
Kaiser Napoleon III. ist nach dem Debakel im deutsch-französischen Krieg schachmatt, Frankreich Republik. Trotzdem dominieren in der neuen Nationalversammlung, die in Versailles tagt, die Monarchisten. Der von ihnen ausgehandelte Friedensvertrag mit den Deutschen scheint unter Dach und Fach. Das einzige Hindernis ist die im März 1871 gewählte Pariser Gemeindevertretung: die "Commune". Ihre in der Mehrheit linksgerichteten Vertreter empfinden den Verlust von Elsass und Teilen Lothringens als beschämend, ja unpatriotisch.
Zeichen auf Bürgerkrieg
Versailles gegen Paris, rechts gegen links: Die Zeichen stehen auf Bürgerkrieg. Dazu Jacques Rougerie, Historiker an der Pariser Sorbonne: "Zu dieser Zeit funktioniert die Propaganda über Plakate, vor allem aber über die Presse. In ihrer Mehrheit ist sie konservativ. Die Kampagnen werden immer heftiger, vor allem gegen Paris. Von einer roten Orgie ist die Rede."
Diese Propaganda sollte die Soldaten indoktrinieren, die um Versailles zusammengezogen wurden, um Paris zurückzuerobern, so Jacques Rougerie. "Die Soldaten sollen mit der Vorstellung in den Kampf ziehen, dass sie die Zivilisation gegen die Barbarei verteidigen."
Historiker Rougerie: "Eine Repression im Stile des 20. Jahrhunderts"
Die alten Eliten fürchten die Linke mit ihrem Traum von mehr sozialer Gerechtigkeit. Deshalb denkt Regierungschef Adolphe Thiers rein machttaktisch, rein militärisch. Wir oder sie, heißt seine Devise. 100.000 Nationalgardisten stehen in Paris noch unter Waffen. Doch sind es im Vergleich zu den Truppen, die Thiers zur Verfügung stehen, Amateure.
Mehr noch: Auch die Deutschen wollen kein rotes Paris. Nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens lassen sie die französischen Kriegsgefangenen sofort frei, und, so Jacques Rougerie: "Dieses utopische Pariser Abenteuer wird in Blut ertränkt. Innerhalb einer Woche, der sogenannten Blutwoche, wird Paris zurückerobert. Eine derart grausame Niederschlagung eines Aufstandes hat das 19. Jahrhundert bis dahin noch nicht erlebt. Es ist eine Repression im Stile des 20. Jahrhunderts mit all dem, was man heute als Kriegsverbrechen bezeichnet."
Am 28. Mai 1871 fällt die letzte Barrikade
Zwei Vorwürfe werden der Pariser Kommune gemacht: zum einen die Exekution von zwei Generälen, die noch vor den Kommunalwahlen im März die Nationalgarde entwaffnen wollten; zum anderen die Ermordung von wahrscheinlich 84 Geiseln. Die Antwort der Regierungstruppen sind Massenerschießungen, bei denen weder Frauen noch Kinder verschont werden. Am 28. Mai 1871 fällt die letzte Barrikade in einem Arbeiterviertel im Osten von Paris. Doch geht das Abschlachten der Anhänger der Pariser Kommune weiter – bis in den Juni hinein, bis die Seuchengefahr durch die Leichenberge dem willkürlichen Blutbad ein Ende setzt. Dazu Historiker Jacques Rougerie:
"Ich glaube, die Verantwortung für diese nicht zu erwartenden grausamen Massaker liegt bei einigen wenigen bonapartistischen oder monarchistischen Generälen, die Paris hassten. Die Regierung von Versailles, in der auch gemäßigte Republikaner saßen, konnte nicht wissen, was da passierte.
Ein Drittel von Paris liegt am Ende in Schutt und Asche
Die geschätzte Zahl der ohne Prozess Hingerichteten liegt zwischen 17.000 und 30.000. Rund 40.000 Pariser werden verhaftet, über 4000 davon nach Neu-Kaledonien deportiert. Der Justizpalast wird genauso Opfer der Flammen wie der Louvre. Ein Drittel von Paris liegt am Ende in Schutt und Asche.
"Das Paris der Arbeiter, mit seiner "Commune", wird ewig gefeiert werden als der ruhmvolle Vorbote einer neuen Gesellschaft", schreibt der Philosoph Karl Marx wenig später in seiner Schrift "Der Bürgerkrieg in Frankreich".
"Seine Märtyrer sind eingeschreint in dem großen Herzen der Arbeiterklasse. Seine Vertilger hat die Geschichte schon jetzt an [den] Schandpfahl genagelt."
Brechts These zur Zentralbank
Der Nachwelt bleibt das Spekulieren. Hätte die Pariser Kommune eine Chance gehabt, wenn sie - wie der Dichter Bertolt Brecht meinte - die französische Zentralbank enteignet hätte? Oder wenn die Nationalgarde - so Louise Michel, eine der tonangebenden Frauen der Kommune - gleich im März 1871 Versailles angegriffen hätte, als die Regierung am Boden lag? In jedem Fall: Die Pariser Börse arbeitete während der zehnwöchigen Amtszeit der Pariser Kommune durchgehend. Kursrückgänge gab es in dieser Zeit nicht zu verzeichnen.