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Vor 100 Jahren gestorben
Hedwig Dohm - Kämpferin für Frauenrechte

Sie war Vorbild von Simone de Beauvoir, Alice Schwarzer und Generationen von Feministinnen: Als Erste in Deutschland forderte Hedwig Dohm die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichberechtigung von Mann und Frau. Am 1. Juni 1919 ist sie gestorben.

Von Regina Kusch |
    Die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm in einem Gemälde aus dem Jahr 1894
    Nutzte ihre Prominenz, um politische Forderungen in linken und liberalen Zeitungen zu publizieren: Hedwig Dohm (picture alliance / akg-images)
    "Menschenrechte haben kein Geschlecht!"
    Mit Optimismus und Humor kämpfte Hedwig Dohm für die Gleichbehandlung der Geschlechter, in Zeiten, in denen es Frauen verboten war, sich politisch zu organisieren.
    "Weil die Frauen Kinder gebären, darum sollen sie keine politischen Rechte haben. Ich behaupte: weil die Männer keine Kinder gebären, darum sollen sie keine politischen Rechte haben und ich finde die eine Behauptung mindestens ebenso tiefsinnig wie die andere."
    Ihre Radikalität, mit der sie die Abschaffung der männlichen Privilegien verlangte, brachte ihr immer wieder Drohbriefe und Beleidigungen ein, so die Literaturwissenschaftlerin und Dohm-Biografin Isabel Rohner.
    "Hedwig Dohm forderte als Erste in Deutschland bereits 1873 die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Das ist eine Forderung, die bis heute nicht eingelöst ist. Das zeigt, wie visionär Hedwig Dohm war."
    Haushaltsarbeiten statt Schule
    Hedwig Dohm wurde 1831 als viertes von 18 Kindern des Berliner Tabakfabrikanten Gustav Schlesinger geboren. Während ihre Brüder das Gymnasium besuchten, musste sie schon früh die Schule verlassen und zu Hause im Haushalt mithelfen. Schließlich durfte sie ein Lehrerinnenseminar besuchen und absolvierte eine der wenigen Ausbildungen, die ledigen Frauen damals offenstand, um danach an einer Mädchenschule zu unterrichten.
    "Mädchenschulen waren furchtbar ausgestattet. Die Inhalte bezogen sich auf das Minimum an Lesen, Rechnen und Schreiben. Die damalige Frauenbewegung versuchte, Verbesserungen im Bildungssystem hinzukriegen, mit dem Ziel, dass Mädchen und Frauen nicht verhungern mussten, wenn sie niemanden fanden zum Heiraten. Das war Hedwig Dohm alles viel zu wenig."
    Die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm in einer Porträtaufnahme
    Hedwig Dohm forderte als Erste in Deutschland die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichberechtigung von Männern und Frauen (picture alliance/akg-images)
    Sie kritisierte, dass die bürgerliche Frauenbewegung nicht radikal genug für die freie Berufswahl und die Öffnung von Universitäten für Frauen eintrat. Ihr größtes Anliegen war der Kampf für das Frauenwahlrecht.
    "Glaube nicht, es muss so sein, weil es nie anders war. Unmöglichkeiten sind Ausflüchte für sterile Gehirne. Schaffe Möglichkeiten!"
    1853 heiratete sie Ernst Dohm, den Chefredakteur des politischen Satire-Magazins "Kladderadatsch", der als humorvoller Querdenker galt. Die beiden eröffneten in Schöneberg einen Literatursalon, der sich großer Beliebtheit erfreute. Isabel Rohner:
    "Die Dohms hatten kein Geld, aber sie waren ein interessantes intellektuelles Zentrum. Bei den Dohms ging wirklich ein und aus, was damals in Literatur und Politik und Journalismus Rang und Namen hatte: Theodor Fontane, Ferdinand Lasalle, Liszt. Plötzlich hatte Hedwig Dohm ein Umfeld, wo Wissen was zählte. Und sie hat angefangen, ihre fehlende Bildung akribisch nachzuholen."
    Mutter, Schriftstellerin, Theaterautorin, Frauenrechtlerin
    Mit Mitte 30 veröffentlichte sie eine 600 Seiten starke wissenschaftliche Abhandlung über die spanische Literaturgeschichte, erzog ihre fünf Kinder und machte sich einen Namen als Schriftstellerin und später als Theaterautorin. Ihre Prominenz nutzte sie, um ihre politischen Forderungen in linken und liberalen Zeitungen zu publizieren. Das trug ihr die Bezeichnung "Frauenrechtlerin" ein.
    "Hedwig Dohm hat das kritisiert: Sie sagte: Das ist ein antisemitisches Wort, was sich die Gegner der Frauenemanzipation ausgedacht haben, in Anlehnung an diese ganzen antisemitischen Wörter, die gang und gäbe waren wie 'journalisteln'. Mit dem Wort Frauenrechtlerin wollten die Gegner der Frauenemanzipation Frauen lächerlich machen: Sie ‚rechteln‘ halt nur. Und sie hat die Leute, die sie so nennen, Herrenrechtler genannt."
    Als kompromisslose Pazifistin verurteilte Hedwig Dohm in ihren Schriften, dass sich viele Feministinnen von der Euphorie des Ersten Weltkrieges mitreißen ließen. Sie verlor zwei Enkelsöhne auf dem Schlachtfeld, ihr kämpferischer Optimismus verließ sie. Auch wenn sie im Januar 1919 die ersten Reichstagswahlen, an denen Frauen teilnehmen durften, noch erlebte, bedauerte sie, dass dieses Grundrecht erst so spät umgesetzt wurde.
    "Ich bin des Glaubens, dass die eigentliche Geschichte der Menschheit erst beginnt, wenn der letzte Sklave befreit ist, wenn das Privilegium der Männer auf Bildung und Erwerb abgeschafft, wenn die Frauen aufhören, eine unterworfene Menschenklasse zu sein."
    Hedwig Dohm starb am 1. Juni 1919. Ihr Grab wurde knapp 100 Jahre später zur Ehrengrabstätte der Stadt Berlin erklärt.