Johannes Brahms komponierte nach den Siegen preußisch-deutscher Truppen über das französische Heer im Jahr 1870 das "Triumphlied" opus 55. Es war dem preußischen König Wilhelm I. gewidmet, seit dem 18. Januar 1871 deutscher Kaiser:
"Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, bekunden hiermit, dass Wir es als eine Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland betrachtet haben, dem Ruf der verbündeten deutschen Fürsten und Städte Folge zu leisten und die deutsche Kaiserwürde anzunehmen."
"Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, bekunden hiermit, dass Wir es als eine Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland betrachtet haben, dem Ruf der verbündeten deutschen Fürsten und Städte Folge zu leisten und die deutsche Kaiserwürde anzunehmen."
So lauteten die Eingangssätze der Proklamation, verfasst und verlesen vom späteren Reichskanzler* Otto von Bismarck im Spiegelsaal des Versailler Schlosses. Seit dem 6. Oktober 1870 residierten hier nicht allein der preußische König, sondern auch Bismarck und der preußische Generalstab. Der Krieg hielt unterdessen an und konzentrierte sich auf die Belagerung und Beschießung des nahen Paris. An jenem 18. Januar hatte Wilhelm I. sich schweren Herzens zu seiner neuen Würde als "Kaiser von Deutschland" bekannt. Dieser Titel aber war unannehmbar für die auf Eigenständigkeit pochenden süddeutschen Staaten. In deren Ohren klang das wie ein preußischer Anspruch auf alle deutschen Länder. Deshalb setzte Bismarck noch kurz vor der Proklamation den Titel "Deutscher Kaiser" durch. Großherzog Friedrich von Baden schließlich brachte am Ende ein Hoch auf "Seine kaiserliche und königliche Majestät, Kaiser Wilhelm" aus.
De jure existierte das Deutsche Reich bereits
Indessen – ein vereinigtes Deutsches Reich existierte zu diesem Zeitpunkt schon, jedenfalls verfassungsrechtlich. Der Historiker Wolfgang Mommsen wies schon früh darauf hin:
"Die großen Entscheidungen sind eigentlich bereits 1867 gefallen, mit der Gründung des Norddeutschen Bundes. Schon damals war klar, dass man früher oder später auch die süddeutschen Staaten in dieses norddeutsche Bündnis einbeziehen sollte."
Am 1. Januar 1871 hatten die Landesparlamente der im Norddeutschen Bund versammelten Staaten – darunter seit dem November 1870 auch schon die Königreiche Bayern und Württemberg sowie die Großherzogtümer Baden und Hessen-Darmstadt – einer erweiterten Verfassung zugestimmt. Sie sollte die Grundlage des neuen Reiches bilden. Darüber hinaus hatte der Reichstag des Norddeutschen Bundes im Dezember 1870 nicht allein der Umbenennung in "Deutsches Reich" zugestimmt. Das Parlament beschloss auch, den preußischen König um die Annahme der Kaiserkrone zu bitten. Der entsprach dem Ansinnen am 18. Dezember 1870. Zu Recht konstatiert der Historiker Christoph Jahr in seiner kürzlich publizierten Studie zum Kaiserreich:
"Die großen Entscheidungen sind eigentlich bereits 1867 gefallen, mit der Gründung des Norddeutschen Bundes. Schon damals war klar, dass man früher oder später auch die süddeutschen Staaten in dieses norddeutsche Bündnis einbeziehen sollte."
Am 1. Januar 1871 hatten die Landesparlamente der im Norddeutschen Bund versammelten Staaten – darunter seit dem November 1870 auch schon die Königreiche Bayern und Württemberg sowie die Großherzogtümer Baden und Hessen-Darmstadt – einer erweiterten Verfassung zugestimmt. Sie sollte die Grundlage des neuen Reiches bilden. Darüber hinaus hatte der Reichstag des Norddeutschen Bundes im Dezember 1870 nicht allein der Umbenennung in "Deutsches Reich" zugestimmt. Das Parlament beschloss auch, den preußischen König um die Annahme der Kaiserkrone zu bitten. Der entsprach dem Ansinnen am 18. Dezember 1870. Zu Recht konstatiert der Historiker Christoph Jahr in seiner kürzlich publizierten Studie zum Kaiserreich:
"Die Politiker, Militärs und Diplomaten nehmen in den Reichseinigungsgeschichten stets viel Raum ein, doch ohne die jahrzehntelange Arbeit der Parlamentarier hätte das neue Reich nicht entstehen können."
Preußens Glanz und Bayerns Grauen
Insbesondere Bayern und Württemberg taten sich schwer, ihre Eigenständigkeit aufzugeben. Prinz Otto von Bayern charakterisierte am 2. Februar 1871 in einem Brief an seinen königlichen Bruder Ludwig II. die Proklamation so:
"Welchen wehmütigen Eindruck machte es mir, unsere Bayern sich da vor dem Kaiser neigen zu sehen. Alles so kalt, so stolz, so glänzend, so prunkend und großtuerisch und herzlos und leer."
Wilhelm klagt auf hohem Niveau
Auch der preußische König hatte große Probleme mit der neuen Würde. Noch am Tag der Kaiserproklamation schrieb er an seine Ehefrau Augusta von Sachsen-Weimar, wobei das damals in Adelskreisen gebräuchliche Adjektiv "moros" nichts weniger als "missmutig" heißt:
"Eben kehre ich vom Schlosse nach vollbrachtem Kaiserakt zurück! Ich kann dir nicht sagen, in welcher morosen Emotion ich in diesen letzten Tagen war, teils wegen der hohen Verantwortung, die ich nun zu übernehmen habe, teils und vor allem über den Schmerz, den preußischen Titel verdrängt zu sehen!"
Freilich hinderte das Wilhelm I. nicht, seiner Frau Gemahlin exakte Anweisungen für seinen neuen Titel zu geben:
"Die Adreßtitulatur an mich von Dir schlage ich dahin vor: An Se. Majestät den Kaiser und König, die meinige an Dich findest du analog auf dem heutigen Kuvert."
Freilich hinderte das Wilhelm I. nicht, seiner Frau Gemahlin exakte Anweisungen für seinen neuen Titel zu geben:
"Die Adreßtitulatur an mich von Dir schlage ich dahin vor: An Se. Majestät den Kaiser und König, die meinige an Dich findest du analog auf dem heutigen Kuvert."
So war immerhin die Frage der postalischen Anschrift geklärt. 43 mehr oder weniger friedliche, wenngleich politisch und gesellschaftlich tief zerklüftete Jahre lagen vor dem neuen Kaiserreich. Sein Untergang nahm mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 seinen Lauf.
*An dieser Stelle wurde eine zeitliche Einordnung korrigiert.