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Vor 130 Jahren
Grundsteinlegung für den Nord-Ostsee-Kanal

Der Nord-Ostsee-Kanal, der Schleswig-Holstein zwischen Brunsbüttel und Kiel durchsticht, ist die meistbefahrene Wasserstraße der Welt. Mit diesem Prestigeprojekt des Kaiserreichs sollte nicht nur Handelsschiffen der lange Weg um Dänemark herum erspart werden. Heute vor 130 Jahren wurde in Kiel der Grundstein gelegt.

Von Günter Beyer | 03.06.2017
    Die Kaiserliche Yacht "Hohenzollern" verlässt anlässlich der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Kanals (heute Nord-Ostsee-Kanal) am 21.06.1895 die Schleuse Kiel. Kaiser Wilhelm II eröffnete am 21. Juni 1895 die 98 Kilometer lange Wasserstraße, die den Schiffen zwischen Nord- und Ostsee große Umwege erspart. Den Grundstein legte Kaiser Wilhelm I.
    Die Kaiserliche Yacht "Hohenzollern" verlässt anlässlich der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Kanals (heute Nord-Ostsee-Kanal) am 21.06.1895 die Schleuse Kiel. (dpa)
    Ortsfremde sind immer wieder verblüfft: Schiebt sich da nicht ein Stapel bunter Container wie von Geisterhand durch grüne Marschwiesen? Erst beim Näherkommen wird klar: Ein Frachtschiff ist unterwegs - auf dem Nordostseekanal zwischen Brunsbüttel und Kiel.
    Bevor die knapp 100 Kilometer lange Wasserstraße Ende des 19. Jahrhunderts angelegt wurde, gab es dort bereits einen Kanal. Er ersparte der Schifffahrt die Passage um die Nordspitze der dänischen Halbinsel Jütland durch das gefürchtete Skagerrak - und viele hundert Seemeilen.
    "Das war der so genannte Eider-Kanal, der Nord- und Ostsee verbunden hat. Die Eider war ja bis nach Rendsburg schiffbar. Und dann hat man von Rendsburg diesen Kanal gebaut", erzählt Doris Tillmann, die Leiterin des Kieler Stadtmuseums. Der Eider-Kanal, 1794 von den damals dänischen Landesherren geplant, war die erste Wasserstraße zwischen Nord- und Ostsee.
    "Für heutige Verhältnisse war das ein sehr kleiner Kanal, mit kleinen Schiffen zu befahren. Das heißt: Entweder haben die Menschen oder Pferde diese Schiffe dort gezogen."
    Reichskanzler von Bismarck wollte unbedingt den "Großen Graben"
    Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch wurden die Schiffe immer länger, breiter und hatten mehr Tiefgang. Die Dampfmaschine ersetzte die Segel. Nachdem Preußen im Krieg von 1864 Dänemark besiegt und Schleswig-Holstein seinem Territorium zugeschlagen hatte, gab es kein Halten mehr: Ein Kanal, mindestens 58 Meter breit, für Schiffe mit einem Tiefgang von sechseinhalb Metern musste her!
    "Das hat natürlich mit dem Ausbau der Flotten zu tun. Es gab zwei Reichskriegshäfen, Kiel in der Ostsee und Wilhelmshaven, und natürlich bestand der Bedarf, diese beiden Flotten in einem engen Kontakt zu haben. Und das war der militärische Grund, weswegen der Kanal gebraucht wurde."
    Allerdings versprachen sich auch Hamburgs Kaufleute einiges davon. Bald meldeten sich auch Gegner des Kanalprojekts zu Wort. Helmuth von Moltke, Chef des preußischen Generalstabs, bezweifelte den militärischen Nutzen. Und er fand das Projekt zu teuer:
    "Wenn wir geneigt sind, für maritime militärische Zwecke eine Summe von 40 bis 50 Millionen Thalern auszugeben, dann würde ich Ihnen vorschlagen, statt eines Kanals für die Flotte eine zweite Flotte zu bauen."
    Moltkes Wort hatte Gewicht, die Kanaldebatte war damit erst einmal vom Tisch. Aber Reichskanzler Otto von Bismarck, entschiedener Befürworter deutscher "Seegeltung", wollte unbedingt den "Großen Graben" als für den Feind uneinsehbaren Schiffs-Verschiebebahnhof zwischen Nord- und Ostsee.
    Technisches Vorzeigeprojekt des jungen Kaiserreichs
    Vor allem aber war der Kanal ein technisches Vorzeigeprojekt des jungen Kaiserreichs. Er war dessen teuerstes Bauvorhaben. Am 3. Juni 1887 wurde in Kiel-Holtenau der Grundstein gelegt. Niemand hatte damit gerechnet, dass der hochbetagte Wilhelm I. persönlich an der Zeremonie teilnahm. Doch der 90-Jährige erklärte forsch, als er das Festprogramm las:
    "Das ist ja sehr schön, aber warum soll ich nicht dabei sein?"
    Natürlich war Wilhelm dann dabei, klopfte dreimal auf den Grundstein und sprach:
    "Zur Ehre des geeinigten Deutschlands, zu seinem fortschreitenden Wohle, zum Zeichen seiner Macht und Stärke."
    Acht Jahre dauerten die Bauarbeiten, der technische Aufwand war beispiellos: 66 Trocken- und Schwimmbagger, 94 Lokomotiven, 270 Schleppdampfer waren im Einsatz.
    "Es waren an die 8.000 Arbeiter, die kamen gar nicht aus der Region, die wurden von überall her angeworben."
    Nie große militärische Bedeutung erlangt
    Allerdings: Der Kanal ist verwundbar. Wenn sich ein Schiff querlegt, ist er dicht. Wie 1995, als auf der "Sabine D." die Rudermaschine versagte und der Containerfrachter mit einem entgegenkommenden Dampfer zusammenstieß. Durch das Leck drang Wasser ein, die "Sabine D." legte sich quer auf die Seite.
    "Es sind insgesamt vier Kräne aus Kiel und Hamburg geordert worden."
    Jörg Andresen, Chef der Wasserschutzpolizei Rendsburg.
    "Dann soll das Leck dicht geschweißt werden, und dann wird das Fahrzeug leer gepumpt."
    Große militärische Bedeutung hat der Kanal nie gehabt. Aber für die zivile Schifffahrt ist er unersetzlich - die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt.