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Vor 100 Jahren gegründet
"Das Junge Rheinland": mehr als Otto Dix und Max Ernst

Nach dem Motto "Wir sind viele" schlossen sich am 24. Februar 1919 Künstler, Schriftsteller, Architekten und Grafiker zum „Jungen Rheinland" zusammen, um ein offenes Forum für eine vielfältige und lebendige Kunstszene zu bieten. Die Geschichte des Künstlerbundes war wechselhaft und zeitweise turbulent.

Von Carmela Thiele |
    Das Triptychon "Der Krieg" von Otto Dix hängt am 04.04.2014 in Dresden in der Sonderausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen im Albertinum.
    Die Künstlervereinigung "Das Junge Deutschland" wollte ein Forum für Kreative, Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten bieten (picture alliance / dpa / Matthias Hiekel)
    Ihre Gesichter leuchten vage aus einer schwarzbraun-zerklüfteten Farbmasse hervor. Ein viel zu früh erwachsen gewordenes Mädchen hält einen Jungen an der Hand, in dessen starren Augen sich das Nichts spiegelt. Um sie herum nackte Erde, ein Schuppen und rauchende Schlote. Mathias Barz malte die "Proletarierkinder" 1926. Er war Mitglied der Künstlervereinigung "Das Junge Rheinland", die in ihren Ausstellungen zeigte, was vor der Weimarer Republik in Düsseldorf nicht salonfähig war: soziales Elend, das Grauen des Ersten Weltkriegs und abstrakte Avantgarde-Kunst. Der Kunsthistoriker Kay Heymer:
    "Es ist kein Verein oder keine Vereinigung gewesen, die ein ästhetisches Programm nach vorne bringen wollte, wie das vielleicht der 'Blaue Reiter' oder 'Die-Brücke'-Künstler wollten, die für eine ganz bestimmte Kunstrichtung eintraten. 'Das Junge Rheinland' wollte viele Künstler zusammenfassen, und die wollten ein Forum bieten für viele Künstler, Ausstellungsmöglichkeiten und nicht zuletzt Verkaufsmöglichkeiten schaffen."
    Mehr als 400 Mitglieder
    Gegründet wurde "Das Junge Rheinland" am 24. Februar 1919 von dem Schriftsteller Herbert Eulenburg, dem Maler Arthur Kaufmann und dem Illustrator Adolf Uzarski. Der mit einer Unterbrechung bis 1933 fortbestehende Verein zählte insgesamt mehr als 400 Mitglieder. Ihre Ziele richteten sich gegen die konservativen Kunsteliten, die 1912 die Sonderbund-Ausstellung in Düsseldorf verhindert hatten, aber auch gegen den allein die Moderne propagierenden Sonderbund selbst. Das "Junge Rheinland" forderte eine Art Grundrecht für Künstler auf Ausstellungsbeteiligungen. Bald nahm jedoch der Maler Gert Wollheim das Zepter in die Hand, der radikal sozialistische Töne anschlug.
    "Gert Wollheim kam 1920 aus einem längeren Studienaufenthalt zusammen mit Otto Pankok aus Ostfriesland nach Düsseldorf. Und er traf dort Johanna Ey, die legendäre Kunsthändlerin, und er hat sich sehr schnell im ‚Jungen Rheinland‘ etabliert und hatte eigentlich die programmatische Kontrolle übernommen. Er hat auch viele Vorträge gehalten, Texte publiziert und war politisch sehr engagiert. Er war sehr energiegeladen und nicht konfliktscheu und hat eigentlich das ‚Junge Rheinland‘ – man kann fast sagen - usurpiert."
    Die Sprengkraft der Kunst
    "Wir empfanden uns als Dynamit und wollten ganz Düsseldorf in die Luft sprengen", erinnert sich rückblickend Wollheims Freund Otto Pankok. Ein solcher Enthusiasmus galt vor allem für den Künstlerkreis um die Galeristin Johanna Ey, über den erst Max Ernst und dann Otto Dix zum "Jungen Rheinland" kamen.
    "Otto Dix war angetan von der Möglichkeit, in Düsseldorf Ausstellungen zu machen, wo seine Werke nicht zensiert wurden. Er hatte große Probleme mit der Zensur in Berlin oder in Stuttgart, wo Ausstellungen von ihm geschlossen wurden, weil seine Bildinhalte zu offensiv waren. Einerseits Kriegsdarstellungen, die sehr drastisch waren, aber auch eben seine erotischen Bilder."
    Heinrich Nauen, der als Zugeständnis an "Das Junge Rheinland" 1921 an die Kunstakademie berufen worden war, machte Otto Dix zu seinem Meisterschüler und verschaffte ihm damit ein Atelier. Erst in Düsseldorf sei Dix wirklich zum Künstler herangereift, sagt Kay Heymer. Auch Max Ernst profitierte vom sich wandelnden Kunstklima der Rheinmetropole, und Johanna Ey verkaufte seine Bilder sogar noch, als der Künstler bereits nach Paris gezogen war.
    Kampf für eine vielfältige Kunstszene
    Genauso wichtig war aber das "Junge Rheinland" für die heute weniger bekannten Mitglieder.
    "Und was wirklich das Faszinierende an der Geschichte ist, sind wirklich die Personen, die dort agieren. Und eben nicht nur die berühmten Stars wie Dix oder Max Ernst, sondern auch Leute wie Uzarski, was das für faszinierende Menschen waren, ist eigentlich sehr spannend. Und die haben immer ihr ganzes menschliches Kapital in die Auseinandersetzungen einfließen lassen."
    Adolf Uzarski verließ 1923 nach einem Streit mit Gert Wollheim "Das Junge Rheinland" und wechselte zur "Rheingruppe". Die wiederum stellte fünf Jahre später - unter dem Dach der "Rheinischen Sezession" - wieder zusammen mit dem "Jungen Rheinland" aus. Die treibende Kraft war erneut Uzarski, der nun endlich sein Ziel erfüllt sah, nämlich für alle offene Foren zu etablieren für eine vielfältige, lebendige Kunstszene.