"Im Sanatorium Saarow hatte der ewige Wanderer Maxim Gorki seine Wohnung, zwei Zimmerchen, in denen er so fremd wirkte, und die so vorläufig wirkten, als wäre der Besucher auf dem Sprung, weiter zu ziehen, wie vor 30 Jahren, da er über die Ebenen wanderte und in Heuschobern schlief, und da er Menschen kannte, die einander wegen zehn Kopeken ermordeten, und Flößer, die einander um eines Weibes willen nach dem Leben trachteten, obwohl sie Vater und Sohn waren."
So beschrieb Egon Erwin Kisch den berühmten russischen Schriftsteller, nachdem er ihn in einem Sanatorium unweit von Berlin besucht hatte. Gorki war krank, er litt an Tuberkulose. Auf Drängen Lenins war er 1921 zur Kur nach Deutschland gereist.
Der Großvater schlug ihn einmal bewusstlos
Geboren wurde Alexej Maximowitsch Peschkow, so sein eigentlicher Name, am 28. März 1868 in Nischnij Nowgorod an der Wolga. Nach dem frühen Tod seines Vaters wuchs er bei den Großeltern auf. Die Großmutter erzählte ihm Märchen, wundersame Geschichten und Heiligenlegenden, der Großvater aber, ein Färbereibesitzer, schlug ihn nach einem kleinen Vergehen mit einer Rute bewusstlos.
"Seit jenen Tagen begann ich, die Menschen mit unruhiger Aufmerksamkeit zu beobachten, und mein Herz wurde ungemein empfindlich für jede Kränkung und jeden Schmerz, den eigenen wie den fremden."
Prügelstrafen, Streit, Missgunst und Not gehörten von nun an zu Gorkis Kindheit. Als auch seine Mutter jung starb, zwang der Großvater den erst Elfjährigen, sein Geld selbst zu verdienen: als Lumpensammler, Küchenknecht auf einem Dampfer, Vogelfänger, Schuh- und Ikonenverkäufer...
Eine Schule besuchte Gorki nur kurz, der Versuch, später ein Studium in Kasan aufzunehmen, scheiterte. Er las viel und eignete sich als Autodidakt ein enormes Wissen an.
"Diese Bücher wuschen meine Seele rein und befreiten sie von dem Geschupp der Eindrücke der armseligen, bitteren Wirklichkeit. Nach und nach bildete sich in meiner Seele dank diesen Büchern die feste Überzeugung heraus: Ich stehe auf der Erde nicht allein und werde nicht umkommen!"
Gorki, der Bolschewik
Nach einem missglückten Suizidversuch 1886 wanderte er zu Fuß durch Russland, die Ukraine und Georgien, lernte Landstreicher, Schmuggler, Fischer und Hafenarbeiter kennen, kam mit revolutionären Kreisen in Kontakt und mit der zaristischen Polizei in Konflikt. Als 1892 seine erste Erzählung "Makar Tschudra" erschien, zeichnete er mit "Gorki", "der Bittere". Das Pseudonym behielt er seitdem bei. Es folgten realistische Erzählungen, Skizzen, Romane und Dramen, die die Zeit des großen sozialen Umbruchs in Russland spiegelten und mit denen er schnell im In- und Ausland berühmt wurde. Gorki befürwortete eine Revolution, hatte aber ein ambivalentes Verhältnis zur "Diktatur des Proletariats" und deshalb Konflikte mit Lenin.
"Ich betrachte mich als Bolschewik seit 1903, aber ich habe niemals irgendeiner Partei angehört. 1918 habe ich die Bolschewisten bekämpft und mich mit ihnen gestritten; es schien mir, dass sie unfähig seien, die durch den Krieg anarchisch gewordenen Bauern zu beherrschen, und dass sie, im Kampfe mit ihnen, die Arbeiterpartei aufopferten."
Gorki, der schon von 1906 bis 1913 auf Capri gelebt hatte, reiste 1921 für sieben weitere Jahre nach Deutschland und Italien. 1928 kehrte er auf Einladung Stalins zunächst zeitweise aus dem italienischen Sorrent in die Sowjetunion zurück, wurde landesweit als Begründer der Sowjetliteratur gefeiert, mit allen Ehren und Luxus bedacht und vom Geheimdienst überwacht.
Maxim Gorki starb am 18. Juni 1936, vermutlich eines natürlichen Todes, nicht, wie es in der Stalin-Zeit hieß, durch "medizinischen Mord" zweier seiner Ärzte, die zum Tode verurteilt wurden. Gorkis Urne wurde an der Moskauer Kremlmauer beigesetzt.