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Vor 100 Jahren geboren
Václav Neumann: Legendärer tschechischer Dirigent

Seiner Heimatstadt Prag war Václav Neumann eng verbunden. Hier leitete er lange die Tschechische Philharmonie. Auch in der DDR setzte er sich als Chefdirigent in Berlin und Leipzig für die Musik seiner Heimat ein. Bis die politischen Umbrüche von 1968 und 1989 in seine Biografie einschlugen.

Von Albrecht Dümling |
    Ein Foto zeigt Vaclav Neumann im Dezember 1989 beim Dirigieren der Tschechischen Philharmonie - zur Unterstützung des Prager Bürgerforums.
    Solidaritäts-Konzert für das Prager Bürgerforum: Václav Neumann, beim Dirigieren der Tschechischen Philharmonie im Dezember 1989 (dpa/picture alliance)
    "Das schlaue Füchslein": Die Janáček-Oper gehörte zu den Lieblingswerken des Dirigenten Václav Neumann. Als 1956 Walter Felsensteins Inszenierung an der Komischen Oper Berlin zum Sensationserfolg wurde, hatte Václav Neumann dirigiert. Ein fulminanter Auftakt, so Neumann später:
    "Wichtiger Anfang war die Komische Oper, weil der Felsenstein ein äußerst bedeutender Mann für die Opernregie war. Ich habe zum ersten Mal die Oper gemacht mit ihm." Nicht weniger als 215 Aufführungen des "Schlauen Füchsleins" sollte Neumann in den nächsten Jahren in Ost-Berlin leiten.
    Am 29. September 1920 in Prag geboren, hatte er dort ab 1940 am Konservatorium Musik studiert. Mit anderen Studenten gründete Václav Neumann 1941 in Prag ein Streichquartett, "die beste Schule für den zukünftigen Dirigenten" so Neumann."Ich habe nicht viele, aber sehr wichtige Werke ganz genau kennengelernt."
    Ein  Schwarz-Weiß-Porträt des  tschechischen Dirigenten  Vaclav Neumann im Januar 1967. Er war u.a. von 1964 bis 1968 Dirigent des Leipziger Gewandhausorchesters, von 1968 bis 1990 Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie in Prag. Vaclav Neumann wurde am 29. September 1920 in Prag geboren und ist am 2 September 1995 in Wien gestorben. | 
    Václav Neumann 1967 (dpa)
    Vom Bratscher zum Dirigenten
    Ab 1945 war er Mitglied der Tschechischen Philharmonie. "Ich habe noch zwei Jahre mitgespielt als Bratscher. Und dann aber kam diese Gelegenheit: Da hat uns der Rafael Kubelík verlassen." Und Neumann, "musste", wie er sagte, 1948 die Philharmonie übernehmen.
    Da Kubelík nach der kommunistischen Machtübernahme seine Heimat verließ, eröffnete sich für Neumann eine große Chance. Über Nacht wurde er als dessen Nachfolger zum Dirigenten. 1951 gastierte er in Dresden und wurde nach dem Verhältnis der beiden Nachbarländer befragt. "Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass die Deutsche Demokratische Republik allen Sympathien bei unserem Volke hat. Ich bin überzeugt, dass diese glückliche Entwicklung Deutschlands wirklich für die Zukunft der Welt eine Friedenskraft darstellt."
    Die DDR wurde für Václav Neumann ab 1956 zur zweiten Heimat. Chefdirigent der Komischen Oper blieb er bis 1960. Vier Jahre später ernannte ihn die Stadt Leipzig zum Gewandhauskapellmeister. Mit dem Gewandhausorchester dirigierte Neumann oft Werke von Gustav Mahler. Die größten Publikumserfolge erntete er aber mit den "Slawischen Tänzen" von Antonín Dvořák und dem Smetana-Zyklus "Mein Vaterland".
    Zwischen politischen Zäsuren
    1968 marschierten Truppen des Warschauer Pakts unter Beteiligung der DDR in Prag ein. Václav Neumann schrieb daraufhin dem Leipziger Oberbürgermeister, er könne hier unter diesen Umständen nicht mehr auftreten. In Prag verließ Karel Ančerl aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings die Tschechische Philharmonie. Neumann übernahm als dessen Nachfolger die Leitung des ihm vertrauten Orchesters. Er behielt dieses Amt, bis es 1989 erneut einen politischen Umbruch gab.
    Jetzt stellte Václav Neumann sich auf die Seite der Reformer um Václav Havel. 1991 erklärte er in Stuttgart:
    "Die Revolution war wirklich sehr sanft und sehr freundlich. Damals in einer Woche ist eigentlich das vorige Regime vollkommen verschwunden - weggeblasen."
    Verehrung für Smetana
    Václav Neumann blieb nicht länger Chef der Tschechischen Philharmonie. Jedoch ernannte ihn diese zu ihrem Ehrendirigenten. Nachdem er 1995 kurz vor seinem 75. Geburtstag gestorben war, erinnert in Leipzig sein Nachfolger Kurt Masur in einer Trauerrede an einen Musikerkollegen, der in Prag die politische Wende unterstützt und den Deutschen die Musik seiner Heimat nahegebracht hatte. Den Komponisten Bedřich Smetana hatte Neumann nicht nur als Begründer der tschechischen Musik, sondern auch als politischen Visionär verehrt, wie er sagte.
    Blick auf die Karlsbruecke, die Moldau und auf Teile der Prager Altstadt.
    Vor 145 Jahren uraufgeführt - "Die Moldau" – Grundstein der tschechischen Musikkultur
    Bedřich Smetana gilt als einer der bedeutendsten Komponisten Tschechiens. Doch zu seinen Lebzeiten war das Land noch Teil des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaats. Daraus resultierte ein Gefühl der Abhängigkeit, das sich auch in Smetanas berühmtestem Werk, "Die Moldau", niedergeschlagen hat.
    "Es ist interessant, so Neumann, "dass Smetana im Jahre '48 auf den Barrikaden in Prag gekämpft hat, so wie Richard Wagner in Dresden. Aus dieser Atmosphäre wächst auch der musikalische Zyklus Smetanas 'Mein Vaterland'." Über das Zum Schlussstück sagte er: "Blaník ist für uns die geniale Vision unserer tschechischen Zukunft in der Musik ausgedrückt."