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Vor 125 Jahren
Der Maler Otto Dix wurde geboren

Otto Dix war der bedeutendste Maler der Neuen Sachlichkeit der 20er-Jahre: ein dem Realismus verpflichteter Chronist der sozialen und politischen Verhältnisse seiner Zeit. Vor allem die Leiden des Krieges, das Abgründige und Abstoßende, machte er zum Gegenstand seiner von stilistischer Vielfalt geprägten Kunst.

Von Thomas Zenke |
    Eine Besucherin sieht sich im Kunstmuseum in Stuttgart das "Selbstporträt mit Palette vor rotem Vorhang" des Malers Otto Dix aus dem Jahre 1942 an.
    Das "Selbstporträt mit Palette vor rotem Vorhang" aus dem Jahr 1942 zeigt den Maler Otto Dix. (picture alliance / dpa / Bernd Weißbrod)
    "Sie ist nur noch ein Schatten. Ihr Blick wie erloschen. Syphilitische Flecken im Gesicht; starker Haarausfall. ... Hinter ihr der Soldat. Er starrt uns entgeistert an … eine Gesichtshälfte ist vom Ohr bis zum Mund aufgerissen; die klaffende Spalte gleicht einer Vulva: Er ist ein entmannter Mann."
    "Dirne und Kriegsverletzter", Tuschzeichnung von Otto Dix, entstanden 1923.
    Otto Dix wird am 2. Dezember 1891 in der Nähe von Gera geboren. Sein Vater ist Facharbeiter, aktiver Sozialdemokrat; seine Mutter Näherin. Dix besucht die Kunstgewerbeschule in Dresden. Er studiert die Alten Meister in der Gemäldegalerie und setzt sich mit der Avantgarde auseinander. All das führt zu einem "Stilpluralismus"; er prägt Dix’ facettenreiche Kunst.
    Die Kriegserlebnisse künstlerisch bannen
    Am 22. August 1914 wird er eingezogen; der Erste Weltkrieg ist drei Wochen alt. Man müsse, so Dix im Rückblick, den Menschen "in diesem entfesselten Zustand gesehen haben, um etwas über den Menschen zu wissen".
    Kurz vor Weihnachten 1918 wird Dix aus dem Kriegsdienst entlassen. Er will das Erlebte künstlerisch bannen, um es sich, so Max Liebermann, "von der Seele zu wälzen". Und er arbeitet gegen das allgemeine Vergessen an, demontiert vor allem die Heroisierung des Frontsoldaten, die "Dolchstoßlegende". Neben dem meisterhaften Radierzyklus "Der Krieg" ist das gleichnamige Dresdner Triptychon Otto Dix’ Memento: eine Art Passion, aber ohne den Trost der Erlösung.
    "Der linke Flügel: Eine Militär-Kolonne rückt im Morgengrauen aus. Die zentrale Tafel: Ruinen, Tote, blutiger Schlamm. In der linken Bildhälfte ein Soldat mit Gasmaske. Über ihm ein auf verbogenen Stahlträgern aufgespießter zerfetzter Leichnam; sein ausgestreckter knorriger Finger zeigt auf die in den düsteren Himmel gestreckten von Granaten durchlöcherten Beine eines Gefallenen. Rechter Flügel: Das brandrote Inferno im Rücken schleppt ein geisterhaft-bleicher Überlebender ein blutgetränktes Bündel, seinen Kameraden; er fixiert uns grimmig: offensichtlich ein Selbstbild von Dix. Schließlich die Pedrella: Im Unterstand schlafende Landser."
    Provokative Sittenbilder der fiebrigen 20er-Jahre
    Bis der Weckruf zu erneutem Aufbruch erschallt. Dix vollendet sein Triptychon "Der Krieg" ein Jahr vor Hitlers Machtergreifung. Dix malt und radiert auch provokative Sittenbilder der fiebrigen 20er-Jahre. Sie spalten die Öffentlichkeit wie das Gemälde "Lustmord". Auch Dix’ Porträts ist die gesellschaftliche Rolle eingeschrieben. Er malt z.B. die 26-jährige Anita Berber, eine Ikone des Nachtlebens:
    "Er hüllt sie hautnah in ein rotes Kleid, modelliert ihre Brüste, den Bauch und in einem aufreizenden Faltenwurf den Schoß. Der rechte Arm ist lässig auf die Hüfte gestützt, der linke schmiegt sich schlangenartig an den Körper. Das Gesicht dagegen ist kalkweiß wie versteinert. Die Augen tiefliegend. Der Blick vom Betrachter weg ins Leere gerichtet."
    Diffamierung durch die Nazis
    Von einer "bitteren Maske" sprach der junge Klaus Mann, als er Anita Berber begegnete. Diese Ambivalenz zwischen Lebensgier und Weltverlorenheit ist das Thema des berühmten Porträts. Otto Dix ist einer der ersten Künstler, die von den Nazis diffamiert und deren Werke in sogenannten Säuberungsaktionen aus Galerien entfernt werden. In der Münchener Ausstellung "Entartete Kunst" von 1937 hängen u.a. seine Ölbilder "Kriegskrüppel" und "Schützengraben".
    Er verliert 1933 seine Professur an der Dresdner Akademie, die er seit 1927 innehat. Er geht in die "innere Emigration" und zieht an den Bodensee. In seinem Spätwerk malt er altmeisterlich allegorische oder religiöse Sujets – auch expressionistische Landschaften, in denen aufziehende Gewitter von Unheil künden. Otto Dix stirbt 1969.