"Ich sitze dunkle Frau in meinem Zimmer,
stille, dunkle, große Frau.
Weiß ist mein Kleid, mein Webstuhl weiß.
Und vor mir buntgehäuft ein Schatz Perlschnüre.
Was will ich dunkle Frau denn weben? – Mein Leben."
stille, dunkle, große Frau.
Weiß ist mein Kleid, mein Webstuhl weiß.
Und vor mir buntgehäuft ein Schatz Perlschnüre.
Was will ich dunkle Frau denn weben? – Mein Leben."
Ida Dehmels Gedicht "Das Perlgewebe" gehört zu den wenigen literarischen Arbeiten aus ihrer Feder. Den größten Teil ihres Lebens widmete sie dem Werk anderer Künstler.
Am 14. Januar 1870 wurde sie als Ida Coblenz in Bingen geboren. Sie wuchs in einem konservativen, jüdischen Elternhaus auf, war sehr belesen, malte, spielte gut Klavier und hatte schon früh ein kompromissloses Lebensmotto, so die Kulturhistorikerin Carolin Vogel vom Hamburger Dehmelhaus:
"Schwarz oder weiß, nur nicht grau, kalt oder heiß, nur nicht lau. Sie war schon damals sehr selbstbewusst, wollte ihren eigenen Weg machen, und es gab einen Dichterfreund, der in Bingen aufwuchs. Das war Stefan George, und sie hat also seine Anfänge als Dichter als Freundin begleitet. Das hat sie sehr inspiriert und geprägt."
Heirat auf Wunsch des Vaters
1895 heiratete sie auf Wunsch ihres Vaters den Berliner Konsul Leopold Auerbach und zog mit ihm in die Hauptstadt. Ihre gesellschaftliche Stellung ermöglichte ihr, dort eine ganz neue Art von Kunstsalon zu eröffnen.
"Ihr war es immer ein Anliegen, ein Forum zu bieten für neue Kunst, und das hat sie mit einigen spannenden Künstlern der Zeit zusammengeführt. Edward Munch zum Beispiel und Schriftsteller wie Stanislaw Przybyszewski, ein polnischer Literat, der mit seiner Frau Dagny Juel in Berlin in dieser Zeit lebte, Conrad Ansorge als Komponist", sagte Vogel.
Bald lernte die Kunstförderin den ebenfalls verheirateten Schriftsteller Richard Dehmel kennen. Nach einem Konkurs Leopold Auerbachs reichte sie die Scheidung ein und Dehmel verließ seine Frau. Die beiden heirateten 1901 und zogen nach Hamburg Blankenese. Dort etablierte Ida Dehmel den Hamburger Frauenklub und warb bereits damals für das Frauenwahlrecht.
"Sie war eine außergewöhnliche Erscheinung. Sie trug Reformkleider, weite Kleider, nicht mit den großen Unterröcken und den engen Schnüren, sie sprach mit rheinischem Akzent. Und sie hat immer versucht, Frauen aus den unterschiedlichen Schichten der Gesellschaft zusammenzuführen. Und es haben wirklich viele auch Anstoß genommen an diesen grenzüberschreitenden Ideen und an ihrem Eigensinn", sagt Vogel.
In einem Brief an ihre Nichte schrieb Ida Dehmel:
"Eine Senatorenfrau ist z.B. ausgetreten, weil sie nicht riskieren wollte, mit einer einfachen Lehrerin an einem Tisch zu sitzen! Wenn Du bedenkst, daß die meisten Frauen kaum aus dem Kreis herauskommen, in dem sie geboren sind, oder in dem sie ihren Mann finden, so kannst Du Dir ausrechnen, was für einen Sprung das für sie bedeutet, nun plötzlich mit Dutzenden von Frauen aus ganz anderen Kreisen bekannt zu werden, u. deren Ansichten zu hören, … weil im Klub alle Damen einander vorgestellt werden, u. alle die gleichen Rechte haben."
Frauenbund zur Kunstförderung
Mit der Kunsthistorikerin und Sammlerin Rosa Schapire gründete Ida Dehmel 1916 den "Frauenbund zur Förderung deutscher bildender Kunst" und wurde so eine bedeutende Netzwerkerin für Künstler des Expressionismus.
"Der Gedanke war, mithilfe von Mäzenen und Mäzeninnen Werke lebender Künstler anzukaufen und den Museen als Geschenk zuzuführen. So kam unter anderem die Hamburger Kunsthalle zu ihrem ersten Bild von Karl Schmidt-Rottluff."
Nach dem Tod ihres Mannes 1920 ging Ida Dehmel ganz auf in der Rolle der Nachlassverwalterin und öffnete das gemeinsame Wohnhaus für Besucher.
Mit dem Nationalsozialismus verlor sie ihre gesellschaftlichen Ämter und wurde mit Publikationsverbot belegt. Lange war es dem Verleger Peter Suhrkamp gelungen, Ida Dehmels Deportation zu verhindern. Krank und einsam und schrieb sie im Oktober 1941:
"Ich bin die Nächte durch im Dehmelzimmer auf und abgewandelt. … In all diesen Höllenstunden blieb mir 1/100 Hoffnung neben 99 Wahrscheinlichkeiten des Untergangs. … Tief beklage ich die Ärmsten, die hinausgeschleppt wurden. Demütig frage ich mich, was ich Besseres bin als sie."
Ein knappes Jahr später setzte Ida Dehmel ihrem Leben mit einer Überdosis Schlaftabletten ein Ende.