Archiv

Vor 125 Jahren in Paris
Als Henri Becquerel seine Entdeckung der Radioaktivität präsentierte

Kernenergie und Atombombe – beides basiert auf dem plötzlichen Zerfall von Atomkernen. Entdeckt wurde dieser Vorgang von dem französischen Physiker Henri Becquerel. Am 24. Februar 1896 stellte er seine Erkenntnisse in Paris vor. Seine Kollegin Marie Curie taufte das Phänomen Radioaktivität.

Von Frank Grotelüschen |
    Die digitale Kolorierung eines Schwarzweiß-Fotos von 1903 zeigt den französischen Physiker Henri Becquerel mit weißen Vollbart, Glatze, und dunkelblauem Jackett über grüner Weste.
    Antoine Henri Becquerel in seinem Labor um 1908 (picture alliance / akg-images )
    Wenn dieses Geräusch zu vernehmen ist, wird's oft gefährlich: Ein Geigerzähler nähert sich einem verdächtigen Objekt, immer penetranter knackt und tickt das Gerät, dann schlägt es hektisch aus – maximale Radioaktivität. Das ist der plötzliche Zerfall von Atomkernen, von Uran etwa oder von Radium, begleitet von der Aussendung beträchtlicher Energien. Entdeckt wurde sie eher zufällig von dem französischen Physiker Henri Becquerel.

    Im November 1895 gerät die Physikwelt in Aufruhr. In Würzburg ist Wilhelm Conrad Röntgen eine außergewöhnliche Entdeckung gelungen: "Ich hatte von meiner Arbeit niemand etwas gesagt: Meiner Frau teilte ich nur mit, dass ich etwas mache, von dem die Leute, wenn sie es erfahren, sagen würden: Der Röntgen ist wohl verrückt geworden."
    Ein zeitgenössisches Schwarz-Weiß-Foto zeigt den Physiker Antoine Henri Becquerel In Anzug ins seinem Labor an einem Tisch stehend auf dem sich zwei große Spulen befinden.
    Antoine Henri Becquerel um 1903 in seinem Labor (R3577_bifab_122182)
    Der Physiker ist auf eine neue Art von Strahlung gestoßen, die Röntgenstrahlen. Sie durchdringen Papier, Kleidung und sogar den Körper. Im Januar 1896 gelangt die Kunde nach Paris: An der französischen Wissenschaftsakademie werden spektakuläre Aufnahmen herumgereicht: Sie zeigen die Knochen einer lebendigen Hand, der Hand von Röntgens Frau.
    Röntgenaufnahme der "Hand Gottes" beim Pulsar B1509
    Historische Entdeckung vor 125 Jahren - Röntgen, seine Strahlen und der heiße Kosmos Am 8. November 1895 entdeckte der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen die nach ihm benannten Strahlen. Bei seinen Experimenten in Würzburg bemerkte er durch Zufall die X-Strahlen, wie er das Phänomen bezeichnete.
    Einer zeigt sich besonders beeindruckt: Henri Becquerel, 43 Jahre alter Physiker in dritter Generation, schon Großvater und Vater hatten sich dem Fach verschrieben. Spontan kommt Becquerel eine Idee: womöglich gibt es einen Zusammenhang zwischen der Röntgenstrahlung und dem Verhalten bestimmter Uransalze. Sie hatten sehr außergewöhnliche Leuchteigenschaften. und es war wirklich verlockend, diese Untersuchung durchzuführen ." Erinnert sich Becquerel später.
    Die Uransalze sind rasch zur Hand, schon sein Großvater hatte die fluoreszierenden Steine gesammelt. Umgehend macht sich der Enkel an die Arbeit:Dann legt Becquerel etwas Uransalz auf den Karton und legt das Ganze in die Sonne. Sein Kalkül: Das Sonnenlicht würde das Uransalz zum Nachleuchten bringen, und mit diesem Nachleuchten könnten Röntgenstrahlen entstehen. Und tatsächlich: als der Physiker die Fotoplatte belichtet, zeichnen sich die Umrisse der Salzkristalle ab – ein Indiz dafür, dass Röntgenstrahlung aus den Kristallen gedrungen ist und die Fotoplatte im Inneren des Kartons belichtet hat. Am 24. Februar 1896 präsentiert Becquerel das Ergebnis vor der französischen Wissenschaftsakademie:

    "Aus diesen Versuchen muss geschlossen werden, dass die betreffende Substanz eine Strahlung aussendet, die das lichtundurchlässige Papier durchdringt. Es lässt sich sehr einfach überprüfen, dass die Strahlung nicht nur schwarzes Papier, sondern auch verschiedene Metalle wie Aluminiumblech und eine dünne Kupferfolie durchdringt."

    Zufällig fliegt das Eigenleben des Urans auf

    Ohne es recht zu realisieren, hat Becquerel ein neues Phänomen entdeckt – die Radioaktivität. Zu diesem Zeitpunkt glaubt er, dass das Uransalz das Sonnenlicht absorbiert und anschließend als Röntgenstrahlen abgibt. Doch nur ein paar Tage später belehrt ihn der Zufall eines Besseren: Als Becquerel sein Experiment wiederholen will, ziehen Wolken auf. Also verstaut der Physiker seine Proben in einer Schublade und wartet auf besseres Wetter. Als dieses ausbleibt, entwickelt er die Fotoplatten dennoch. Das Ergebnis ist verblüffend: "Dieselben Kristalle, die in Dunkelheit gehalten werden, erzeugen immer noch dieselben fotografischen Eindrücke!"

    1903 erhält Henri Becquerel den Physik-Nobelpreis

    Damit ist klar: Das Uransalz gibt durchdringende Strahlen ab, egal ob es zuvor Sonnenlicht ausgesetzt war oder nicht. Die Quelle dieser uranischen Strahlen, so verkündet Becquerel, sei das Uran selbst. Radioaktivität – so nennt Becquerels Mitstreiterin Marie Curie das neue Phänomen. Gemeinsam mit Ehemann Pierre entdeckt sie Elemente, die noch stärker strahlen als Uran, Radium etwa. 1903 erhält Henri Becquerel zusammen mit dem Ehepaar Curie den Nobelpreis für Physik.

    Becquerel als Wegbereiter der Kernenergie

    Die Entdeckung der Radioaktivität ebnet den Weg für Kernphysik und Kernenergie. Denn bald wird klar: Mit dem Phänomen sind beträchtliche Energien verbunden, schreibt schon 1904 die amerikanische Zeitung St. Louis Post-Dispatch:
    "Ein Korn des geheimnisvollen Radiums wird auf der Weltausstellung gezeigt werden. Seine Kraft ist unvorstellbar. Mit diesem Metall könnten alle Arsenale der Welt zerstört werden."

    Henri Becquerel stirbt im August 1908 mit 55 Jahren. Seit 1975 trägt eine Maßeinheit seinen Namen: Das Becquerel gibt an, wie viele Atomkerne pro Sekunde zerfallen – das Maß für die Radioaktivität eines Stoffes.
    Eine Grafik zeigt Ra 88 vor einem Molekül.
    Marie und Pierre Curie entdeckten mit dem Radium ein Element, das die noch stärker strahlt als Uran (Imago)