Harvard University hatte Bernstein Klavier und Komposition studiert, Dirigieren bei dem ungarischen Zuchtmeister Fritz Reiner. Mit 25 schaffte er den Durchbruch: Als der deutsche Emigrant Bruno Walter, der Schüler Gustav Mahlers, 1943 sein Konzert bei den New Yorker Philharmonikern absagten musste, sprang Bernstein sehr kurzfristig ein und dirigierte sogar Walters kniffliges Programm – in landesweiter Radio-Ausstrahlung.
    Bernstein musizierte anders - offen, frei
    Schlagartig war Bernstein Amerikas Held des Taktstocks, der erste in den USA geborene Dirigent klassischer Musikkultur. Die Pultkarriere nahm Fahrt auf, sofort auch in Europa, von Mailand über Prag bis Wien. Aber noch herrschten am Pult die Diktatoren vom Schlage Toscaninis. Bernstein musizierte anders - offen, frei in seiner die Welt umarmenden Emotionalität, die die Menschen in ihren Bann zog.
    Leonard Bernstein komponierte die ernsten und poppigen Broadway-Musicals "Candide" oder "Wonderful Town", die legendäre "West Side Story", er hat ein knappes, doch intensives Musikwerk hinterlassen, drei Symphonien, poetische und religiöse Vokalwerke - Bekenntnismusik eines Künstlers, der die Menschen mit Hingabe liebte, und die ihn vehement zurückliebten. Der Charismatiker hat die Welt bereichert. Leonard Bernstein lebte und arbeitete, ein besessen kreativer Universalist der Musik, rücksichtslos sich selbst gegenüber.
    Als er, der seinem Körper Unmögliches abverlangt hatte, am 14. Oktober 1990 in New York starb, ging eine Epoche des vom Überschwang gezeichneten musikalischen Glücks zu Ende.
    "Ich finde, ich bin einer der glücklichsten Menschen auf der Welt, die ich je gesehen habe. Ich hatte nicht nur ein Leben, ich hatte mindestens fünf, und dafür bin ich sehr dankbar."