Hinweis: In den historischen Zitaten des Beitrags wird mehrfach das N-Wort verwendet. Wir haben es durch "N****" ersetzt. Wir verwenden "N****", um die historische Situation mit zeitgenössischen Zitaten zu beschreiben.
"Rassenkrawall hier im Gange. Mehrere getötet. Können Situation nicht kontrollieren." - Das telegrafierte ein Offizier der Nationalgarde in Tulsa, Oklahoma, am 1. Juni 1921 gegen zwei Uhr nachts an den Gouverneur des Staates. In Tulsa wurde geschossen, von beiden Seiten der Bahngleise, die das schwarze Viertel Greenwood begrenzten. Einige Häuser brannten. Tausende Weiße sammelten sich in den Straßen.
Um fünf Uhr erscholl ein lauter Pfeifton, und die bewaffnete Masse stürmte johlend nach Greenwood hinein. Von einem Getreidesilo herab feuerte ein Maschinengewehr. Ein Überlebender berichtete, er habe Männer und Frauen um ihr Leben laufen sehen, "während weiße Männer ihnen zu hunderten nachjagten." Ein anderer beschrieb, wie plötzlich Flugzeuge tief über die Menge flogen: Ich hörte einen Schrei von den Frauen: ‚Passt auf die Flugzeuge auf, sie schießen auf uns'."
Die Nationalgarde wähnte sich im Krieg
Die Angreifer plünderten die Häuser und legten dann Feuer, und die Polizei machte dabei mit. Die Nationalgardisten wähnten sich im Krieg – gegen die schwarzen Bürger von Tulsa. Auf einem Hügel standen Gaffer und machten Fotos. Ein Augenzeuge berichtete: "Etliche N**** waren an Autos gebunden und wurden durch die Straßen geschleift, während Kugeln in ihre Körper geschossen wurden."
Eine Eruption rassistischer Gewalt
Seit dem Weltkrieg hatten die USA eine Eruption rassistischer Gewalt erlebt, mit grausamen Lynchmorden, blutigen Pogromen und Verwüstung schwarzer Wohnviertel. Die Auslöser waren unterschiedlich, zugrunde lag eine dumpfe Wut, genährt von afroamerikanischen Forderungen nach Gleichbehandlung, dem Zuzug schwarzer Landarbeiter in die Industriestädte und dem Wohlstand einer schwarzen Oberschicht.
Sozialneid als Trigger des Massakers
So auch in Tulsa, damals die boomende Metropole der Erdölindustrie, wo sich die 10.000 schwarzen Einwohner in Greenwood ihre eigene prosperierende Stadt geschaffen hatten. Ein Überlebender berichtete von Plünderern, die aus Häusern kamen und fluchten: "Diese verdammten N**** haben bessere Sachen als viele Weiße", erinnerte sich ein Zeuge des Überfalls, und eine weiße Postille nannte ganz offen "N**** mit Geld" als einen Grund für das Massaker.
In der rassistischen Propaganda aber war die zentrale Rechtfertigung von Gewalt der Mythos von der permanenten Bedrohung weißer Frauen durch schwarze Männer. Keine Anschuldigung setzte schneller einen Lynchmob in Gang. Der Funke in Tulsa war eine Zeitungsmeldung am 31. Mai:
"Ein N**** wurde heute morgen verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, er habe versucht, sich an der 17-jährigen weißen Aufzugführerin im Drexel-Gebäude zu vergehen. Sie gibt an, er habe den Aufzug betreten und sie angegriffen, sie an den Händen und im Gesicht gekratzt und ihre Kleider zerrissen."
Am Abend belagerten hunderte aufgebrachte Weiße das Bezirksgericht, wo der angebliche Täter in einer Arrestzelle saß. Rufe waren zu hören: "Bringt das Seil! Holt euch den N****!"
Eine Wüste aus Schutt - und Leichen
Der Sheriff verbarrikadierte sich mit einigen Beamten im Zellentrakt und befahl, auf Eindringlinge zu schießen. In Greenwood waren viele entschlossen, einen Lynchmord zu verhindern. Als Warnung fuhr eine Gruppe von Afroamerikanern mit Waffen in der Hand zum Gerichtsgebäude. Ein Weißer wurde handgreiflich, ein Schuss fiel - die Katastrophe hatte begonnen. Am Mittag des 1. Juni war Greenwood eine Wüste aus Schutt und verkohlten Mauerresten. Einige Häuser brannten noch, auf den Straßen lagen Leichen. Die Zahl der Todesopfer wird heute auf dreihundert geschätzt.
Kein Weißer wurde für das Massaker bestraft
"Was wird Amerika nach einem solch furchtbaren Blutbad tun? Wie lange noch wird Amerika diese Pogrome ungehindert geschehen lassen?", fragte der Bürgerrechtler Walter White. Kein Weißer wurde für das Massaker von Tulsa bestraft. In den Einsatzberichten der Nationalgarde verkehrte sich der Angriff auf Greenwood in einen "N****aufstand". Die Täter waren stolz auf ihr Verbrechen. Man konnte Fotos von Leichen als Ansichtskarten kaufen und der Ku-Klux-Klan gewann 3.000 neue Mitglieder in der Stadt.
Über mögliche Reparationen wird bis heute gestritten
Lange wurde über das Geschehen geschwiegen. In den 70er-Jahren begannen Überlebende, ihre Geschichten zu erzählen. 1997 setzte der Staat Oklahoma eine Historikerkommission ein, die in ihrem Bericht Reparationen empfahl - darum wird bis heute gestritten. Seit Jahren wird nach Gräbern von Opfern gesucht. Das Massaker von Tulsa ist bis heute nicht aufgearbeitet.