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Vor 130 Jahren
Das Ende der Sklaverei in Brasilien

Jahrhundertelang wurden afrikanische Sklaven auf den Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen brasilianischer Großgrundbesitzer ausgebeutet. Doch im 19. Jahrhundert begann das System zu bröckeln. 1888 schaffte die brasilianische Krone als letztes Land der westlichen Welt die Sklaverei ab.

Von Grit Eggerichs |
    Die Zeichnung von 1814 zeigt Sklaven, die in einem Fluss Gold waschen. An der Seite sitzt ein Mann mit einer Peitsche.
    Sklaven in Brasilien (imago / Wha UnitedArchives)
    "Verfehlungen nicht zu bestrafen wäre eine schwere Sünde. Die Beschuldigten sollten ausgepeitscht, in Ketten gelegt oder an einen Baum gefesselt und so eine Weile belassen werden. Der Gutsverwalter darf sich aber niemals erlauben zu treten, besonders nicht in den Bauch schwangerer Sklavinnen. Er darf nicht mit dem Stock schlagen, denn in seiner Wut könnte er einen Sklaven von großem Nutzen töten und somit viel Geld verlieren."
    Züchtigung nach den Ratschlägen des Jesuiten André João Antonil von 1711 – gängige Praxis noch im Brasilien des 19. Jahrhunderts. Die Sklaven waren Afrikaner, verschleppt aus den Regionen, die heute Benin, Sudan, Angola oder Mosambik heißen. Mehr als drei Millionen Menschen wurden innerhalb von 300 Jahren nach Brasilien entführt. Die meisten von ihnen arbeiteten auf Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen.
    Großgrundbesitzer setzten lange auf Sklavenarbeit
    Lange hatten die brasilianischen Großgrundbesitzer ausschließlich auf Sklavenarbeit gesetzt. Ihr politischer Einfluss war groß. Doch das System bröckelte. Sklaven leisteten Widerstand. Sie flohen und schlossen sich in eigenen Siedlungen zusammen, Quilombos genannt.
    "In der Provinz Minas, zwischen den Mantiqueira-Bergen und Diamantina, gab es eine ganze Reihe Quilombos. Milizen und Sklavenfänger waren unfähig, dem Treiben ein Ende zu setzen. Die Quilombos waren wie Ameisenhaufen. Hatte man hier einen ausgelöscht, entstand dort ein neuer aus den Überresten des alten."
    Der brasilianische Schriftsteller Bernardo Guimarães beschreibt in der Erzählung "Uma História de Quilombolas" die Krise der Sklavenhaltergesellschaft Anfang der 1820er Jahre. Zu diesem Zeitpunkt war der Sklaventransport im britischen Empire längst verboten, 1834 schaffte England die Sklaverei ganz ab. Die Briten drängten den brasilianischen Kaiser, ebenfalls auf Sklavenarbeit zu verzichten – allerdings nicht aus christlicher Nächstenliebe oder Humanismus. Man fürchtete im globalen Markt um die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Produkte.
    Dom Pedro II. besänftigte die Europäer und die Abolitionisten im eigenen Land, indem er die Sklaven auf Raten in die Freiheit entließ – sagt Luiz Gustavo Santos, Sozialhistoriker an der Staatsuniversität Minas Gerais.
    "Das ‚Gesetz des freien Schoßes‘ zum Beispiel ist in die Geschichte eingegangen als Gesetz, das den Sklavenstatus der Neugeborenen abschaffte, aber das war nicht das Einzige. Das Gesetz ermöglichte es Sklaven auch, vor Gericht zu gehen und mit juristischen Mitteln die Freiheit zu erkämpfen."
    Letztes westliches Land, das Sklaverei verbot
    Ein Jahr vor der offiziellen Abschaffung der Sklaverei gab es nur noch 720.000 registrierte Sklaven in Brasilien, 1875 waren es noch 1,6 Millionen gewesen. Brasilien war das letzte Land der westlichen Welt, das die Sklaverei verbot.
    "Artikel 1.: Die Sklaverei ist mit dem Datum dieses Gesetzes abgeschafft."
    "Artikel 2.: Gegenteilige Gesetze sind außer Kraft gesetzt."
    Prinzessin Isabel – Regentin in Vertretung ihres abwesenden Vaters Dom Pedro II. – benutzte eine vergoldete Feder, um die Lei Áurea, das "Goldene Gesetz" am 13. Mai 1888 zu unterzeichnen. Die Prinzessin ging mit dem Beinamen "Die Retterin" in die brasilianische Geschichte ein – doch sie wollte weniger die Versklavten retten als die Monarchie.
    Die Krone schmückte sich mit einem längst überfälligen Schritt, um der republikanischen Bewegung im Land etwas entgegenzusetzen. Doch ihr Kalkül ging nicht auf. Die Abolitionisten waren verärgert, weil die Regierung sich so viel Zeit gelassen hatte. Und die Sklavenhalter fühlten sich betrogen, weil der Staat sie nicht entschädigte.
    "Deshalb wandten sich die Großgrundbesitzer der republikanischen Bewegung zu – nicht aus Ärger über die Abolition, sondern weil sie fürchteten, was da noch alles kommen könnte, dass sie als nächstes ihr Land abgeben müssten. Die Großgrundbesitzer sind die so genannten ‘Republikaner des 14. Mai’"
    Keine geordnete Integration der ehemaligen Sklaven
    Ende 1889 wurde der Kaiser gestürzt und die Vereinigten Staaten von Brasilien wurden ausgerufen. Doch es gab es keine Strategie, wie die ehemaligen Sklaven in die Gesellschaft integriert werden könnten. Und so begannen die Entlassenen ihr Leben in Freiheit als Bürger zweiter Klasse: in den entstehenden Slums der Großstädte, als Prostituierte und als schlecht bezahlte Lohnarbeiter auf den Plantagen ihrer ehemaligen Besitzer.