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Vor 100 Jahren
Verkündung des NSDAP-Parteiprogramms

Am 24. Februar 1920 verliest Adolf Hitler im Münchener Hofbräuhaus erstmals das Parteiprogramm seiner Deutschen Arbeiterpartei. In den folgenden Jahren wird dieses Datum zum festen Parteitag der Nationalsozialisten und mit der Machtergreifung 1933 auch Teil eines Gründungsmythos.

Von Bernd Ulrich |
    Adolf Hitler bei einem Parteitag der NSDAP 1925 in München, links von ihm Alfred Rosenberg, rechts Georg Strasser und Heinrich Himmler
    Das Parteiprogramm von 1920 diente nahezu unverändert als politische Grundlage der Nationalsozialisten (Ann Ronan Picture Library)
    "Das Jahr 1920, das die Proklamation unseres Programms bringt, zum ersten Mal eine größere Versammlung. Und unsere Bewegung, die wuchs dabei, wurde stärker und stärker", so Adolf Hitler 1935 bei einer Rede in München. Gemeint war eine Veranstaltung der "Deutschen Arbeiterpartei", der DAP, die 15 Jahre zuvor stattgefunden hatte. Am Abend des 24. Februar 1920 hatte Hitler im Festsaal des Münchner Hofbräuhauses damit begonnen, ein 25 Punkte umfassendes Parteiprogramm zu verlesen. Allerdings war das kein einmaliger Vorgang. Denn auch auf weiteren Versammlungen gab es Abstimmungen über das Programm. Nach 1933 aber wurde der 24. Februar alljährlich und, da er sich mit der Umbenennung der DAP in "Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei" verband, als Gründungsparteitag der NS-Bewegung inszeniert - so etwa auch 1937:
    "Der 24. Februar ist für uns immer ein tiefer Erinnerungstag. Für die Bewegung begann an diesem Tag, aus diesem Saal, der staunenswerte Siegeszug, der sie an die Spitze des Reiches zur Führung der Nation und damit zur Gestalterin des deutschen Schicksals machte."
    Der Parteitag 1920 wird zum Gründungsmythos
    Aber daran war allenfalls ein Körnchen Wahrheit. Gewiss – an jenem Februartag kamen erstmals nahezu 2000 Menschen zu einer Veranstaltung der DAP. Ein Erfolg, an dem Hitler seinen Anteil hatte. Er war zu diesem Zeitpunkt immer noch Gefreiter des alten Heeres und gehörte einer kleinen Abteilung an, die sich der "antibolschewistischen Agitation" widmete. Der DAP war Hitler als politisierter Soldat zur Verfügung gestellt worden, hatte schnell Gefallen an der Gruppe gefunden und eine gewisse lokale Popularität erlangt. Das recht schlicht gehaltene Werbeplakat, mit dem die Versammlung am 24. Februar angekündigt wurde, verlor darüber kein Wort:
    "An das notleidende Volk!/ Großer öffentlicher Vortrag am Dienstag, den 24. Februar 1920, abends 7 Uhr im großen Saale des Hofbräuhauses / Thema: WAS NOT TUT! / Redner: Dr. med. Johannes Dingfelder."
    Weder die Verkündung eines Parteiprogramms noch gar Hitler selbst, der an diesem Abend immerhin den Vorsitz hatte, wurden auch nur genannt. Im Mittelpunkt stand vielmehr eine eher harmlose Ansprache des in München bekannten Arztes und völkischen Wanderredners Johannes Dingfelder. Der Bericht eines Spitzels für den Münchener Polizei-Nachrichtendienst meldet:
    "Die Ausführungen des Referenten waren durchaus sachlich und oft von tiefem religiösem Geist getragen. Als der Redner sagt, daß nur Gott allein unser bester Bundesgenosse ist, erntet er reichen Beifall. Das Wort Jude nimmt er nie in den Mund."
    Adolf Hitler 1931 in München, umgeben von salutierenden SA-Mitgliedern
    In München beginnt Hitlers politischer Aufstieg in den 1920er-Jahren. (AP)
    Antisemitismus und Rassenhass
    Wie antisemitisch manche im Publikum und vor allem Hitler selbst waren, zeigt sich jedoch spätestens als er damit begann, das Programm zu verlesen. Wer es entworfen hat, kann bis heute nicht eindeutig geklärt werden. Auf keinen Fall ist Hitler der alleinige Verfasser gewesen. Der Polizeispitzel schreibt:
    "Während der Verlesung des Programms kam es von der Gegenseite oft zu Zwischenrufen. Es herrschte oftmals ein großer Tumult, so daß ich glaubte, jeden Augenblick kommt es zu Schlägereien."
    Im Punkt 4 des Programms, quasi in Vorwegname der "Nürnberger Gesetze" von 1935, heißt es zum Beispiel:
    "Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein."
    Zwar unterschieden sich viele der im 25 Punkte Programm erhobenen Forderungen kaum von denen anderer völkisch-antisemitischer Gruppierungen der damaligen Nachkriegszeit. Aber dass einige der 1920 verkündeten Grundsätze zu sogenannten Gesetzen und Maßnahmen der späteren Terrorherrschaft wurden, ist unübersehbar. Dazu gehörten in erster Linie all jene Bestimmungen, die sich gegen eine freie Presse richteten und vor allem jene, die auf die Unterdrückung und "Ausweisung" von Juden aus dem "Volkskörper" abzielten. Hitler war das klar, als er am 24. Februar 1941 vor "alten Kämpfern" erklärte:
    "Ein seltener Fall, dass ein Mann 21 Jahre das Gleiche predigen und auch das Gleiche verwirklichen durfte, ohne sich auch nur einmal von seinem früheren Programm entfernen zu müssen."