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Vor 150 Jahren
Beethovens Freundin Antonie Brentano gestorben

Antonie Brentano war im 19. Jahrhundert ein Mittelpunkt der Frankfurter Gesellschaft. Sie stand im Briefwechsel mit Goethe und vielen Großen ihrer Zeit. Sie könnte auch die geheimnisvolle Frau sein, der Ludwig van Beethoven seinen erstaunlichsten Liebesbrief schrieb.

Von  Christoph Schmitz-Scholemann | 12.05.2019
    Eine schwarz-weiße Darstellung aus dem 19. Jahrhundert zeigt Ludwig van Beethoven am Klavier sitzend, er stützt seinen Kopf auf seine rechte Hand, hat eine Feder in der Hand und guckt am Künstler vorbei.
    Ludwig van Beethoven in einer Darstellung aus dem 19. Jahrhundert. (imago/Danita Delimont)
    Die "Diabelli-Variationen" sind nicht das einzige Werk, das Ludwig van Beethoven einer Frau gewidmet hat. Aber mit dieser Widmungsempfängerin hat es eine besonders liebreiche Bewandtnis: Antonie Brentano könnte jene "Unsterbliche Geliebte" des Komponisten sein, nach der die Beethovenforscher so lange suchen mussten.
    Begonnen hatten die Erkundungen bald nach Beethovens Tod. In einer Schublade fand sich ein handgeschriebener Liebesbrief des Komponisten. Zitat "guten Morgen, schon im Bette drängen sich die Ideen zu dir meine Unsterbliche Geliebte, leben kann ich entweder nur ganz mit dir oder gar nicht, leb wohl – o liebe mich fort – verken[ne] nie das treuste Herz deines Geliebten Ludwig, ewig dein ewig mein ewig unß."
    Das wilde Bekenntnis enthüllt viel über die von Leidenschaft gepeinigte Seele des Komponisten - nur: Den Namen der Frau, für die sich Beethoven das Herz zerriss, verrät der Brief nicht. Der Musikwissenschaftler Klaus-Martin Kopitz erläutert, wie die Forschung der Lösung des Rätsels mit beinah kriminalistischen Methoden näher kam:
    "Der Brief, der lange Zeit nicht datiert war, ist heute durch Wasserzeichenbefunde und andere Befunde sehr genau auf den 6.7.1812 datiert, geschrieben in Teplitz. Vor allem schreibt Beethoven in dem Brief, dass er an eine Frau in Karlsbad gerichtet ist und in Karlsbad gibt es heute noch polizeiliche Melderegister aus dieser Zeit."
    Tatsächlich weisen die Register aus, dass sich Anfang Juli 1812 nur eine einzige Beethoven nahestehende Frau in Karlsbad aufhielt: die damals 32-jährige Antonie Brentano. Sie stammte aus wohlhabenden Verhältnissen in Wien und hatte 1798 in die Frankfurter Kaufmanns- und Schriftstellerfamilie Brentano geheiratet.
    Verheiratet mit einem sehr viel älteren Mann
    In Frankfurt wurde sie freundlich aufgenommen - nur mit ihrem sehr viel älteren Ehemann Franz Brentano war es anfangs schwierig.
    "Ich weiß aber heute noch nicht, wie ich alles ertragen habe. Mein Mann war mir noch so fremd, dass lange Monate vergingen, bis ich mich daran gewöhnen konnte, ihn mit Du anzureden."
    Als Antonies Vater 1809 erkrankte, zog sie zusammen mit dreien ihrer vier Kinder zurück in ihr Elternhaus nach Wien. Dort blieb sie nach dem Tod ihres Vaters weitere drei Jahre und kümmerte sich um die riesige Erbschaft.
    Ihr Mann übernachtete bei seinen eher seltenen Besuchen oft im Hotel. In dieser Zeit lernte Antonie Beethoven näher kennen.
    "Antonie schreibt in einem Brief, dass er sie fast jeden Tag besucht, ihr was vorspielt und wie toll das auch für sie ist, zumal sie auch sehr leidend war. Und Beethoven hat sich ganz rührend um sie gekümmert."
    Antonie scheint so etwas wie eine Wahlverwandtschaft zwischen sich und Beethoven empfunden zu haben.
    "Es gibt eine Gemeinschaft zwischen Menschen von Geist und Herzen, die nicht vorbereitet zu werden braucht. Sie verstehen sich im Augenblick. Ihr Leben hat verwandte Berührungen, noch ehe sie sich kannten."
    Beethoven antwortete mit Musik. In den Jahren der Freundschaft mit Antonie schrieb er die siebte Symphonie, die er selbst als eines seiner "glücklichsten Produkte" bezeichnete. Erst 2018 tauchte das Widmungsexemplar für Antonie auf.
    Und doch: Dass dauerhaftes Glück schwerlich in Aussicht stand, kann den beiden nicht entgangen sein. Wenige Wochen vor dem "Brief an die unsterbliche Geliebte" erbat sich Antonie die Niederschrift eines kleinen traurigen Liedes:
    "Oh, daß ich dir vom stillen Auge, In seinem liebevollen Schein, Die Träne von der Wange sauge, Eh' sie die Erde trinket ein."
    Nur wenige Wochen nach der Niederschrift des Briefs an die Unsterbliche Geliebte trafen sich Beethoven, Antonie und ihr Mann in Karlsbad. Im Kurhotel "Zum Auge Gottes" könnte es zur Aussprache gekommen sein. Jedenfalls zog Antonie kurz darauf mit ihrer Familie nach Frankfurt, wo sie am 12. Mai 1869, fast 90-jährig und hoch angesehen, starb.