Der stockkonservative Colonel Nicholson aus "The Bridge on the River Kwai" von 1957 gehört bis heute zu Alec Guinness' bekanntesten Rollen. Damit verdiente er sich Oscar wie Adelstitel und stieg auf zum Weltstar. Guinness meisterte die Aufgabe, die Maske dieses arroganten, von Codes und Konventionen besessenen Offiziers aufzubrechen und einen Blick auf die dunklen Seiten des britischen Nationalcharakters zu werfen. Doch es war ihm schwergefallen, sich mit der Rolle anzufreunden.
"Ich fand die Rolle zunächst nicht sehr attraktiv und habe sie dreimal abgelehnt. Ich hatte Bedenken wegen der antibritischen Tendenzen des Films, das erforderte ein besonderes Fingerspitzengefühl. Die Figur des Colonel erschien mir außerdem zu holzschnittartig."
Regisseur David Lean vermochte dennoch, Alec Guinness umzustimmen, der nicht einmal seine Wunschbesetzung war. Die beiden kannten sich von den Dickens-Verfilmungen "Great Expectations" und "Oliver Twist" - Stoffe, die Guinness für die Bühne bearbeitet und bei deren Inszenierung er auch selbst gespielt hatte.
Dem am 2. April 1914 in London unehelich geborenen Alec Guinness de Cuffe lag die Schauspielerei im Blut. Nach der Schulzeit hatte er sich für einen Hungerlohn in einer Anzeigenagentur durchgeschlagen, bis er dem großen John Gielgud über den Weg lief. Der erkannte das unterkühlte Talent des Schauspieleleven und förderte ihn. Guinness blieb bis zum Kriegsausbruch der Gielgud-Truppe treu, trat aber auch bei der renommierten Old Vic Company auf und machte mit einem modernen "Hamlet" von sich reden. Der Durchbruch zum Film gelang Guinness erst nach dem Krieg als Komödienstar. Die schwarzen Komödien der Londoner Ealing Studios forderten seine besondere Begabung heraus, sich in die unterschiedlichsten Charaktere zu verwandeln. Unvergessen sein achtfacher Auftritt in "Kind Hearts and Coronets" ("Adel verpflichtet") von 1949. Spielend wechselte er vom jüngsten Spross der d'Ascoyne-Familie zum betagten Pfarrer Lord Henry, zur kämpferischen Suffragette Agatha oder zum Kriegsveteran General Lord Rufus d'Ascoyne, der von seinen Kriegsabenteuern in Südafrika zehrte.
"Ich schau mir meine Filme nicht an"
Alec Guinness gehört neben John Gielgud und Laurence Olivier zu den letzten einer großen britischen Schauspielergeneration. Anders als seine "heroischen" Kollegen war er ein "sparsamer" Schauspieler, der sich seinen Rollen anpasste, der mit der kleinsten Geste alles zu sagen verstand. Er war so unscheinbar, dass er für eine Rolle gelobt worden sein soll, die er gar nicht gespielt hatte. Der "Mann mit den 1000 Gesichtern" überzeugte als Hitler, Papst, Pater Brown, Fürst Feisal oder Jedi-Ritter Obi-Wan Kenobi. Der im Privatleben bescheidene, unauffällige Alec Guinness wollte als Schauspieler alles Mögliche sein, nur nicht er selbst.
"Ich schau mir meine Filme nicht an. Vielleicht einmal. Ich will mich da oben nicht sehen. Ich meide das Kino. Als Schauspieler hat man es schwer, weil dann die Erinnerungen an die Dreharbeiten hochkommen. Die schwierigen Momente. Objektiv kann ich dann nicht mehr sein."
Mit der Rolle des Obi-Wan Kenobi, dem heimlichen Star der Star-Wars-Trilogie, sicherte Alec Guinness seinen Lebensabend, aber glücklich wurde er damit nicht. Guinness soll Regisseur George Lucas beschworen haben, die Figur mit ihrem banalen Text aus der Welt zu schaffen. Aber vergeblich. Sein Ruf als "elder statesman" seiner Kunst blieb davon unberührt. Er spielte weiter mit Erfolg Theater und übernahm mit 65 zum ersten Mal eine Fernsehrolle als Meisterspion George Smiley. Alec Guinness starb am 5. August 2000 in Midhurst, West Sussex, nach einem langen Krebsleiden.