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Vor 125 Jahren
Filmregisseur Ernst Lubitsch geboren

Ernst Lubitsch schuf die raffiniertesten und amüsantesten Gesellschaftskomödien des amerikanischen Kinos. Der einstige Star des deutschen Stummfilms hatte ein feines Gespür fürs Komische. Heute vor 125 Jahren wurde er in Berlin geboren.

Von Marli Feldvoß | 29.01.2017
    Die Filme des deutsch-amerikanischen Regisseurs Ernst Lubitsch wurden in den vergangenen Jahren wiederentdeckt und neu bewertet.
    Ernst Lubitsch stieg in Hollywood schnell zu den bestbezahlten Regisseuren auf. (dpa / picture alliance / UPI)
    "O sole mio …"
    Im nächtlichen Venedig ist ein Gondoliere unterwegs, doch er hat kein Liebespaar, sondern den Müll an Bord. Auch die folgenden Bilder irritieren. Eine Person, die über eine Brüstung springt, ein Schatten, ein verwüstetes Zimmer, ein Mann, der reglos am Boden liegt. Der Ort eines Verbrechens? Die Kamera zieht unbeeindruckt weiter, bis - erneut auf einem Balkon - ein Mann ins Bild gerät. Es ist der Baron mit seinem Butler.
    "Yes, Baron. What shall we start to eat, Baron?"
    "That’s not so easy. Beginnings are always difficult."
    "Yes, Baron."
    Alle Lubitsch-Filme verbreiten ein unverwechselbares Flair
    Schon der Anfang von "Trouble in Paradise" von Ernst Lubitsch, gedreht 1932, zeigt den formvollendeten Stilisten. Die Bilder sagen alles. Der Handlungsablauf ist bis ins letzte Detail durchdacht, bis das Liebes- und Diebespärchen, das in diesem "Paradies" sein Unwesen treibt, endlich beim Souper vereint ist. Alle Lubitsch-Filme verbreiten ein unverwechselbares Flair. Es ist der "Lubitsch-Touch". Elliptisches Erzählen, doppelbödige Dialoge, die oft eine lockere Einstellung zum Sex propagieren. Seine Filme entstehen erst im Kopf. Nur ein intelligenter Zuschauer sei in der Lage, die sophisticated comedy zu verstehen, meinte er selbst. Der Tonfilm kam zur rechten Zeit. Ernst Lubitsch 1932:
    "Es ist der größte Fortschritt, den jeder Regisseur begrüßen muss. Sehen Sie: Der stumme Film war keine völlig in sich abgeschlossene Kunstgattung. Er musste Filmtitel zu Hilfe nehmen, wenn er eine Geschichte erzählen wollte. Dieser Titel war ein Fremdkörper, den der Tonfilm ausmerzte. Und schon diese Tatsache allein genügt, um die Existenz des Tonfilms zu rechtfertigen."
    Der am 29. Januar 1892 in eine jüdische Familie in Berlin geborene Ernst Lubitsch, der bereits 1922 nach Amerika übersiedelte, war ein Naturtalent. Er gehörte zum Max-Reinhardt-Ensemble, stieß früh zum Film, drehte Sketche, Einakter, bald in eigener Regie. Er war ein Komiker. Sein derbes Auftreten, Slapstick, massiver Körpereinsatz begeisterte das Publikum. Aus der Erinnerung zitiert Statist Willi Schneider, wie er Lubitsch im Berliner Apollo Theater erlebt hatte. Sein Lebenslauf in Versen:
    Alle, die Rang und Namen hatten, spielten in seinen Komödien
    "Mich legte sanft wie’n Hühnerei einst mitten auf die Hausvogtei Freund Adebar im kalten Januar. Meschugge wurde ganz Berlin, als ich so plötzlich hier erschien, denn mein Dasein und mein Nahsein ein Ereignis war."
    Die Gründung der Ufa 1917 bescherte Lubitsch einen Karrieresprung. Er setzte ganz auf die Regie und bewies sein Talent für Dramen, Massenszenen und pompöse Ausstattungsfilme. "Madame Dubarry" mit Pola Negri, Emil Jannings - 1919 ein Bombenerfolg - wurde zum Türöffner für den amerikanischen Markt. "Carmen", Anna Boleyn" zogen nach. Kein Wunder, dass Ernst Lubitsch in Hollywood schnell zu den bestbezahlten Regisseuren aufstieg. Sein Einfluss auf den amerikanischen Film war enorm, bei Hitchcock unübersehbar. In seinen Gesellschaftskomödien der Dreißiger spielten alle, die Rang und Namen hatten, sogar die göttliche Greta Garbo als "Ninotchka" (1939), mit dem herben Charme einer sowjetischen Kommissarin.
    "What a charming idea from Moskau to surprise us with a lady comrade. If we had known we would have greeted you with flowers."
    "Don’t make an issue of my womanhood."
    Nach dem sechsten Herzinfarkt starb er
    Ähnlich "Ninotchka", seinem erfolgreichsten Film, enthüllte die umstrittene Politsatire "To be or not to be" 1942 einen Lubitsch, der über die Beziehung zwischen Illusion und Realität nachdachte. Seine Ausflüge in die mondäne Filmwelt ließen den Privatmann Lubitsch offenbar unberührt. Seine Tochter Nicola Lubitsch.
    "Er war ein sehr einfacher Mann. Wenn er aus dem Studio nach Hause kam, setzte er sich ans Klavier - Noten lesen konnte er nicht - und erzählte mir eine Geschichte. Er hörte Radio, die Quiz Shows und fing an zu raten."
    Ernst Lubitsch ereilte während der Dreharbeiten zu dem Musical "That Lady in Ermine" sein sechster und letzter Herzinfarkt. Er starb am 30. November 1947 in seinem Haus in Hollywood mit der obligatorischen Zigarre in der Hand. Er wurde 55 Jahre alt.