Diese Aufnahme von Enrico Caruso von 1904 ist eines der ältesten Tondokumente aus der Geschichte der New Yorker Carnegie Hall. Der im Stil der italienischen Renaissance gehaltene Ziegelsteinbau wurde am 5. Mai 1891 eröffnet. Seine Existenz ist dem Großindustriellen Andrew Carnegie zu verdanken. Der Leiter der New Yorker Philharmoniker Walter Damrosch hatte den millionenschweren Mäzen davon überzeugt, dass sein Orchester ein ständiges Zuhause brauchte. Bei der Premiere erlebte das Publikum für zwei Dollar Eintritt Tschaikowsky als Dirigenten. Arthur Rubinstein und Yehudi Menuhin feierten hier ihren Durchbruch, Leonard Bernstein gab sein Debüt.
Für Benny Goodman war der Auftritt die Anerkennung seiner Musik
Schon 1912 öffnete sich die ehrwürdige Hall mit einem Ragtime-Konzert für den Jazz: Benny Goodman, Louis Armstrong, Duke Ellington und Miles Davis waren unter den vielen Prominenten, die bis heute folgten. Gino Francesconi, Leiter des Carnegie-Hall-Museums:
"The 1938 concert … Der Goodman-Auftritt 1938 war eines der ersten Konzerte, wo sich das Publikum hinsetzte, um Swing zu hören und nicht, um dazu zu tanzen. Benny Goodmans Tochter hat mir erzählt, dass dieser Auftritt für ihren Vater die Anerkennung seiner Musik bedeutete. … having it here legitimized what it was that he did."
Obwohl die Carnegie Hall vor allem als Konzertsaal gedacht war, fanden dort von Beginn an die unterschiedlichsten Veranstaltungen statt. Mark Twain hielt auf der Bühne des legendären Hauses ebenso einen Vortrag wie Winston Churchill und Albert Einstein. Präsident Wilson warb 1919 für den Versailler Friedensvertrag. Suffragetten kämpften für das Frauenwahlrecht und Sozialisten prangerten die Auswüchse des Kapitalismus an. Auch Rassentrennung kannte man in der Carnegie Hall nicht.
"There were also civic leaders who spoke here ... Einige bekannte Bürgerrechtler haben hier gesprochen – wie Martin Luther King und Jesse Jackson. Alle politischen Richtungen waren vertreten. Es gab nie eine Vorgabe, wonach jemand außen vor gelassen wurde, weil man seine Ansichten nicht teilte. … stay out, we don´t like your politics."
1963 waren die Beatles hier
Anfang der Sechzigerjahre eroberten – trotz vereinzelter Proteste – auch Pop- und Rockstars den Saal. 1963 standen die Beatles bei ihrem ersten USA-Besuch auf der Bühne. Für Folkkünstler war die Intimität der Konzerthalle ebenso ideal wie für die großen Namen des Showbizz – von Liza Minelli bis zu Frank Sinatra.
Die ursprünglich sechs Etagen des Gebäudes wurden im Laufe der Jahre immer wieder aufgestockt. Noch bis 2010 waren unter dem Dach Studios an Künstler vermietet. Agnes de Mille schrieb dort die Choreographie für das Musical "Oklahoma". Die Sammlung einer Bewohnerin, der deutschen Malerin Hilla von Rebay, legte den Grundstein für das heutige Guggenheim-Museum.
In Gefahr geriet der Musentempel nur einmal. 1960 zogen die New Yorker Philharmoniker aus ihrem langjährigen Stammhaus in das gerade entstehende Lincoln Center um. Vor allem dem Geiger Isaac Stern ist es zu verdanken, dass die Carnegie Hall dennoch keinem Wolkenkratzer weichen musste und später von der Stadt New York für rund fünfzig Millionen Dollar restauriert wurde.
Besonders: der 90-jährige Elliott Carter bei einem Konzert von Stockhausen
"He had been at a meeting with the mayor, ... Stern hatte einen Termin mit dem Bürgermeister und anstatt danach gleich nach Hause zu gehen, beklagten sie bei einem Drink das anstehende Schicksal der Carnegie Hall. Da entstand die Idee, den Konzertsaal als historisches Gebäude zu retten und einen Weg zu finden, der dem Lincoln Center als Kulturzentrum nicht direkt Konkurrenz macht. … would not compete directly with Lincoln Center."
Franz Xaver Ohnesorg sagte 2001 bei der Verabschiedung nach seiner dreijährigen Amtszeit als Leiter der Carnegie Hall, dass er den Mythos der Kultstätte nicht nur in ihrer besonderen, weltberühmten Akustik begründet sehe:
"Natürlich ist es hier auch ein Ort, wo ganz viele Künstler ein- und ausgehen, die Sie sonst in dieser Massierung kaum an einer anderen Stelle der Welt erleben können. Auch daraus erwächst natürlich eine ganz eigene Atmosphäre, wenn der über 90-jährige Elliott Carter bei Konzerten zuhört, wo Musik von Stockhausen aufgeführt wird. Das sind schon ganz besondere Momente, von denen man sicher ein ganzes Leben lang zehrt."