Am 19. Juli 1870 trat Otto von Bismarck gegen 2 Uhr nachmittags vor den Reichstag des Norddeutschen Bundes:
"Ich teile dem Hohen Hause mit, daß mir der französische Geschäftsträger heute die Kriegserklärung Frankreichs überreicht hat."
Frankreich sieht sich umzingelt
So die knappe Mitteilung des Preußischen Ministerpräsidenten und Bundeskanzlers des Norddeutschen Bundes. Die Kriegserklärung selbst schilderte in einem einzigen Bandwurmsatz, wie es aus französischer Sicht überhaupt so weit kommen konnte:
"Die Regierung Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen indem sie den Plan, einen preußischen Prinzen auf den Thron von Spanien zu erheben, nur als ein gegen die territoriale Sicherheit Frankreichs gerichtetes Unternehmen betrachten kann, hat sich in die Notwendigkeit versetzt gefunden, von Sr. Majestät dem Könige von Preußen die Versicherung zu verlangen, daß eine solche Kombination sich nicht mit seiner Zustimmung verwirklichen könnte."
Eine solche "Zustimmung" hatte Preußen angeblich verweigert:
"Infolgedessen hat die französische Regierung die Verpflichtung zu haben geglaubt, unverzüglich für die Verteidigung ihrer Ehre und ihrer verletzten Interessen zu sorgen. Sie betrachtet sich von jetzt an als im Kriegszustande mit Preußen."
Tatsächlich hatte im September 1868 ein Putsch die Herrschaft der spanischen Königin Isabella II. beendet. Seither war man auf der Suche nach einem adeligen Nachfolger - ein damals nicht unüblicher Vorgang. Im Februar 1870 fiel die Wahl schließlich auf den Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen. Der Historiker und Geschäftsführer der Otto-von-Bismarck Stiftung, Ulrich Lappenküper:
"Die Gefahr ist aus französischer Sicht die, dass nun im Falle einer Inthronisierung Leopolds von Hohenzollern-Sigmaringen sowohl an der Ostgrenze Frankreichs, eben in Preußen, als auch an der Südgrenze Frankreichs – in Spanien – zwei Hohenzollern König sein würden."
Entschlossen zum Krieg
Konnte sich daraus, so Bismarcks Überlegung, nicht ein Krieg mit Frankreich entwickeln? Ein Krieg, mit dem sich die Reichseinheit fördern ließ und der Einigkeit stiftete, wo bisher namentlich unter den süddeutschen Staaten die Angst vor der "Verpreußung" vorgeherrscht hatte? Da passte es gar nicht, dass der sigmaringer Hohenzollern-Prinz schließlich mit Einwilligung des preußischen Königs Wilhelms I. nicht mehr auf den spanischen Thron wollte.
Frankreich zeigte sich indessen ebenfalls entschlossen zum Krieg. Es galt, der innenpolitischen Agonie des Kaiserreichs einen außenpolitischen Erfolg entgegenzusetzen, auch um den Preis eines Krieges. Die so offensiv beklagte Besetzung des spanischen Throns durch einen "Preußen" kam da gerade recht. Frankreich konnte deshalb den Verzicht des Preußen-Prinzen zwar als diplomatischen Erfolg verbuchen. Doch musste es nun seine Forderungen erweitern, um den erwünschten Grund für den Krieg weiterhin zu haben: Preußen sollte nun für alle Zeiten auf den spanischen Thron verzichten.
Ein für Preußen unerfüllbares Ansinnen, wie man in Paris wohl wusste. Kurz: Das französische Kaiserreich wollte den Krieg so sehr wie ihn Bismarck brauchte! Ulrich Lappenküper fasst die Rolle Bismarcks dabei so zusammen:
"Ich halte die These für überspitzt, dass Bismarck hier von langer Hand einen Krieg vorbereitet hat. Richtig ist allerdings auch, dass er in dieser konkreten Situation des Frühsommers 1870 die von Frankreich aus Prestigegründen, aus Gründen der Ehre zugespitzte Frage der spanischen Thronkandidatur bewusst eskalieren ließ." Dafür diente ihm jene Botschaft, die als "Emser Depesche" aktenkundig wurde. Der von Bismarck redigierte Text stellte ein Treffen des preußischen Königs mit dem französischen Botschafter in Bad Ems so dar, als sei dieser in seinem Gesprächsversuch sofort durch den Adjutanten des Königs gegen jede diplomatische Etikette zurückgewiesen worden. Sowohl in Frankreich wie in den deutschen Ländern konnte damit zunächst Kriegseuphorie entfacht werden.
Nur wenig Widerstand
Nur wenige hatten den Mut, Einspruch anzumelden. Als im Reichstag des Norddeutschen Bundes über die ersten Kriegskredite abgestimmt wurde, ergriff der Sozialist August Bebel das Wort:
"Als prinzipielle Gegner jedes dynastischen Krieges, als Sozialrepublikaner und Mitglieder der Internationalen Arbeiterassoziation, können wir uns weder direkt noch indirekt für den gegenwärtigen Krieg erklären und enthalten uns daher der Abstimmung."
Zu diesem Zeitpunkt, am 21. Juli 1870, gab es bereits erste kleinere Vorpostengefechte. Sie bildeten den Auftakt für einen Krieg, der in den ersten vier Wochen allein auf preußisch-deutscher Seite über 80.000 Tote, Verwundete und Vermisste forderte.