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Vor 100 Jahren gestorben
Ernst Mach - der Schallgeschwindigkeit auf der Spur

Mach 1, Mach 2, Mach 3 – am bekanntesten ist Ernst Mach wegen der nach ihm benannten Mach-Zahl, der Maßeinheit für die Schall- und Überschallgeschwindigkeit. Doch das Interesse des österreichischen Physikers und Philosophen war noch sehr viel breiter gefächert - von der Physik über die Sinnesphysiologie und Psychologie bis hin zu Fragen der Bildungspolitik.

Von Irene Meichsner |
    Unterschiedliche Jagdgewehre
    Ernst Mach gelangen die ersten Hochgeschwindigkeitsfotografien von den Bahnen fliegender Projektile. (imago / Niehoff)
    "Er hat das betrieben, was wir heute Physik nennen. Er hat Sinnenphysiologie betrieben, er hat Psychologie betrieben, und er hat auf seine Weise philosophiert. Er hat von sich nicht behauptet, er wäre Philosoph. Er hat von sich behauptet, dass er offensichtlich ein sehr interessierter und breit angelegter Mensch sei."
    Für den Wiener Wissenschaftshistoriker Wolfgang Reiter war Ernst Mach einer der letzten Physiker, die noch für sich in Anspruch nehmen konnten, "in einem relativ umfassenden Sinne Naturforscher zu sein". Mach untersuchte die Phänomene mit penibler Gewissenhaftigkeit.
    "Mach 1", "Mach 2", "Mach 3" usw. - diese Maßeinheiten für die Schall- und Überschallgeschwindigkeit sind Ernst Mach zu verdanken. Den Anstoß dazu hatte der belgische Physiker Louis Melsens gegeben, als er 1881 bei einem Kongress in Paris die Vermutung äußerte, dass Schockwellen aus verdichteter Luft für die von Gewehrkugeln verursachten Schussverletzungen mitverantwortlich seien. Mach, seit 1867 Professor an der Universität Prag, beschloss, der Sache nachzugehen.
    "Mein alter Freund Peterin sagt mir, dass Sie geneigt wären, mich in Ausführung eines Versuches gütigst zu unterstützen, wofür ich Ihnen außerordentlich dankbar bin", schrieb Mach 1886 an Peter Salcher, Professor an der k.u.k. Marineakademie Fiume, dem heutigen Rijeka. Gemeinsam gelangen den beiden die ersten Hochgeschwindigkeitsfotografien von den Bahnen fliegender Projektile.
    "... welchem furchtbaren Zwecke diese Vorrichtungen dienen"
    Dem Forscher war dabei manchmal aber auch etwas beklommen zumute, wie er später bekannte.
    "Wer Gelegenheit hat, die heutigen Geschütze und Geschosse in der Gewalt und Präzision ihrer Wirkung kennen zu lernen, der muss gestehen, dass in diesen Objekten eine bedeutende technische und eine hohe wissenschaftliche Leistung verkörpert ist. Man kann sich diesem Eindruck so sehr hingeben, dass man zeitweilig ganz vergißt, welchem furchtbaren Zwecke diese Vorrichtungen dienen."
    Für seine Experimente zu den Bewegungsempfindungen und zum Gleichgewichtssinn setzte Mach Testpersonen auf einen Drehstuhl, der, so sein Biograf Dieter Hoffmann, "eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den modernen Trainingsgeräten für Kosmonauten" hatte.
    Ernst Mach wurde am 18. Februar 1838 in dem Dörfchen Chirlitz bei Brünn geboren. Er wuchs in einem liberalen Elternhaus auf, was vermutlich mit dazu beitrug, dass er später - eher ungewöhnlich für einen Universitätsprofessor in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie - mit der Sozialdemokratie sympathisierte. Machs wachsendes Interesse an der Analyse des Erkenntnisprozesses machte ihn zu einem Pionier der Wissenschaftstheorie. Friedrich Stadler, Professor für Wissenschaftsgeschichte und Philosophie an der Universität Wien:
    "Was Mach so modern macht, dass es nicht eine fundamentale Methodologie gibt, sondern dass das immer ein Prozess ist von Forschen, Erforschen, Entdecken und Experimentieren. Und dass die Theoriebildung sozusagen nachher erfolgt und auch bestätigt wird. Und nicht eine normative Wissenschaftstheorie vorgibt, wie sich die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu verhalten haben."
    1883 erschien Machs populärstes Buch, das schon zu seinen Lebzeiten sieben Auflagen erlebte: "Die Mechanik in ihrer Entwicklung". Es enthielt eine fundamentale Kritik an Isaac Newtons Vorstellung von Masse, Raum und Bewegung. 1895 wechselte Mach nach Wien auf eine neu geschaffene Professur für "Philosophie, insbesondere Geschichte der induktiven Wissenschaften". Drei Jahre später erlitt er einen schweren Schlaganfall, der ihn zur vorzeitigen Emeritierung zwang. Mach starb am 19. Februar 1916 in Vaterstetten bei München. Eines der schönsten Komplimente machte ihm Albert Einstein in einem Nachruf:
    "Bei Mach war die unmittelbare Freude am Sehen und Begreifen ... so stark vorherrschend, dass er bis ins hohe Alter hinein mit den neugierigen Augen des Kindes in die Welt guckte, um sich wunschlos am Verstehen der Zusammenhänge zu erfreuen."