"Die erste deutsche Frauen-Conferenz ward am Abend des 15. October 1865 gleich dadurch unter glücklichen Auspicien eröffnet, dass der Gesangverein des Arbeiterbildungsvereins erschien, um in einem ermuthigenden Gesang die Frauen zum Beginn ihres Werkes zu begrüßen.", meldete die Lokalpresse.
Rund 120 Frauen und einige Männer aus verschiedenen deutschen Staaten hatten sich in Leipzig versammelt. Initiator war der Ex-Offizier und Revolutionsveteran Philipp Anton Korn:
"Es soll nämlich ein Großer Deutscher Frauenverein gebildet werden, dessen Mitglieder sich über ganz Deutschland ausdehnen sollen."
Nach zwei Tagen voller Reden und Diskussionen wurde am 18. Oktober der Allgemeine Deutsche Frauenverein gegründet – die Geburtsstunde der deutschen Frauenbewegung. Auch wenn den Anstoß ein Mann gegeben hatte:
"So weit konnte die Dankbarkeit nicht gehen, ihm die Leitung des Ganzen zu überlassen", kommentierte Louise Otto-Peters. Männer durften nicht einmal vollberechtigte Mitglieder werden, was selbst unter den Gründerinnen zu Tumulten führte.
"Es gab eine Männerfrage, auch schon in der ersten Frauenbewegung – mit Mann oder ohne Mann", sagt Kerstin Wolff, Historikerin am Archiv der deutschen Frauenbewegung. Das erklärte Motto war: "Alles durch die Frauen selbst!" Die Ideologie des 19. Jahrhunderts verbannte Frauen ins Haus, Gesetze knebelten sie in der politischen Diskussion. In der Öffentlichkeit hatten sie keine Stimme.
"Und in dem Moment, wo ein Frauenverein aktiv wird, durchbricht er genau dieses Muster. Und das war von ganz klarer und ganz großer Entscheidungskraft."
"Wo sie das Volk meinen, da zählen die Frauen nicht mit"
Kopf und Seele des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins wurde Louise Otto-Peters, Schriftstellerin, Journalistin, Demokratin und frühe Feministin. Schon in den Revolutionsjahren 1848/49 hatte sie für die Gleichberechtigung der Frauen gekämpft: Doch wie Tausende Frauen, die in Vereinen und auf den Barrikaden für die Demokratie mitgekämpft hatten, war sie von den Revolutionären enttäuscht:
"Wo sie das Volk meinen, da zählen die Frauen nicht mit."
Die folgende Reaktionsära hatte den kämpferischen Mut der Frauen mit Gesetzen erstickt:
"Politischen Vereinen ist die Aufnahme von Frauenpersonen verboten. Auch dürfen solche Personen nicht an Versammlungen teilnehmen, bei denen politische Gegenstände verhandelt werden."
Verboten war es Frauen nun auch, Redakteurin einer Zeitung zu sein. Louise Otto-Peters musste ihre "Frauen-Zeitung" aufgeben, deren erklärte Aufgabe es war "wenigstens mit den Ketten zu klirren, die man nicht lösen kann."
Kerstin Wolff: "Dass Frauen Mitglied werden können in einer politischen Partei, aber dass sie auch, wenn sie einen Verein führen, politische Themen ansprechen dürfen, hat sich erst 1908 geändert."
Für Louise Otto-Peters war die Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins ein neuer Aufbruch im Geist der Revolution von 1848: "Was damals gekeimt und geblüht hatte, kommt Alles auf's Neue zum Vorschein."
Politische Rechte durfte der Verein nicht fordern. Doch nicht nur deshalb konzentrierte der ADF sich auf Bildung und Berufsarbeit.
"Also wir haben es 1865 mit einer Situation zu tun, dass sehr viele Frauen arm sind. Es gibt eine enorm hohe Frauenarbeitslosigkeit und Frauenarmut. Und die Frage, die sich die Frauen in Leipzig gestellt haben, war: Wie können wir das lösen? Und der Schlüssel schien ihnen zu sein: die Bildung."
Obwohl der ADF ein bürgerlicher Verein war, kämpfte er auch für Arbeiterinnen: für Berufsausbildung und gleiche Löhne.
"Der Bruch schien den Frauen eher zwischen Mann und Frau zu liegen als zwischen Bürgertum und Arbeiterklasse. Und von dem her haben sie versucht, die Arbeiterinnen als Frauen anzusprechen."
Fünf Jahre nach seiner Gründung hatte der ADF rund 10.000 Mitglieder.
"Ich denke, sie haben einfach so sehr den Nerv einer Zeit getroffen, dass es wirklich sehr, sehr schnell zu einem großen Mitgliederzuwachs gekommen ist."
Der Allgemeine Deutsche Frauenverein war der Motor der Ersten Frauenbewegung in Deutschland. Was Frauen bis heute erreicht haben, übersteigt die Ziele des ADF und die Träume von Louise Otto-Peters, doch erstaunt wäre sie kaum. Sie war unerschütterlich überzeugt: "Die Zukunft ist unser!"