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Vor 125 Jahren geboren
Richard Buckminster Fuller und das Raumschiff Erde

"Universalgenie" wäre fast untertrieben, um das Lebenswerk des heute vor 125 Jahren geborenen Richard Buckminster Fuller zu charakterisieren: Ohne abgeschlossenes Studium, als Autodidakt betätigte sich der ehemalige Marineoffizier als Architekt, Designer und Zukunftsforscher.

Von Jochen Stöckmann |
    Richard Buckminster "Bucky" Fuller gilt vielen als Universalgenie.
    Richard Buckminster "Bucky" Fuller gilt vielen als Universalgenie. (picture alliance/Everett Collection)
    Sein erstes Architekturmodell konstruiert Richard Buckminster Fuller aus Erbsen und Zahnstochern. Über Normgerechtes, Rechteckiges sieht der leicht schielende Elfjährige einfach hinweg. In der Rückschau - als "Bucky" Fuller von Hippies und Umweltschützern verehrt - betont der am 12. Juli 1895 im US-Staat Massachusetts geborene Konstrukteur, Designer und visionäre Denker die Vorzüge seines eigenwilligen Blicks:
    "Weil unsere spontane Initiative von frühester Kindheit an frustriert worden ist, bringen wir es nicht fertig, unserem Potential entsprechend zu denken. Es fällt uns leichter, an kurzsichtigen Vorstellungen festzuhalten und es den anderen - in erster Linie den Politikern - zu überlassen, einen Weg aus den gemeinschaftlichen Dilemmas zu finden."
    Leidenschaftlicher Mathematiker
    Fullers eigene Suche hat ihn auf diverse Umwege geführt: Das Studium in Harvard abgebrochen, als Marine-Offizier eher durch technische Tüfteleien denn durch militärische Erfolge aufgefallen, steigt Buckminster Fuller 1926 ins Baugeschäft ein und meldet sein erstes von mehr als zwei Dutzend Patenten an, eine ressourcensparende Konstruktionsmethode für Stahlbeton.
    Wenig später ist er bankrott – und denkt an Selbstmord. Aber dann besinnt sich der Sohn einer im besten Sinne bürgerlichen, gesellschaftlich engagierten Familie: "Ich glaube, einer der Gründe für die Unangemessenheit unserer Pläne liegt darin, dass wir unsere Kosten immer nur von heute auf morgen kalkulieren und dann von dem unerwarteten Preis überwältigt sind, den wir für unsere Kurzsichtigkeit zu zahlen haben."
    The car of the future . A three wheeled car with the appearance of an elongated black raindrop called the Dymaxion has been invented by Buckminster Fuller , an American . it is streamlined , has two front wheels set mid way in the ovaloid body and one rear wheel , set in the tail . The rear wheel steers the car , acting precisely as does the rudder of a ship . The car is capable of a speed of 125 miles an hour . A periscopic device supplies the usual rear vision mirror . The motor is mounted in the rear , but drives the front wheels . Photo shows , the Dymaxion . 11 May 1934, United Kingdom England Copyright: Topfoto PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY UnitedArchivesEU036130
    Das Dymaxion-Auto war ein 1933 von Richard Buckminster Fuller entworfener Automobilprototyp. (imago / Topfoto )
    Fullers Denken in größeren, auch sozialen Zusammenhängen bringt die Wende. Ende der 1920er-Jahre, in der Weltwirtschaftskrise, erfindet er das Dymaxion House in kostensparender Leichtbauweise. Wie ein Zelt unter einem Mast hochgezogen, hält es sich durch die "dynamisch" abwärts fließende, sorgfältig berechnete Spannung der Metallstreben. Darüber ergießen sich runde Außenwände, ähnlich einer Wasser-Fontäne.
    Aus künstlerisch-ästhetischen Vorstellungen heraus entwickelt der leidenschaftliche Mathematiker auch eine ebenso widerstandsfähige wie ultraleichte Hülle, die geodätische Kuppel. Sie ist zusammengesetzt aus Abertausenden unregelmäßiger Dreiecke, die wiederum zu fünf und sechs Ecken kombiniert werden, ein geometrisches Muster wie auf einem Fußball. Darauf kommt Fuller 1948 am Black Mountain College. In einer Art Zahlenrausch tanzt er über die im Atelier aufgereihten Zeichentische, inspiriert vom Beat des damals beliebten Jitterbug.
    Schützende Klimahülle
    Als "Fuller Dome" wird diese Konstruktion zum Markenzeichen. Eine geodätische Kuppel - 62 Meter hoch aus Plexiglasscheiben und Alu-Röhren - bestellen die USA 1967 für die Weltausstellung in Montreal. Fuller nennt den Expo-Pavillon "Biosphère" und verweist damit auf sein Buch "Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde".
    Gegen die durch Eigeninteressen beschränkten Wirtschaftsunternehmen und Nationalstaaten propagiert der Visionär einen allumfassenden Blick auf den ganzen Planeten, "the whole planet". Als Vordenker der ökologischen Bewegung fordert der Ingenieur bis zu seinem Tod im Jahr 1983 über ressourcensparende Material- und Energieeffizienz hinaus eine philosophische, von allen Scheuklappen befreite Sicht:
    "Infolge sklavischer ‚Kategoritis‘ werden wissenschaftlich unlogische, sinnlose Fragen gestellt wie ‚Wo wohnst du?‘, ‚Was bist du?‘, ‚Welche Religion?‘, ‚Welche Rasse?‘, ‚Welche Nationalität?‘ Im Laufe des 21. Jahrhunderts wird es der Menschheit entweder klargeworden sein, dass diese Fragen absurd und anti-evolutionär sind, oder es wird nicht mehr länger Menschen auf der Erde geben."
    Zumindest ein Patent könnte auch diese Katastrophe überdauern, die weltweit genutzte geodätische Kuppel. Allerdings dient diese Erfindung vor allem als "Radom" für militärische Radaranlagen, selten nur in der von Buckminster Fuller favorisierten zivilen Form: als schützende Klimahülle.