Eine Familie steht auf einem riesigen Soldatenfriedhof, in den Wolken sieht man die Reiter der Apokalypse verschwinden. Mit diesem mystischen Bild endet der Film. Als der Abspann beginnt, tobt das Publikum vor Begeisterung - das Magazin "Life" schreibt:
"Der Film ist eine Antwort auf diejenigen, die sich immer noch weigern, Kinofilme ernst zu nehmen. Die Inszenierung hebt das Stummfilmdrama auf eine künstlerische Ebene, die es nie zuvor berührt hat."
"Der Film ist eine Antwort auf diejenigen, die sich immer noch weigern, Kinofilme ernst zu nehmen. Die Inszenierung hebt das Stummfilmdrama auf eine künstlerische Ebene, die es nie zuvor berührt hat."
"Der erste wirklich globale Blockbuster"
Die Uraufführung des amerikanischen Weltkriegs-Epos "Die vier Reiter der Apokalypse" am 6. März 1921 in New York wird ein Welterfolg: "Es ist der erste wirklich globale Blockbuster," so die Filmwissenschaftlerin Ursula von Keitz. Der Film trifft weltweit einen Nerv, weil er auf ganz neue Art nicht nur vom Krieg, sondern auch von Geschlechterrollen erzählt. Metro Pictures ist mit der teuren Großproduktion ein hohes Risiko eingegangen.
Auch, weil man kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zweifelt, ob das Publikum Kriegsfilme überhaupt noch sehen will. Dass es trotzdem gelingt, ist allein der Hartnäckigkeit einer Frau zu verdanken - June Mathis. Sie leitet die Drehbuch-Abteilung des Filmstudios. Nichts Ungewöhnliches in der Stummfilmzeit, in der die Script-Departments oft vollständig weiblich besetzt sind.
Mathis dringt 1920 darauf, den als unverfilmbar geltenden Bestseller "Die vier Reiter der Apokalypse" des spanischen Schriftstellers Vicente Blasco Ibáñez zu verfilmen. Die komplexe Familien-Saga erzählt von zwei argentinischen Schwestern, die mit ihren Ehemännern in deren frühere Heimat – nach Frankreich und Deutschland – ziehen: Das fatale dabei ist, sagt Ursula von Keitz: "dass die beiden Schwiegersöhne nach Europa zurückkehren, wo sie in eine komplett konflikthafte Lage kommen."
Der Durchbruch für Rex Ingram und Rudolph Valentino
Der Erste Weltkrieg bricht aus, die Söhne, Julio und sein deutscher Cousin, kämpfen auf verschiedenen Seiten der Front. June Mathis setzt für die Verfilmung des Antikriegsromans den kaum bekannten Rex Ingram als Regisseur durch. Der irische Einwanderer, der nach abgebrochenem Bildhauer-Studium als Kulissen-Bildner und Autor zum Film gekommen war, hat als Regisseur mit ausgefeilter Bildgestaltung von sich reden gemacht.
Außerdem besteht Mathis darauf, einem jungen, aus Italien eingewanderten Kleindarsteller, den sie zufällig in einem Film entdeckt hat, die Hauptrolle des Julio zu geben: Rudolph Valentino. Auch Rex Ingram erkennt das Potential dieses sanft, aber leidenschaftlich wirkenden Mannes und setzt ihn im Film in Szene, wie es bisher Frauen vorbehalten war, so Ursula von Keitz:
"Das ist sozusagen das Ausstellen von Schönheit, das Ausstellen von reiner Blicklust. Und genau in diesem Feld erscheint nun plötzlich Rudolph Valentino als ein männlicher Körper, der all das sozusagen unterläuft, was ein männlicher Kinokörper sonst ist."
"Das ist sozusagen das Ausstellen von Schönheit, das Ausstellen von reiner Blicklust. Und genau in diesem Feld erscheint nun plötzlich Rudolph Valentino als ein männlicher Körper, der all das sozusagen unterläuft, was ein männlicher Kinokörper sonst ist."
Für Valentino wird eine Tango-Szene eingebaut
Valentino hat zuvor als Gigolo gearbeitet, für ihn wird eine Tango-Szene eingebaut, die Filmgeschichte schreibt. Die Rolle des sensiblen Julio, den nicht der Kampf, sondern die Liebe interessiert, macht ihn zum Superstar.
Das Filmepos, in dem immer wieder die apokalyptischen Reiter als Schreckenssymbol des Krieges auftauchen, gilt als früher Antikriegsfilm. Aber das ist er nur bedingt – den Kampf gegen die brutalen deutschen Besatzer in Frankreich erlebt man hier als gerechte Notwehr. Aber vom klassischen Heldentum hat sich der Film, der den modernen Krieg am Ende als maschinelles Töten zeigt, weit entfernt, sagt Ursula von Keitz. "Deshalb ist der Film insoweit ein Novum, als es nicht mehr um Kampf und Ehre geht. Und das heißt, das Heroentum als männliche Bewährung - das ist völlig obsolet."
Bemerkenswert ist auch eine Szene, die ebenfalls mit traditionellen Männerrollen bricht und die später gestrichen wurde: Ein deutscher Soldat tanzt in Frauenkleidern: Für Ursula von Keitz bedeutet das: "Queer-Lektüren bis hin zu, wir haben auch andere Männer, heißt das ja auch übersetzt, sind damals möglich."
Der Film ist mit solchen Szenen sichtlich ein Produkt der experimentierfreudigen frühen 20er-Jahre - bald danach werden solche Szenen, die radikal Geschlechterbilder infrage stellen, in Hollywood kaum noch möglich sein. Ingram gelingt es, die disparaten Teile des Films, die von aufwändigen Kampf- bis zu erotischen Tanzszenen reichen, dramaturgisch zusammenzuführen und Mathis detaillierte Handlungsentwürfe in poetische Bilder umzusetzen. "Die vier Reiter der Apokalypse" wird einer der erfolgreichsten Filme der Stummfilmzeit und Ingram zu einem der Top-Regisseure - bis er Hollywood Mitte der 20er-Jahre desillusioniert verlässt. Heute sind Rex Ingram und June Mathis, die nach dem Film zur mächtigsten Frau Hollywoods aufsteigt, nahezu vergessen.