Hinweis: In den historischen Zitaten des Beitrags wird das N-Wort verwendet. Wir haben es durch "N****" ersetzt. Wir verwenden "N****", um die historische Situation mit zeitgenössischen Zitaten zu beschreiben.
Er will sie unbedingt kennenlernen, persönlich. 1862, mitten im blutigen Bürgerkrieg, lädt Abraham Lincoln deshalb Harriet Beecher Stowe zu sich ins Weiße Haus. Die Schriftstellerin und Aktivistin für die Abschaffung der Sklaverei begrüßt der amerikanische Präsident mit den Worten: "Sie sind also die kleine Frau, die mit ihrem Buch diesen großen Krieg ausgelöst hat?"
Deutlich kleiner als der hünenhafte Lincoln ist die damals 51-jährige Autorin von "Onkel Toms Hütte" tatsächlich, sie misst kaum anderthalb Meter. Weniger berühmt ist sie mitnichten. Beecher Stowes Antisklaverei-Roman zählt zu den meistgelesenen Büchern der USA. Für die Abolitionisten ist "Uncle Tom’s Cabin" eine wichtige Kampfschrift im 1861 ausgebrochenen Sezessionskrieg.
Amerika Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Norden sind Schwarze freie Menschen, wenn auch längst nicht gleichberechtigt mit Weißen. Im Süden müssen rund vier Millionen Afro-Amerikaner als Sklaven auf Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen arbeiten. Beecher Stowe hat mit Entsetzen das Elend dieser Unterdrückten gesehen, auf Reisen mit ihrem Mann, einem liberalen Prediger. Als 1850 der Fugitive Slave Act verlangt, entlaufene Sklaven einer Behörde oder der Polizei zu übergeben, greift die überzeugte Christin zur Feder: "Ich werde schreiben, wie ein Maler malt. Ich werde Bilder schaffen. Bilder beeindrucken. Gegen Bilder kann man nicht argumentieren."
Am 5. Juni 1851 erscheint in "The National Era", einer Zeitschrift der Sklavereigegner, ein erstes Kapitel von "Onkel Toms Hütte", weitere folgen im Wochenabstand. 1852 gibt der Verlag den Roman in Buchform heraus. Die Erstauflage ist innerhalb von 48 Stunden vergriffen. Dank der Übersetzung in über 60 Sprachen kennt man bald rund um den Globus die tragische Geschichte des Sklaven Tom, den sein Besitzer Shelby aus Geldnot an einen skrupellosen Menschenhändler verkauft: "Ich sage Ihnen, Tom ist ein ganz ungewöhnlicher Kerl. Er ist die Summe, die mir noch fehlt, überall wert. Er verwaltet meine Farm wie eine Uhr. Ordentlich und ehrlich." "Sie meinen, so ehrlich, wie N***** sind?"- "Nein, ich meine es wirklich."
Tom landet zunächst bei einem wohlmeinenden Farmer, gerät dann aber an einen äußerst brutalen Plantagenbesitzer, der ihn schließlich grausam zu Tode prügelt. Parallel zur Geschichte der Titelfigur Tom erzählt Beecher Stowe von der Sklavin Eliza, ihrem Mann und Sohn Harry.
"Was für ein Blitzkerlchen! Und erstklassig in Schuss. Hören Sie, Shelby, geben Sie das Kerlchen zu, und das Geschäft soll abgemacht sein, das ist doch höchst anständig von mir, nicht wahr?" "Was wollen Sie denn mit einem fünfjährigen Kind machen? "Ein Modeartikel!"
Harriet Beecher Stowe beschreibt die Bilder der Sklaverei mit viel Gefühl - manche sagen Kitsch, und sie appelliert an die Empathie ihrer Leser. Berichte von entlaufenen Sklaven, Pamphlete und andere Schriften habe es bereits gegeben, erklärt die Amerikanistin Gabriele Pisarz-Ramirez. Aber dieser Roman machte etwas Neues: "Er hat nicht nur die Grausamkeit der Sklaverei auf den Plantagen dargestellt, sondern Sklaven als Menschen wie du und ich präsentiert, also als Brüder, Schwestern, Väter, Mütter und als Christen."
Harriet Beecher Stowe beschreibt die Bilder der Sklaverei mit viel Gefühl - manche sagen Kitsch, und sie appelliert an die Empathie ihrer Leser. Berichte von entlaufenen Sklaven, Pamphlete und andere Schriften habe es bereits gegeben, erklärt die Amerikanistin Gabriele Pisarz-Ramirez. Aber dieser Roman machte etwas Neues: "Er hat nicht nur die Grausamkeit der Sklaverei auf den Plantagen dargestellt, sondern Sklaven als Menschen wie du und ich präsentiert, also als Brüder, Schwestern, Väter, Mütter und als Christen."
Sklaverei-Befürworter antworteten mit Anti-Onkel-Tom-Romanen
Die einen feiern Beecher Stowe dafür, bei anderen sorgt das Buch für Empörung. Auf dem Markt erscheinen Dutzende von Anti-Onkel-Tom-Romanen, in denen Apologeten einer Sklavenhaltergesellschaft sich bemühen zu zeigen, wie gut es Schwarze auf den Plantagen des Südens doch haben.
Die Generation von Malcolm X arbeitete sich an Onkel Tom ab
Im Zuge der Bürgerrechtsbewegung Mitte des 20. Jahrhunderts gerät Beecher-Stowes längst zum Klassiker avancierter Roman aber auch von anderer Seite in die Kritik. Denn Tom, ein frommer Christ, wird von Beecher Stowe zwar als ehrenhaft und aufrichtig beschrieben, weil er etwa das Versteck zweier Geflohener nicht preisgibt und das mit dem Leben bezahlt. Gleichzeitig aber ist er unterwürfig, nie protestiert er gegen erlittenes Unrecht, nie lehnt er sich auf gegen seine Peiniger. Für die Angehörigen der Generation eines Malcolm X wird Onkel Tom deshalb zu einem Schimpfwort für duckmäuserische Schwarze – und ist es bis heute geblieben.