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Vor 125 Jahren geboren
László Moholy-Nagy - Maler, Fotograf, Medienkünstler

László Moholy-Nagy war einer der ersten Medienkünstler des 20. Jahrhunderts. Weit bevor es das Internet gab, übertrug er "Bilddaten" per Telefon und proklamierte Licht und Bewegung als Werkstoffe des modernen Künstlers. Am 20. Juli 1895 wurde er geboren.

Von Jochen Stöckmann |
    Selbstporträt des Künstlers László Moholy-Nagy, 1926
    Selbstporträt des Künstlers László Moholy-Nagy, 1926 (picture alliance/Heritage-Images)
    In den Schützengräben des Ersten Weltkriegs entdeckt ein Jurastudent seine künstlerische Ader: László Moholy-Nagy, geboren am 20. Juli 1895 in einem österreichisch-ungarischen Grenzort, hält auf Feldpostkarten Szenen aus dem Frontalltag fest oder porträtiert Zivilisten und Militärs.
    Seine Buntstiftzeichnungen – gekonnt, aber auch sehr konventionell – sind einer Bilderwelt entsprungen, die er wenige Jahre später verwerfen wird. Als frisch ernannter Lehrer am Bauhaus distanziert sich Moholy-Nagy 1923 von der überkommenen, bürgerlichen Ästhetik:
    "Bild und Plastik waren in der gut bürgerlichen Wohnung Zeichen der vornehmen 'Gesinnung', die Bilder vergrößerte Ornamente, die Plastiken billige Stukkatörarbeit."
    "Telefonbilder" und "Fotogramme"
    Um dieses dekorative Blendwerk, um die farbig übermalte Realität zu durchdringen, besinnt sich der Künstler auf militärische Techniken wie Luftbildfotografie, Messbildverfahren und Geräuschortung. Damit konnte er als Artillerieoffizier Zielkoordinaten erfassen und über Feldfernsprecher sofort weitergeben.
    Nun greift Moholy-Nagy zum Telefon, um Formate, Farben und Maße seiner auf Millimeterpapier konstruierten Entwürfe an eine Fabrik zu übermitteln, wo sie als Emailschilder produziert werden. Die industriell gefertigten "Telefonbilder" sind sehr erfolgreich. Und als Mitherausgeber der Bauhaus-Bücher folgt Moholy-Nagy der Strategie:
    "Kunst und Technik – eine neue Einheit."
    Bilder von László Moholy-Nagy in der Ausstellung "Kunst des Lichts" 2010 im Berliner Martin-Gropius-Bau
    Moholy-Nagy-Ausstellung "Kunst des Lichts" 2010 im Martin-Gropius-Bau (picture alliance / dpa / Marcel Mettelsiefen)
    Sein Fotoapparat zerlegt den Eiffelturm in ein abstraktes Muster von Eisenstreben. Seine Filmkamera tanzt im Rhythmus der Großstadt. In der Dunkelkammer legt Moholy-Nagy direkt auf das Fotopapier Rasierklingen, eine Küchenreibe oder Nadel und Faden, belichtet diese Anordnungen – und erhält die negativen Schattenrisse der Objekte. Das ist die Geburtsstunde der am Bauhaus beliebten "Fotogramme".
    Licht und Bewegung als Werkstoffe
    Die neuen Techniken sind kein Selbstzweck, sie sollen das Publikum auf neue Ideen bringen, ihm "Denk-Räume" eröffnen. So experimentiert der Künstler mit der Fotomontage scheinbar disparater Motive, die durch eingängige Schriftzüge schlagartig verständlich werden.
    "A19" (um 1927) von László Moholy-Nagy, gezeigt 2006 in der Ausstellung "Bauhaus-Meister" der Kunsthalle Bielefeld
    "A19" (um 1927), gezeigt 2006 in der Kunsthalle Bielefeld (picture alliance / Kunsthalle Bielefeld)
    Die Kombination von Typographie und Lichtbild nennt Moholy-Nagy "Typofoto" – und macht damit Werbung, unter anderem für Jenaer Glas. Tafelbild und Historiengemälde, Marmorrelief oder Bronzebüste aber passen nicht mehr in die Zeit – und Moholy-Nagy verkündet:
    "Der neue Maler wird Gestalter von Lichtrelationen und der neue Plastiker Gestalter von Bewegungsbeziehungen. Beide werden recht wenig mehr mit den bisherigen Erscheinungsformen der Malerei bzw. Plastik zu tun haben."
    "Übers technische zum bewegten Bild"
    Lichtspiele sollen die Leinwände ersetzen, aus elektromagnetischen Kraftfeldern kinetische Skulpturen entstehen. Moholy-Nagy entwirft motorgetriebene Konstruktionen aus spiegelnden Metallstäben und perforierten Glasscheiben, zwischen denen farbige Glühbirnen aufleuchten. Mit diesem "Raum-Licht-Modulator" schießt der Avantgardist noch einmal weit über die Dunkelkammerexperimente der Fotogramme hinaus. Der Fotokünstler und -theoretiker Floris Neusüss erkannte darin einen Wendepunkt:
    "Die Entwicklung von dem statischen Bild – also weg von dem handgemachten Bild – über das technische Bild zum bewegten Bild. Das ist diese Lichtmaschine, die Fotogramme in Bewegung setzt."
    László Moholy-Nagys Licht-Raum-Modulator aus Glühbirnen, Glas und beweglichen Maschinenteilen auf einer 50-Pfennig-Briefmarke
    Moholy-Nagys Licht-Raum-Modulator aus Glühbirnen, Glas und beweglichen Maschinenteilen auf einer Briefmarke (imago / Schöning)
    Emigration in die USA
    Nachdem er 1928 das Bauhaus verlassen hat, erreicht der Maler, Fotograf und Designer 1930 auf der Werkbundausstellung in Paris den Gipfel seiner Medienkunst: Seine Rauminstallation vereint Architekturmodelle des "Totaltheaters" von Walter Gropius und eigene Bühnenbilder für den Regisseur Erwin Piscator mit dem "Triadischen Ballett" Oskar Schlemmers.
    Alexander Dorner, der Museumsreformer der Weimarer Republik, ist begeistert und beauftragt Moholy-Nagy mit einem "Raum der Gegenwart". Die Nazi-Diktatur macht diesen Plänen ein Ende. László Moholy-Nagy emigriert über England in die USA, übernimmt dort die Leitung der School of Design – und hinterlässt nach seinem Tod im November 1946 mit dem Buch "The New Vision" ein Schlüsselwerk der Moderne: die Medientheorie für Design, Malerei, Skulptur und Architektur im 20. Jahrhundert.