Rotkehlchen, Rentiere, Weihnachtsmänner. Alle Jahre wieder. Schon seit dem Spätsommer liegen in britischen Läden Weihnachtskarten aus. Mit gutem Grund. In keinem Land, nicht einmal in den USA, werden so viele Karten verschickt. Ein aufwendiges Unterfangen, mit dem man nicht früh genug anfangen kann, sagt Jane, Managerin eines Schreibwarenladens in London:
"Wir haben personalisierte Karten in allen Varianten: an die Tante, an den Onkel, von der Tante, vom Onkel. An den Pfarrer und den Lehrer. Karten vom Haus ans Nachbarhaus, von der Katze, vom Hund – an die Katze, an den Hund. Kurzum: alles, was das Herz begehrt."
Einfach keine Zeit
Das hätte sich selbst Henry Cole nicht träumen lassen, als er am 5. Dezember 1843 die erste Weihnachtskarte in Auftrag gab. Cole, Mitbegründer des weltberühmten Victoria und Albert Museums in London, war ein viktorianischer Universalgelehrter. Und weil er im Vorfeld der Festtage einfach keine Zeit hatte, alle seine Freunde und Kollegen mit individuellen Weihnachtsbotschaften zu versorgen, beauftragte er kurzerhand den Illustrator John Calcott Horsley, eine Glückwunschkarte zu gestalten, die sich leicht reproduzieren ließ und die man rasch mit einer Widmung versehen und unterschreiben konnte.
Tim Travis vom Victoria und Albert Museum in London, das eine riesige Sammlung von Karten besitzt, zieht eines der ersten Exemplare aus dem Jahr 1843 hervor, von Henry Cole höchstpersönlich unterschrieben:
"Die Karte ist etwas kleiner als eine Postkarte und besteht aus drei Szenen. Die zwei kleineren Bilder links und rechts zeigen wohltätige Motive. Im Mittelbild hingegen sehen wir drei Generationen der Familie Cole am festlich geschmückten Weihnachtstisch: sie essen plum pudding, trinken Wein und prosten dem Empfänger der Karte mit den Worten zu: ‚A Merry Christmas and a Happy New Year to you‘."
Der geschäftstüchtige Henry Cole ließ gleich tausend Karten mit dem von John Calcott Horsley entworfenen Motiv drucken und handcolorieren und brachte sie für einen Schilling pro Stück auf den Markt. Aber das war den meisten Menschen zu teuer – ein Schilling, dafür musste ein Fabrikarbeiter einen ganzen Tag lang schuften. Zudem wurde befürchtet, das Bild von der Weihnachtsparty könnte viktorianische Werte unterminieren, weil selbst der kleinste Sprössling der Familie Cole ein Glas Wein in der Hand hielt. Allerdings spielten erbauliche und fromme Themen auf den frühen Weihnachtskarten ohnehin keine Rolle, so Travis:
"Die Karte ist etwas kleiner als eine Postkarte und besteht aus drei Szenen. Die zwei kleineren Bilder links und rechts zeigen wohltätige Motive. Im Mittelbild hingegen sehen wir drei Generationen der Familie Cole am festlich geschmückten Weihnachtstisch: sie essen plum pudding, trinken Wein und prosten dem Empfänger der Karte mit den Worten zu: ‚A Merry Christmas and a Happy New Year to you‘."
Der geschäftstüchtige Henry Cole ließ gleich tausend Karten mit dem von John Calcott Horsley entworfenen Motiv drucken und handcolorieren und brachte sie für einen Schilling pro Stück auf den Markt. Aber das war den meisten Menschen zu teuer – ein Schilling, dafür musste ein Fabrikarbeiter einen ganzen Tag lang schuften. Zudem wurde befürchtet, das Bild von der Weihnachtsparty könnte viktorianische Werte unterminieren, weil selbst der kleinste Sprössling der Familie Cole ein Glas Wein in der Hand hielt. Allerdings spielten erbauliche und fromme Themen auf den frühen Weihnachtskarten ohnehin keine Rolle, so Travis:
"Die ersten Weihnachtskarten waren mit Blumen und romantischen Frühlingsszenen geschmückt, so dass sie eher wie eine Valentinskarte aussahen. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Valentinskarten waren bei den Viktorianern schon längst populär. Weihnachtskarten hingegen wurden von den meisten Verlagen für eine Eintagsfliege gehalten. Deswegen wollten sie nicht in neue Druckplatten investieren, sondern benutzten bereits vorhandene Vorlagen für Valentinskarten und änderten sie entsprechend ab, so dass sie auch für Weihnachtskarten zu gebrauchen waren."
Deutsche Weihnachtskarten bei Engländern beliebt
Es sollte über 20 Jahre dauern, bis auch die Weihnachtskarte in Großbritannien wirklich populär wurde. Das hatte mit drucktechnischen Neuerungen zu tun, die zu niedrigeren Preisen führten, außerdem wurden die Postgebühren drastisch gesenkt. Erst jetzt entstanden die typischen Weihnachtskartenmotive mit ihren Winterszenen, Weihnachtsmännern, Rauschgoldengeln und Krippen:
"Die uns allen vertraute Ikonographie war in erster Linie von der viktorianischen Literatur inspiriert. Charles Dickens Roman ‚A Christmas Carol‘ - zu Deutsch ‚Weihnachtslied. Eine Gespenstergeschichte‘ - hatte zum Beispiel einen großen Einfluss. Gleichzeitig brachte Prinz Albert - Königin Viktorias deutscher Ehemann - eine ganze Reihe deutscher Weihnachtstraditionen auf die Insel, wie den Weihnachtsbaum, den Adventskalender … Übrigens waren deutsche Weihnachtskarten bei den Engländern ungemein beliebt, denn in Deutschland hatte man neue Druckmethoden entwickelt, so dass die Karten in großer Menge produziert und besonders billig verkauft werden konnten", so Travis.
Im heutigen Großbritannien sind Weihnachtskarten ein Milliardengeschäft. Laut Statistik kann jeder britische Haushalt mit rund 150 Grußkarten rechnen. Von den tausend Karten, die im Winter 1843 gedruckt wurden, ist nur noch ein rundes Dutzend erhalten. Ein Exemplar wurde vor ein paar Jahren für umgerechnet 25.000 Euro versteigert.
"Die uns allen vertraute Ikonographie war in erster Linie von der viktorianischen Literatur inspiriert. Charles Dickens Roman ‚A Christmas Carol‘ - zu Deutsch ‚Weihnachtslied. Eine Gespenstergeschichte‘ - hatte zum Beispiel einen großen Einfluss. Gleichzeitig brachte Prinz Albert - Königin Viktorias deutscher Ehemann - eine ganze Reihe deutscher Weihnachtstraditionen auf die Insel, wie den Weihnachtsbaum, den Adventskalender … Übrigens waren deutsche Weihnachtskarten bei den Engländern ungemein beliebt, denn in Deutschland hatte man neue Druckmethoden entwickelt, so dass die Karten in großer Menge produziert und besonders billig verkauft werden konnten", so Travis.
Im heutigen Großbritannien sind Weihnachtskarten ein Milliardengeschäft. Laut Statistik kann jeder britische Haushalt mit rund 150 Grußkarten rechnen. Von den tausend Karten, die im Winter 1843 gedruckt wurden, ist nur noch ein rundes Dutzend erhalten. Ein Exemplar wurde vor ein paar Jahren für umgerechnet 25.000 Euro versteigert.