Viele seiner Werke hätte Peter Tschaikowsky vermutlich nie geschrieben, wäre nicht, in seinem 37. Lebensjahr, eine Frau in sein Leben getreten: Nadeshda Filaretowna von Meck war eine der faszinierendsten Frauen Russlands in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die schlanke dunkelhaarige Schönheit, geboren 1831 bei Smolensk als Tochter eines musikbesessenen Großgrundbesitzers, war gerade mal 17, als sie heiratete. Karl von Meck, ihr Mann, stammte aus verarmtem baltischem Adel. Er arbeitete im Staatsdienst, was Nadeshda ein Dorn im Auge war, wie sie später in einem Brief an Peter Tschaikowsky bekannte:
"Wissen Sie, dass ein Beamter vergessen muss, dass er ein Mensch ist und dass er eine Puppe, ein Automat werden muss?"
So überredete Nadeshda ihren Mann, sich selbständig zu machen. Der Erfolg war grandios: Die Familie wurde in wenigen Jahren steinreich. Als Baron von Meck 1876 starb, erbte die 45-jährige Witwe zwei Bahngesellschaften, ein Stadtpalais in Moskau, eine Sommerresidenz in der Ukraine und einen kleinen Hofstaat mit Sekretären, Dienern und Hauslehrern für die jüngeren ihrer insgesamt elf Kinder. Für ihre Ferienreisen nach Südeuropa hatte sie einen eigenen Bahnwaggon, in dem sie auch Musiker mitnahm.
Opulentes Honorar
Nadeshda von Meck war eine enthusiastische Verehrerin der Musik – vor allem des damals aufstrebenden Komponisten Peter Tschaikowsky. Als sie ihn Ende 1876 um eine kleine Komposition bat, lieferte er prompt. Nadeshda bedankte sich mit einem opulenten Honorar und einem Brief.
"Ich möchte Ihnen sagen, dass mein Verhältnis zu Ihrer Musik mir als das schönste, höchste aller Gefühle, deren ein Mensch fähig ist, unendlich teuer ist."
Tschaikowsky, chronisch pleite, durchlitt gerade eine schlimme Zeit. In Moskauer Musikerkreisen hatte sich seine damals strafbare homosexuelle Orientierung herumgesprochen. Hals über Kopf heiratete er, stellte aber alsbald fest, dass er seine Frau abgrundtief verabscheute. Nach der Trennung brauchte er Geld, um sie abzufinden. Nadeshda von Meck half.
"Ich habe Ihre Frau von Anfang an gehasst, weil sie nichts zu Ihrem Glück beigetragen hat. Aber ich hätte sie noch tausend Mal mehr gehasst, wenn sie Ihnen Glück gebracht hätte."
6000 Rubel jährlich zahlte Nadeshda ab 1877 an Tschaikowsky, der damit finanziell unabhängig war. Er dankte durch Produktivität:
"Denken Sie nur, meine liebe Freundin, meine Muse war mir so gewogen, dass ich eine Serenade für Streichorchester geschrieben habe …"
Man schrieb einander unendlich viele Briefe und tauschte Liebesschwüre von schönstem russischem Überschwang aus:
"Wenn ich morgens aufstehe, sind Sie mein erster Gedanke, und den ganzen Tag über spüre ich unablässig Ihre Nähe …"
Keine persönliche Begegnung
Und doch: Liebesglück im herkömmlichen Sinn stellte sich nicht ein. Von Anfang hatten sich die Baronin und der Künstler geschworen, jede persönliche Begegnung zu vermeiden. Und daran hielten sie sich, von ein paar ebenso zufälligen wie flüchtigen Blickkontakten abgesehen. Nur einmal in einem nächtlichen Brief ließ Nadeshda sich zu einem Anflug von Erotik hinreißen:
"Ich war in einem Konzert … vor lauter Seligkeit traten mir Tränen in die Augen … In Ihrer Musik fließe ich mit Ihnen in eins zusammen."
Schon wenige Tage später entschuldigte sich Nadeshda für diese kleine Indezenz. Dreizehn Jahre hielt die Freundschaft. 1890 stellte Nadeshda von Meck alle Zahlungen abrupt ein und brach den Briefverkehr ab. Warum sie das tat, ist ein Geheimnis, das sie bis zu ihrem Lebensende nicht preisgab. Sie starb, vier Monate nach Peter Tschaikowsky, am 13. Januar 1894. Geblieben ist die Geschichte zweier rätselhafter Liebender und die unsterbliche Musik, für die sie beide gelebt, geliebt und gelitten haben.