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Vor 150 Jahren geboren
Der russische Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin

Als Marxist, Revolutionär und Gründer der Sowjetunion prägte Lenin das politische Geschehen des 20. Jahrhunderts entscheidend. Den Terror nach der Oktoberrevolution rechtfertigte der Sohn eines Schulinspektors und einer Gutsbesitzertochter als notwendigen Preis für den Sieg des Proletariats.

Von Rolf Wiggershaus |
    Das Präsidium des Gründungskongresses der Kommunistischen Internationale in Moskau, März 1919: von links Gustav Klinger, Hugo Eberlein, Wladimir Iljitsch Lenin, Fritz Platten.
    Lenin beim Gründungskongress der Komintern 1919 (akg-images)
    "Er rührte an den Schlaf der Welt. Mit Worten, die Blitze waren …"
    Gefallen hätte Lenin wohl nicht, was, von Hanns Eisler vertont, Ernst Busch sang. Er hatte Personenkult stets abgelehnt. Doch der Song aus der Frühzeit der DDR zeugte von der welthistorischen Rolle eines Mannes des Wortes und der Tat, der – einen Ausspruch des griechischen Mathematikers und Physikers Archimedes abwandelnd – meinte:
    "Gebt uns eine Organisation von Revolutionären, und wir werden Russland aus den Angeln heben!"
    In seiner ersten großen Programmschrift "Was tun?" versprach das 1902 der im westeuropäischen Exil lebende Wladimir Iljitsch Uljanow, der sich um diese Zeit den Decknamen Lenin zulegte.
    Sohn eines Schulinspektors und einer Gutsbesitzertochter
    Geboren wurde er am 22. April 1870 in Simbirsk an der Wolga. Für den Sohn eines in den Adel aufgestiegenen Schulinspektors und einer Gutsbesitzertochter wurde 1887 zu einem Schicksalsjahr. Während er die Abiturprüfungen mit besonderer Auszeichnung bestand, wurde sein von ihm bewunderter älterer Bruder Alexander wegen der Vorbereitung eines Attentats auf Zar Alexander III. in Petersburg hingerichtet. Fortan galt die Familie als verdächtig.
    Unter dem Eindruck von polizeilicher Überwachung, Relegation anlässlich studentischer Unruhen, Haft und dreijähriger Verbannung wurde Lenin statt zu einem Rechtsanwalt zum gebildeten politischen Revolutionär. Er schloss sich den Sozialdemokraten an, verfolgte dann aber mit einer eigenen Fraktion, den Bolschewiki, einen zunehmend radikaleren Kurs. Neu war dabei die Verbindung von marxistischer Kapitalismus- und Klassentheorie mit dem Organisationstyp einer Avantgarde aus Berufsrevolutionären anstelle einer Massenpartei westlichen Stils.
    "Offensiver zu den Waffen greifen"
    Ein von den Bolschewiki initiierter Moskauer Aufstand während der ersten russischen Revolution 1905 scheiterte. Die Schlüsse, die Lenin daraus zog, zeugten von seiner radikalen Haltung: "Man hätte entschlossener, energischer und offensiver zu den Waffen greifen müssen. Es genügt nicht, die Menschen nach ihrem Verhältnis zu politischen Losungen zu gruppieren, darüber hinaus ist es erforderlich, sie nach ihrer Einstellung zum bewaffneten Aufstand zu gruppieren."
    Für Lenin folgten lange Jahre des Exils. Als er im März 1917 in der Schweiz vom Ausbruch der Revolution in Russland erfuhr, wollte er so schnell wie möglich dorthin zurück, um die Bolschewiki auf seinen radikalen Kurs einzuschwören. Der deutsche Generalstab gab die Erlaubnis zur Durchreise in einem deutschen D-Zug-Wagen.
    Krieg der Klassen
    Lenin hoffte auf den Übergang des imperialistischen Kriegs in einen Krieg der Klassen. Er wollte die immer chaotischere Situation in Russland für eine sozialistische Revolution nutzen. Dabei setzte er auf die "Sowjets", die "Räte". 1905 waren sie in Petersburger Fabriken spontan als gewählte Streikleitungen mit politischer Funktion entstanden; 1917 erlebten sie sogleich eine Wiederauferstehung.
    Lenin machte die Sowjets der Arbeiter, der Bauern, der Soldaten zu Instrumenten seiner bolschewistischen Strategie der Machtergreifung und seines Gegenentwurfs zur bürgerlich-kapitalistischen Gesellschafts- und Staatsform:
    "Was ist das: Sowjetmacht? Sie gibt denen, die unterdrückt werden, die Möglichkeit, sich aufzurichten und die ganze Leitung des Staates, die ganze Leitung der Wirtschaft mehr und mehr in die eigenen Hände zu nehmen. Die Sowjetmacht ist der von den Massen der Werktätigen gefundene und siegbringende Weg zum Sozialismus."
    Der Preis für den Sieg des Proletariats
    Die Härten, die Grausamkeiten und den Terror des sich nach der Oktoberrevolution zuspitzenden Bürgerkriegs rechtfertigte Lenin als Preis für den Sieg des Proletariats – für die "Diktatur des Proletariats" unter Führung der sich nun "kommunistisch" nennenden Partei. Als "Prolog der Weltrevolution", wie von Lenin zunächst erhofft, konnte die Entwicklung in Russland bald nicht mehr gesehen werden.
    Warnung vor Stalin
    Um die Wirtschaft nach der durch den Kriegskommunismus angerichteten ökonomischen Katastrophe erst einmal wieder in Gang zu bringen, setzte Lenin unter dem Titel einer "Neuen Ökonomischen Politik" auf marktwirtschaftliche Zugeständnisse. Wohin sein welthistorisches Experiment führte, erlebte er nicht mehr. Nach mehreren Schlaganfällen starb er 54-jährig im Januar 1924. Zu seinem testamentarischen Vermächtnis gehörte eine Warnung vor Stalin. Sie blieb vergeblich.