Es war eine Sensation, als am 24. März 1921 rund 100 Frauen in Monte Carlo zu den ersten olympischen Frauenspielen antraten. Im Garten des Casinos, direkt oberhalb des Meeres, wo sonst auf Tontauben geschossen wurde, hatte der Internationale Sport Club von Monaco den Rasen für zehn Leichtathletikwettbewerbe vorbereitet. Für Hoch- und Weitsprung waren Sandgruben angelegt worden, mit Kalk hatten die Veranstalter Laufbahnen aufgezeichnet und Abwurfkreise und -linien für das Kugelstoßen und den Speerwurf markiert.
Alice Milliat - "eine ganz starke Frau"
Treibende Kraft bei der Organisation war die Französin Alice Milliat gewesen. "Eine ganz starke Frau im wahrsten Sinne des Wortes, die da sehr früh aktiv war, sagt der Sporthistoriker Ansgar Molzberger von der Deutschen Sporthochschule Köln:
Ursprünglich Lehrerin, später dann auch Übersetzerin, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg erste Strukturen schafft. Sportclub gründet, die sich pro Fußball engagiert, die sich pro Leichtathletik für Frauen engagiert, und die dann nach dem Ersten Weltkrieg eben diese Strukturen professionalisiert und international ausweitet."
Unermüdliche Kämpferin für Gleichberechtigung
Alice Milliat ruderte, schwamm und spielte Hockey. Sie war 1917 maßgeblich an der Gründung eines nationalen französischen Frauensportverbandes beteiligt. Die unermüdliche Kämpferin für Gleichberechtigung hatte immer wieder die Zulassung von Frauen bei allen Wettkämpfen der Olympischen Spiele gefordert. Doch das war mit den Herren des Internationalen Olympischen Komitees nicht zu machen. Der Gründervater der modernen Spiele Pierre de Coubertin hatte weibliche Athleten rigoros abgelehnt: "Die olympischen Spiele müssen den Männern vorbehalten sein. Die Rolle der Frauen ist es, die Sieger zu krönen."
Es war damals die Meinung der meisten Sportfunktionäre. Viele Mediziner und Psychologen behaupteten, der sportliche Wettbewerb gefährde die Gebärfähigkeit und warnten vor einer Vermännlichung.
Dennoch wurden ab 1900 bei Olympia einige Frauen geduldet, beim Tennis und Golfen etwa oder beim Bogenschießen, in züchtigen bodenlangen Röcken, versteht sich.
"Der Kampf gebührt dem Manne"
Bei den leichtathletischen Kern-Wettbewerben der Spiele aber war erstmal nichts zu machen. Leichtathletik galt als Kampfsport, bei dem weibliche Anmut und Grazie angeblich verschwanden:
"Der Kampf gebührt dem Manne, der Natur des Weibes ist er wesensfremd. Darum weg mit den Damen-Leichtathletikmeisterschaften."
Erklärte denn auch der deutsche Zehnkämpfer Karl Ritter von Halt. Als sich die Herren Funktionäre im Vorfeld der Olympiade in Antwerpen 1920 weiterhin weigerten, den Frauen die Teilnahme an olympischen Leichtathletik-Wettbewerben zu gestatten, organisierte Alice Milliat zusammen mit der Präsidentin des Internationalen Sport Clubs von Monaco Camille Blanc eigene olympische Frauenspiele. Sie fanden erstmals vom 24. bis 31. März 1921 in Monte Carlo statt. Dazu Sporthistoriker Ansgar Molzberger:
"Wir wissen, es gab Teilnehmerinnen aus Frankreich, Großbritannien, aus der Schweiz kamen ein paar Athletinnen, Italien war, glaube ich, auch dabei, aber es war noch kein großes, umfassendes Fest, ihm wird eher ein Lokalcharakter zugeschrieben."
Die Leistungen überzeugten
Doch die jungen Sportlerinnen, die beim Laufen, Springen und Werfen in bequemen kurzen Hosen antraten, überzeugten mit ihren Leistungen und sorgten für große Aufmerksamkeit. Für jede Teilnehmerin hatten die Organisatorinnen eine Gedenkmedaille prägen lassen. Am Ende gab es noch ein Basketballspiel, und eine Gruppe junger Frauen demonstrierte in "fließenden arm- und beinlosen Tunikas", wie es in einer Bildunterschrift hieß, "anmutige Übungen in tänzerischer Gymnastik."
Nach dem durchschlagenden Erfolg des Pilotprojektes wurden ab 1922 alle vier Jahre Olympische Frauenspiele durchgeführt. Sie wurden zu einem "Konkurrenzprodukt" der Olympischen Spiele, sagt Ansgar Molzberger: "Nicht ganz so groß wie die Olympischen Spiele, aber so erheblich groß, dass es den Herren insbesondere der olympischen Bewegung sehr auffällt, und man merkt, wir müssen uns darum kümmern."
Skispringen bis 2014 Männern vorbehalten
Die Herren der olympischen Ringe und die Funktionäre des internationalen Leichtathletikverbandes nahmen Verhandlungen auf. Sie verlangten die Streichung des Begriffs "olympisch" aus dem Titel der Frauenspiele und im Gegenzug erlaubten sie Frauen bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam die Teilnahme an fünf Leichtathletik-Wettbewerben.
Aber erst 2014, bei den Spielen im russischen Sotschi, eroberten die Frauen auch die letzte olympische Männerdomäne und durften im Skispringen an den Start gehen.
Aber erst 2014, bei den Spielen im russischen Sotschi, eroberten die Frauen auch die letzte olympische Männerdomäne und durften im Skispringen an den Start gehen.